Mein Hotel in Dublin verfügt nicht nur über magische Zimmer, die plötzlich verschwinden, sondern auch über ein mystisches Pub, das einmal mehr zeigt, dass sich der Weg in die Temple Bar gar nicht lohnt, sondern die wahren Geheimnisse in der Nähe zu finden sind. Die Ned Keenans (Irish Music) Bar im Kellergeschoss scheint einer anderen Zeit zu entspringen.
Natürlich herrscht im Eingangsbereich erst einmal grosse Leere. Im Hintergrund ein Schild, dass Hippies nach hinten gehen sollen und ich reagiere etwas verunsichert: als Hippie würd ich mich jetzt nicht grad bezeichnen. Aber so ganz alleine mit Che Guevara, dessen Antlitz links der Zapfsäulen prangt in der leeren Bar und erst noch ohne Bier – als tolle Alternative erscheint mir das nicht wirklich. Und so wage ich mich durch das Tor hinter dem es etwas seltsam riecht und stehe in einem fast ebenso leeren Raum, der aber im Hintergrund immerhin den Blick auf einen Pooltable bietet. Und in der Tat sitzt eine Gruppe junger Menschen in dessen Nähe und spielen zwei nicht mehr ganz so junge Männer am Billardtisch. Sie spielen schlecht.
Das erinnert mich an eine Kneipe irgendwo in den Bergen Kolumbiens, wo wir ebenfalls auf eine Gruppe Männer am Pooltisch stiessen. Selten war ich so gedemütigt worden. Nach dem Anspiel kamen wir nicht mehr zum Zug, wobei unser Gegner das Queue ausschliesslich mit einer Hand führte. 40 Jahre in der Provinz bringen Übung – also eigentlich gar nicht so ein schlechtes Zeichen für die Amateure in der Ned Keenans Bar.
Während ich so dasitze, stechen mir verschiedene Dinge in diesem Raum ins Auge. So sehe ich ein Schild mit der Aufschrift „Grow your own Dope – Plant a man“. Verstehen tu ich das nicht wirklich. Aber der Geruch stammt offensichtlich nicht von Dope, sondern von einfachen Zigaretten, die vom Barkeeper theoretisch beim Hintereingang geraucht werden, faktisch aber die Luft im mit Nichtraucherzeichen vollgestopften Raum würzen. Und ins Auge sticht natürlich dieses etwas eigenartige Bild, dessen Sinn sich mir genausowenig erschliesst.
Irgendwie unanständig. Irgendwie aber auch geil. Dies erinnert mich wiederum an die Führung in eine Gruft von heute Mittag. Da haben wir durch natürliche Einflüsse sehr gut konservierte Leichen besucht, die unter einer Kirche begraben liegen. Der Führer von unbestechlich guter Laune hatte für alles einen Joke bereit – und für die mehr als 100 Meter entfernte Schweiz war Celine Dion zuständig. Diese hatte 1988 in Dublin den European Song Contest gewonnen. Der Führer hätte Celine Dion am liebsten ebenfalls in dieser Gruft gesehen, die erstaunlicheweise weiterhin „offen“ war: wer vor langer Zeit hier ein Grab „kaufte“, kaufte damit auch das Recht, dass die künftigen Nachkommen an genau diesem Ort bestattet würden.
Zurück im Pub. Im Hintergrund läuft irische Musik, bei einem Lied achte ich mich etwas genauer auf den Text: „We had a rooster, he was awfully gay“, heisst es da etwa, aber: „then came a chicken into our yard“ – und klar, seither „he’s laying hens now since this hen came into our yard.“ Hennen, Schwule, Liverpool, Manchester – Erinnerungen werden wach. Als Ablenkung tausche ich SMS mit Tobi aus, deren Inhalt hier leider nicht wiedergegeben werden kann. Die SMS waren durchaus auch unanständig und irgendwie auch geil. Soviel sei hier verraten: sie handelten vorwiegend von Hennen. Von sehr schönen Hennen.