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Israel: ein Regenbogen – Land

Israel ist auf jeden Fall ein faszinierendes Land. Unabhängig von den besetzten Gebieten Palästinas beherbergt es die unterschiedlichsten Völker und Menschengruppen, Kulturen und Religionen. Es gibt kaum ein Land, das vielfältiger ist; in welchem es ultraliberale Communities gibt wie in Tel Aviv, wo Kiffen zum Alltagsbild gehört und Homosexualität offen gelebt werden kann; in welchem ultraorthodoxe Gemeinschaften existieren wie in Jerusalem oder den Siedlungen, wo so gelebt werden soll wie vor 3000 Jahren; in welchem arabische Viertel zu finden sind, wo im Suq gehandelt und gefeilscht wird und wo ab und an ein chassidischer Jude hindurchgeht; in welchem der Ruf des Muezzins über dem jüdischen Viertel erschallt, nur manchmal übertönt durch christliche Kirchenglocken; in welchem dunkelhäutige nebst blonden Juden im kosheren Restaurant arbeiten oder essen, wo Menschen aus aller Welt stammen und damit auch die verschiedenartigsten kulturellen Hintergründe mitbringen und nebst hebräisch die unterschiedlichsten Sprachen sprechen; in welchem Männer wie Frauen ihren Militärdienst leisten, sich junge Paare in aller Öfffentlichkeit küssen, wo aber zugleich in orthdoxen Kreisen eine strikte Trennung von Mann und Frau existiert, wo arrangierte Ehen eine Selbstverständlichkeit sind und wo Frauen sich ihre Kopfhaare rasieren und eine Perücke tragen müssen; in welchem die jüdische Gemeinschaft staatstragend ist, zugleich aber äusserst eigenwillige Menschen leben, wie mir ein Taxifahrer in Tel Aviv klargemacht hat und wie man auf den Strassen Israels tagtäglich beobachten kann.

Als Klammer für diese Vielfalt in Israel dient das Judentum, dem rund 80 Prozent der Israeli angehören. Dieses ist wohl einzigartig auf der Welt durch seine Verbindung von religiösen und ethnischen Eigenschaften. Auf der einen Seite stehen die ultraorthodoxen Juden, deren Judentum als rassistisch bezeichnet werden kann. Für sie ist das Judentum „das auserwählte Volk“ und für manche von ihnen haben Nicht-Juden (so genannte „Gojs“) nicht einmal eine Seele. Sie leben in einer in sich geschlossenen Welt, die komplett auf der Tora aufbaut, der hebräischen Bibel. Sie sind zu keinerlei Kompromissen bereit und sind meist von weitem durch ihre Kleidung zu erkennen.

Doch nicht nur für orthodoxe Juden gelten gewisse uralte Regeln noch heute, sondern sie prägen durchaus auch liberale Juden. So steht beispielsweise in Jerusalem das Leben am Sabbat (dem jüdischen Sonntag) völlig still, aber auch in ganz Israel fahren keine öffentlichen Busse und Bahnen, sind die meisten Geschäfte geschlossen. Ausnahmen werden in der Regel von den knapp 20 Prozent Arabern betrieben. Aber auch das koshere Essen ist für viele Juden Teil ihrer kulturellen Identität. Milchprodukte werden strikt von Fleischprodukten getrennt, Fleisch muss von geschächteten Tieren stammen, Wassertiere müssen Schuppen haben, um gegessen zu werden etc.

Es gibt allerdings auch Juden, die solche Regeln nicht befolgen und sich gleichwohl als Juden fühlen. Dies hat auch damit zu tun, dass das Judentum via Mutter weitergegeben wird. So wird die jüdische Kultur sehr leicht weitergegeben und es ist auch heute noch sehr ungern gesehen, wenn selbst liberale Juden eine Nichtjüdin, eine so genannte „Schickse“ heiraten. Dies geschieht ganz unabhängig von der Religiosität der einzelnen Menschen und steht vielmehr für die ethnische Komponente, die verstärkt wird durch die hebräische Sprache und die reiche jüdische Kultur.

Als weitere Klammer für das Judentum gilt natürlich die tragische Geschichte, die geprägt ist durch ein jahrtausendelanges Exil, durch Verfolgung, Pogrome, antisemitische Ausfälle und schliesslich den Holocaust. Diese tragische Geschichte hat letztlich zur Entstehung Israels geführt, einer Heimstätte für Juden, ein Ort an welchem sie sicher vor Verfolgung sein sollten und wo Juden aus der ganzen Welt willkommen sind.

Dass diese Heimstätte nur durch das Ausgrenzen einer anderen Volksgruppe, den Palästinensern, möglich wurde, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Waren Juden bisher die Verfolgten, herrschen sie nun selbst über andere Menschen, die angeblich nichts anderes im Sinn hätten als Israel zu vernichten. Diese ewige Angst, vernichtet zu werden ist verständlicherweise ins kollektive Gedächtnis von Juden eingeprägt, führt aber auch zu einer Besatzung, die sich in dieser Form längst nicht mehr rechtfertigen lässt. Und hat letztlich dazu geführt, dass die Palästinenser faktisch selbst gettoisiert wurden, indem Israel eine teilweise als Mauer ausgeführte Sperranlage errichtet hat, deren Verlauf sich mitten durch die Palästinensergebiete schlängelt und deshalb völkerrechtlich eindeutig illegal ist. Und die – das ist wohl die besondere Tragik – eine langfristige Lösung des Konflikts (die Zweistaatenlösung) komplett verunmöglicht.

Diese Lösung wird aber vielleicht auch deshalb gar nicht wirklich angestrebt, da ein so vielfältiges Gebilde wie Israel nicht zuletzt durch die gefühlte Bedrohung zusammengehalten wird. Würde das Feindbild der Palästinenser wegfallen, fiele ein wichtiger Kitt weg, der die Nation stabilisiert. Womöglich würde Israel ohne Besatzung an seiner Heterogenität zerbrechen!

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