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Tiraspol

Transnistrien gilt als Schmugglerparadies. Mir ist zwar unklar wie das funktionieren kann bei einem Gebiet, das nur an zwei Staaten grenzt, die beide arm sind. Was soll da bitte wohin geschmuggelt werden? Aber schon beim Eingang Tiraspols fällt etwas auf, was den zumindest teilweisen Wohlstand Transnistriens zeigt: das Mehrfachstadion des FC Sheriff Tiraspol. Dieser hatte sogar einmal ein Spiel gegen Real Madrid gewonnen, was ich allerdings da noch nicht wissen konnte, da dies erst zwei Jahre später geschehen sollte.

Doch nicht nur das riesige, neuerbaute Stadion fällt auf, sondern auch die ebenso moderne Tankstelle davor. Wie halb Transnistrien gehört diese Kette der Firma Sheriff, die von ehemaligen Polizisten gegründet wurde. Und die offensichtlich zu viel Geld gelangt ist. So gehört auch eine sehr moderne und einwandfreie Lebensmittelladenkette zum Konzern oder der Schnapshersteller Kwint.

In einem „Sheriff“

Ich fahre also durch Tiraspol und staune. Ich überlege mir, wo ich aussteigen soll und entscheide mich spontan, nicht bis zum Bahnhof mitzufahren, da meine Unterkunft am anderen Ende des Städtchens liegt. Und so „lande“ ich bei einem kleinen Park mit einer neu erbauten orthodoxen Kirche. Geld scheint vorhanden zu sein in diesem abtrünnigen „Land“.

Ich wandere etwas durch den Park und komme mir etwas unwirklich vor. Bin ich wirklich in Transnistrien? Was will ich hier? Was gibt es hier zu tun? Immerhin habe ich bereits im Vorfeld zwei Touren gebucht und so mache ich mich auf den Weg zum gebuchten Hostel. Ohne zu wissen, dass dies eine äusserst ereignisreiche Reise werden wird, die mich an meine psychischen Grenzen bringen wird.

Mein Glück ist es, dass ich ein sympathisches Hostel gebucht habe, geführt von einer noch sympathischeren Familie. Hostel like Home. Es liegt etwas am Stadtrand in einer ruhigen Strasse und ich werde sehr herzlich empfangen. Evghenia, die Chefin ist schon wieder auf den Beinen, obwohl sie erst wenige Tage zuvor eine kleine Tochter geboren hat. Es fühlt sich tatsächlich sehr persönlich an, für die anderen Kinder der Familie ist vor allem der Hostel-Bereich ein toller Aufenthaltsraum und Spielplatz. In der grossen Küche, die früher als Küche eines Restaurants gedient hat wird heute leider nur noch Frühstück zubereitet, weshalb ich mich nach einer kurzen Erfrischung wieder in die Stadt aufmache.

Diese wirkt auch auf den zweiten Blick erstaunlich modern. In einem Imbiss esse ich etwas Kleines und habe nichts auszusetzen, ausser dass er fast schon zu steril wirkt. In der Stadt wird gebaut (natürlich durch Sheriff), es hat weltweit übliche „I love…“ Schilder, Denkmäler, viele Kirchen, einen Skaterpark und sogar Kajakfahrer und eine schöne Uferpromenade. Ich flaniere durch die Strassen und einige Zeit später mache ich mich auf den Weg, um etwas zu Abend zu essen. Es gibt Sushirestaurants. Andere haben Sushi. Oder Sushi. Scheint grad in zu sein. Auch eher ein Zeichen von Wohlstand. Ich entscheide mich für ein ebenfalls modernes Restaurant an der Hauptstrasse, wo es Spaghetti und Wareniki gibt. Einwandfrei in elegantem Ambiente. Alles wirkt erstaunlich normal und ich vergesse immer mehr, dass ich mich an einem der seltsamsten Orte der Welt befinde. Was mir am nächsten Tag umso schmerzhafter bewusst werden wird.

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