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Im verlassenen Schulhaus

Wir fahren zum Bahnhof von Bender. Ein Gebäude aus Sowjetzeiten, das viele Relikte aus vergangener Zeit beherbergt. Im ersten Stock gibt es ein „sowjetisches“ Restaurant, wo wir einem alten Bekannten begegnen: Lenin. Wir essen Borschtsch, um uns noch etwas zu kräftigen, bevor wir uns zum Höhepunkt des heutigen Tages begeben werden.

Wir fahren wieder zurück über den Fluss nach Tiraspol. Wir sind etwas zu früh und müssen noch auf den ehemaligen Abwart des Schulhauses warten, das wir gleich besuchen werden. Bilder hatte ich schon davon gesehen und es verspricht gruselig zu werden.

Wir betreten das Gebäude und damit eine Zeitkapsel wie ich es zum letzten Mal ein Jahr zuvor in Tschernobyl erlebt habe. Die meisten Lost Places sind in miserablem Zustand, alles wurde geplündert. Hier jedoch ist vieles noch erhalten, es herrscht einfach ein unfassbares Chaos.

Wir gehen durch das Gebäude, ich fotografiere wie wild, bin mir aber bewusst, dass das noch nicht alles ist. Ich hatte schon Bilder davon gesehen. Bilder der Sammlung. Die mich fasziniert hat. Wir schreiten von Zimmer zu Zimmer, ich bin erstaunt, dass es in einem Schulhaus einen Zahnarztsessel hat, wir sehen aber auch vieles, was einfach zu einem Schulhaus gehört. Und da dieses in der Sowjetunion gebaut worden ist, begegnen wir einmal mehr Lenin.

Und dann plötzlich stehen sie vor uns. Die Gläser. Voll mit toten Embryos. Ich bin begeistert. Was wohl seltsam tönt. Aber nachdem ich noch gestern gedacht habe, dass ich wohl bald selbst im besten Fall in Formaldehyd aufbewahrt werde, ist die Szenerie einfach zu absurd. Ich befinde mich in Transnistrien. Einem absoluten Nichtort für Touristen. Und vor mir steht ein Tisch voller Gläser mit Embryos, die vor einigen Jahren zum Unterrichten von jungen Menschen genutzt worden sind.

Auch wenn es seltsam tönt: ich habe mich mit Transnistrien wieder ein wenig versöhnt. Action hatte ich genug, ein intensiver Aufenthalt, viel zu viel in zu kurzer Zeit. Aber morgen steht mir noch die grosse Bewährungsprobe bevor: der Grenzübertritt. Ob mich die Moldawier wirklich so einfach ausreisen lassen? Inzwischen sehe ich die Situation deutlich klarer und beginne schon fast zu lachen über meine Paranoia. Ob ich morgen auch noch lachen werde?

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