Laternenpfahl, warum sprichst du nicht zu mir? Telefon, in der gelben Kabine, warum rufst du mich nicht an? Warum bellst du nicht, kleines Hündchen, du, das so verwildert umherstreunst, hast du mir nichts anzuvertrauen? Sonnenstrahl, der du mich gewärmt hast, wo bist du geblieben? Das Blitzen der Fenster, dieser – meiner – dieser ach so fremden Grossstadtfenster, die so trüb geworden.
Es ist Frühling
Ist es Frühling?
Strassen, gesäumt von Ruinen. Von Grossstadtruinen. Ruinen des Wohlstands. Des Wachstums.
Kein Mensch zu sehen. Nur der Laternenpfahl, der sich in Schweigen hüllt. Und das Telefon, das müde geworden und keine Anrufe mehr entgegennimmt, dessen Kabinentür im lauen Morgenwind auf und zuschlägt.
Monotonie.
Blätter liegen am Boden, Blätter mit Telefonnummern, die niemand mehr anwählt: Blätter mit Adressen, an denen niemand mehr lebt. Ruinen überall. Blätter des Herbstes.
Im Frühling?
Nur der Laternenpfahl ist stehen geblieben, leicht gebückt steht er da – unbewegt. Die Häuser rundherum, alle kahl, mit blinden Fenstern. Wenn sie nicht geborsten sind, die Fenster.
Alles schlaeft.
Regen! Regen, was ist geschehen? du kommst von weither, was hast du gesehen? warum sagst du nichts? warum meldest du dich, wenn du nichts mitzuteilen hast? Telefonkabine, warum bietest du mir keinen Schutz? Dein Dach, weggedrückt, wie alles hier.
Von der Druckwelle.
Wie sieht es anderswo aus? Telefon, warum klingelst du nicht?
Nur einmal. Einmal. Nur ein Klingeln. Nur ein Zeichen des Lebens. Doch alles bleibt still.
Alles schlaeft.
ausser der Tür, die mit dem Wind spielt. Leben?
Ist Bewegung Leben? Ist Leben Bewegung?
Warum bellst du nicht, kleines Hündchen? du bewegst dich nicht? Hast du Angst? Angst vor diesem Leben? angst vor dem Bewegen?
Bell doch einmal.
Nur einmal
Nur ein Zeichen des Lebens.
Laternenpfahl, du bewegst dich? Lebst du denn?
„Komm näher“.
Was, du sprichst? Warum beugst du dich herunter? du hast mir etwas zu sagen? Ich komme, ich komme.
Du schweigst!
Ruinen links, Ruinen rechts.
Strasse, warum bist du so schmutzig? weisst du nicht, dass der König kommen wird? Bald. Vielleicht ist er schon auf dem Weg. Der König. Laternenpfahl, du schweigst und kannst doch reden, du bist grau und geknickt; warum leuchtest du nicht?
Stille. Tod.
Der König, er kommt. Er wird da sein. Er wird traurig sein.
Der König.
Traurig, weil du nicht leuchtest.
Weil du ihm nicht leuchtest.
Wird er anrufen? Telefon in der gelben Kabine, bist du bereit? Nur ein Klingeln.
Der König kommt!
Er wird anrufen.
Dich anrufen.
Wirst du dich melden? Nur ein Anruf.
Ein einziger Anruf.
Streng dich an. Du antwortest nicht? er hat doch angerufen? er kündigt sich immer an, der König. Damit ihm der Laternenpfahl leuchten kann.
Den Weg leuchten.
Ruinen, seid ihr wirklich so kahl? Ihr wisst doch, dass der König kommt. Er wird uns retten. Hört ihr? uns retten!
Rettung.
Er wird uns Hoffnung geben.
Hoffnung auf Rettung. Hoffnung.
Hoffnung zu leben?
Strasse, du wirst erblühen, wenn der König kommt. Die ganze Stadt wird strahlen. Die ganze Grossstadt.
Warum schläfst du? Wach auf! es ist Morgen. Es ist Frühling. Zeit zum Aufwachen.
Ist es?
Zeit, um zu bellen, zu reden – zu klingeln.
Zeit zu leben.
Tür, warum schlägst du nicht mehr zu? kannst du sprechen mit halboffenem Mund? Wind, blase. Die Tür will etwas sagen. Blase, damit sie den Mund öffnen und schliessen kann. Wind…
Wind, lebst du noch?
leben
hast du jemals gelebt?
gelebt haben
Bewegst du dich selbst, oder nur andere?
gelebt werden
Zerbrochenes Glas. Zerstörung.
Zerstoerung!
Laternenpfahl, zünde deine Laterne an.
Licht.
Leben.
Ist Leben Licht? Ist Licht Leben? Sonnenstrahl, triff mich. Zeig mir, dass es dich noch gibt.
Waerme.
Licht.
Licht, das dem König den Weg weist. Dem König, der kommen wird.
Sonnenstrahl, der König kommt. Schon bald. Er wird traurig sein. Leuchte ihm den Weg. Gib ihm Hoffnung. Damit er uns Hoffnung geben kann. Wärme ihn, damit er uns wärmen kann. Leuchte ihm, damit er uns erleuchten kann.
Sonnenstrahl, wo bist du geblieben? Wind, ich vermisse deinen Hauch. Telefon, warum bist du verstummt? Und du, kleines, stinkendes Hündchen, willst du kein grosser Hund werden? Beweg dich, und du wirst leben.
Tot ist der Tod.
Es lebe das Leben.
Der König, er wird kommen. Schmückt euch. Bewegt euch. lebt!
Leben, um tot zu sein?
Der König wird enttäuscht sein. Und traurig. Laternenpfahl, leuchte dem König den Weg.
Dunkelheit.
Warum sprichst du nicht mehr? warum bewegst du dich nicht mehr? Der König, er wird doch kommen?
Kommen und gehen.
Um uns Hoffnung zu geben.
Hoffnung.
Er will uns leben sehen.
Tod. Bewegen. Leuchten.
Leuchte, Laternenpfahl. Telefon, hat er noch nicht angerufen? warum bleibst du still?
Die Ruhe vor dem Sturm.
„Komm näher“.
Du sprichst. Beug dich herunter, damit ich dich hören kann. Beweg dich. Lebe!
Tot sein im Leben.
„Rieche“.
Frühling, warum riechst du nicht? Leben, warum duftest du nicht?
Duften. Riechen. Stinken!
der Hund stinkt. Leben, bist du das? der Hund? dieser einzige Geruch?
Sterben.
Der König, wird er kommen? wird er duften? Es lebe der König!
Der Koenig ist tot.
Der König! Er geht durch die Stadt.
Doch die Stadt schlaeft, die Strassen sind veroedet, niemand, nicht einmal er, hebt die Augen, um sie zu betrachten.