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Graz

Graz hatte seinen Warholschen 15 Minuten Moment bei Wolf Haas: in einem seiner Brenner-Romane geht es um eine Doppeldeutigkeit, die auch mit „ab Graz“ zu tun hat. Doch nicht nur dadurch ist die Stadt berühmt geworden, sondern auch dadurch, dass sie von einer Kommunistin regiert wird. Vor noch nicht allzu langer Zeit hat die KPOE die Wahlen in Graz gewonnen und stellen nun das Bürgermeisteramt. Man munkelt, dass deren Politik bislang durchaus pragmatisch ist und so sieht man der Stadt diese Extremität auch nicht wirklich an. Eine hübsche Altstadt, ein berühmtes Multifunktionsgebäude über der Mur, dem Flüsschen, das Graz in zwei Hälften teilt und ein mindestens so berühmtes, von Zaha Hadid entworfenes Apartmentgebäude.

Und genau dahin zieht es mich. Respektive die Vorstellung, in diesem Gebäude gleich eine Dusche nehmen zu können. Denn vor zwei Tagen hatte ich ein solches Apartment gebucht und freute mich nun auf dessen tolles Design – und eine ansprechende Erfrischung. Dann der Frust. Um die Tür des receptionslosen Gebäudes zu öffnen, braucht es einen QR Code. Den habe ich nicht. Doch immerhin eine Email, in welcher genau beschrieben steht, wie man an diesen QR Code kommt. Personalien eingegeben, 2 Euro 50 Citytax bezahlt und schon wenige Minuten später erhalte ich eine Email mit QR Code – der nicht funktioniert. Auch die Citytax wird kurz darauf retourniert.

Der Anruf bei der Notrufhotline führt zu Securitas. Einem netten Mitarbeiter, der meinen Frust nicht ganz entspannt erträgt. Was wohl damit zu tun hat, dass ich alles andere als entspannt, sondern sehr genervt bin. Ich. Will. Dusche. Punkt. Bloss findet er keine Reservierung. Immerhin erklärt er sich bereit mit seiner „Supervisorin“ zu sprechen. Gefühlte 2 Stunden (realiter keine 10 Minuten) später folgt der Rückruf. Ich hätte keine Reservation getätigt – für heute. Sondern für in einer Woche. Shit. Ich entschuldige mich für meine doch eher nicht ganz angenehme Art und er meint, ich könne kurzfristig eine neue Buchung vornehmen und dann klappe das. Bloss war die Buchung ohne Stornierungsoption. Hotel stattdessen käme bedeutend günstiger. Und so konfrontiere ich den netten Herrn damit, dass zwar ich den Fehler gemacht hätte, ich aber eigentlich Kulanz erwartete, da ich ja nicht wirklich stornieren täte, sondern nur umbuchen.

Er versteht den Punkt. Kann endlich mitfühlen. Die Rücksprache dauert dieses Mal deutlich kürzer und man ist bereit, kulant zu sein. Also neue Buchung, nerviges Warten auf Emails, die dann doch nicht im Spamordner sind, sondern einfach ein paar Minuten brauchen und ein neuer QR Code erscheint auf meinem Display. Und er funktioniert. Jetzt nur noch durch das unsägliche Check-In auf einem supermodernen Touch-Display mit uralt scheinenden Windows Scrollbalken, die kaum zu bedienen sind und die Tür öffnet sich.

Von 8:40 bis 18:17 hatte die Zugreise gedauert gehabt. 3 Minuten Verspätung. Auch das ist möglich. Kein Wifi, dafür grandiose Aussichten aus den Panoramafenstern der Ersten Klasse. Aus einem Zug, der regelmässig mit wenigen KMHs vor sich her zuckelt, alle paar Kilometer anhält, Leute aufnimmt, die zufälligerweise den Panoramawagen mit der zweiten Klasse verwechseln. Und die eine Station später wieder aussteigen oder des Platzes verwiesen werden. Genügend Zeit ein ganzes Buch zu lesen von einer jungen Frau, die trotz krassester Angstneurosen alleine durch die Staaten reist und dabei nicht nur unglaubliche Abenteuer erlebt, sondern auch realisiert, dass ihre Ängste durchaus bekämpfbar sind. Genügend Zeit, um über das Leben nachzudenken und zu merken, dass zwar vieles seltsam, aber auch vieles verdammt spannend ist. Genügend Zeit, um aus dem Fenster zu schauen und die Schönheit der österreichischen Alpen zu geniessen, genügend Zeit, um über Bekannte nachzudenken, deren Leben gerade sehr herausfordernd ist.

Genügend Zeit auch, um zugleich anzukommen und loszufahren. Den Startschuss zu setzen in eine neue Zukunft, die hoffentlich nicht nur Ungewissheiten, sondern auch grosse Abenteuer bereithält an denen ein Reyman weiter wachsen kann, bis er dem Riesen Gandalf mehr und mehr ähnelt.

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