Dass reysen mit der Deutschen Bahn besonders anstrengend sein kann, war mir natürlich bewusst. Zu oft hatte ich Zugausfälle oder Verspätungen erlebt, zu selten klappte eine Reyse mit der Deutschen Bahn ohne Probleme. Aber all das war nur pipifax gegenüber dem, was mir letzthin passiert ist.
Es war ein internationaler Zug, ein Eurocity, mit dem ich schon durch mehrere Staaten Osteuropas gefahren war. Doch dann erreichten wir Deutschland und der Zug blieb einfach stehen. Als ob er sich weigern würde, sich auf deutschen Bahngeleisen zu bewegen. Hatte er Angst vor den Gewerkschaften, die die Züge alle paar Tage zum Stehen brachten? Vor der maroden Infrastruktur? Oder weigerte er sich einfach durch Ostdeutschland zu fahren, weil er sich den Protesten gegen die AFD anschliessen wollte?
Ich weiss es nicht. Die einzige Gewissheit war: er fährt nicht mehr. Nach ein paar Stunden mehr oder weniger gemütlichen Herumsitzens und einigen nichtssagenden Durchsagen reichte es mir. Zum Glück hatte ich mein Ebike dabei. Ich ging also in den Velowaggon, machte das Fahrrad bereit und stieg aus. Ich stiess das Velo neben mir her durch das unwegsame Gelände direkt neben den Geleisen bis ich die Lok erreichte. Ich machte dem Lokführer ein Zeichen, doch der reagierte nur ernüchtert: keine Chance. Die Lok weigert sich. Vielleicht war das Update mit Künstlicher Intelligenz zu erfolgreich gewesen.
Und so tat ich, was getan werden musste. Ich stellte das Velo wenige Meter vor der Lok hin und entnahm den Gepäcktaschen meine Gepäckfestzurrgurten. Das eine Ende knotete ich am Gepäckträger fest, mit dem anderen ging ich zur Lokomotive und befestigte es sicher. Dann begann der anstrengende Teil.
Ich setzte mich auf mein Velo und begann zu trampeln. Respektive versuchte es. Schon verdammt schwer ein solcher Zug. Und schlechte Traktion auf dem Schotter. Da kam dem Lokführer eine Idee. Schnell machte er eine Durchsage, dass bitte alle Passagiere den Zug verlassen und ihn anschieben helfen sollten. Gesagt getan. Mit gemeinsamer Hilfe gelang es uns tatsächlich, den Zug allmählich anzuziehen und die Passagiere konnten sich zurück auf ihre Plätze begeben. Wenige Stunden später erreichten wir den nächstgelegenen Bahnhof, worauf ein frenetischer Jubel erklang.
Ich aber war wirklich KO. Ich muss gestehen, darauf war ich nicht vorbereitet gewesen und meine Beinmuskeln schmerzten wie Hölle, aber ich fühlte auch ein Glücksgefühl, das meinen Körper und Geist erfasste. Noch selten hatte ich so vielen Menschen einen derart grossen Gefallen getan.
Danach ging alles reibungslos. Schon zwei Tage später erreichte ein Ersatzzug den kleinen Provinzbahnhof und wir durften dort einsteigen. Leider war er bereits gut gefüllt und es wurde ein reichlich Gedränge, aber das machte uns nichts mehr aus. Wir waren glücklich, endlich wieder in einem fahrenden Zug zu stehen, auch wenn er offensichtlich auch schon einige Verspätung hatte wie der Zustand der Toiletten und des komplett leergeräumten Bistros zeigten.
Selbstverständlich konnte der nun leider völlig überlastete Zug nur im Schritttempo weiterfahren, aber das war dennoch schon ein grosser Fortschritt. Und nach nur drei weiteren Tagen erreichten wir unser Ziel, Berlin.
Auch wenn ich ja Abenteuer grundsätzlich suche und geniesse, war es mir nun nicht mehr danach, die Rückreise nach Hause mit dem Zug anzutreten. Immerhin war mein Urlaub bereits seit zwei Wochen zu Ende. Und so machte ich mich auf den Weg zum Berliner Flughafen. Wie sich zeigen sollte war das ein grosser Fehler.