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Kinderarbeit

Sie wird eine perfekte Gastgeberin sein. Sie lächelt mich an, während sie den Nebentisch abräumt. Ihn wieder neu aufdeckt. Ich beobachte sie interessiert, neugierig, unsere Blicke treffen sich immer wieder und sie scheint durchaus Stolz auf ihre Tätigkeit zu sein. Sie ist geschickt, schnell, wieselt durch das Restaurant mit dem besten Kleftiko ever. Geschmortes Lamm mit Gemüse und Kartoffeln. Und Thymian. Viel Thymian. Ein harmonisches Gericht, perfekt abgeschmeckt, ein Gedicht. Das ich geniesse, während ich sie beobachte. Und sehe wie ihr ein alter Sack ein Nötchen zusteckt. Ich bin offenbar nicht der Einzige, der sie wahrnimmt. Und ihre Arbeit schätzt.

Anders als der Mitarbeiter des Restaurants, der die Tischdecke nochmals zurecht streicht. Ist alles perfekt. Aber Kontrolle ist besser. Denn der Qualitätsstandard in diesem Restaurant ist hoch. Ich bestelle die Rechnung. Wie üblich ist das ein kompliziertes Prozedere. Statt der Rechnung folgt erst eine Kugel Vanilleeis mit Honig – und ein Fläschchen Raki. Doch dieser Raki hat es in sich: er stammt direkt aus dem Gefrierfach, ist eiskalt und schmeckt ebenfalls phantastisch. Zum Glück ist mein Hotel gleich um die Ecke, muss ich nicht mehr fahren. Denn diese Fläschchen sind gross. Der Raki zwar oftmals verdünnt, aber dennoch nichts für schwache Lebern.

Und mit dem Alkohol kommen die blöden Ideen. Ich will eine Foto von ihr machen. Blogpost. Ich halte das Handy völlig unauffällig und warte bis sie wieder am Tisch vor mir erscheint. Und drücke auf den Auslösebutton. Komplett im Verborgenen. Als ich die Foto dann anschaue wird mir der alkoholisierte Zustand bewusst: ihr Blick trifft genau das Objektiv, viel dümmer hätte ich mich wohl kaum anstellen können. Wobei: ich versuche danach ihre Augen zu verfremden, um Anonymität sicher zu stellen. Irgendwann wird mir die Lächerlichkeit dieses Ansinnens bewusst und ich lasse es sein. Nehme die Foto vom von ihr gedeckten Nebentisch.

Eine Frage allerdings bleibt. Ist das Kinderarbeit? Macht sie schon mit vielleicht 12, 13 Jahren eine Art Lehre? Ist es ein kindliches Spiel, Ausbeutung, kann sie sich so ein Taschengeld hinzuverdienen? Ich gehe leicht beschwipst die wenigen Schritte zum Hotel und es ist nicht nur der Alkohol, der mich etwas verwirrt zurücklässt.

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