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Vertraue deiner Mutter – oder auch nicht

Ich besuche meine Mutter, die auf Kreta lebt. Der Weg zu ihrem Haus ist grösstenteils unbefestigt, schmal und sehr steil. Doch um zu diesem Weg zu gelangen, muss man erst mehrere Kilometer auf einer gut ausgebauten, asphaltierten Hauptstrasse um einen Berg herum fahren. Auf meiner Navi-App wird allerdings ein Weg angezeigt, der diesen Umweg um den Berg herum auslässt. Ein genialer Shortcut, wohl ebenfalls unbefestigt und steil, aber rund 7.5 Kilometer kürzer. Und gemäss App müsste die Strasse sogar eine Klasse höher sein als der Weg, den ich normalerweise nehme.

Kurz: es hatte mich schon lange gereizt, diesen Shortcut auszuprobieren, den meine Mutter nicht zu kennen scheint. Und ich habe ja eine KTM 390 Adventure gemietet. Adventure. Ein Bike, das also ideal für mein – Adventure – geeignet zu sein scheint. Ich biege von der Hauptstrasse ab, durchaus ein wenig nervös und fahre in eine kleine Schlucht hinein. Schon nach wenigen hundert Metern geht die Abbiegung ab und der Weg führt in wilden Spitzkehren den Berg hoch. Eine Schotterpiste in ganz gutem Zustand.

Ich fahre vorsichtig hoch, komme an einigen Bienenhäusern vorbei, der Weg bleibt in eigentlich ganz gutem Zustand, wird aber steiler. Kurz vor einer Kurve gehe ich vom Gas – und der Motor stirbt ab. Ich werde langsamer, stoppe, versuche das Motorrad zu halten, was mir aber nicht gelingt. Langsam setze ich es auf dem Boden ab. Scheisse. Nicht wirklich was passiert. Bis auf die Psyche. Mental löscht es mir gleich ab. Was mach ich jetzt?

Zum Glück hatte ich bewusst ein leichtes Motorrad gewählt und ich kann es problemlos wieder aufrichten. 170 Kilo. Der linke Spiegel dreht nun leer und in der Nähe des Auspuffs entdecke ich einige Kratzer. Nichts Wildes. Und doch unangenehm. Obwohl ich nicht mehr weit vom Ziel entfernt bin, entschliesse ich mich umzudrehen. Was gar nicht mal so einfach ist. Ich will den Motor starten. Er versucht zu zünden – aber zündet nicht. Scheisse.

Ich rolle abwärts, halte wieder an und probiere es nochmals. Die Welt gerät wieder in Ordnung. Er zündet. Als es wieder einigermassen flach ist hole ich das Bordwerkzeug hervor und stabilisiere den Spiegel. Fahre dann mit leicht weichen Knien die 7.5 Kilometer zum „offiziellen“ Weg. Fahre von der Strasse ab, die ersten paar hundert Meter gehen gut. Dann kommt die erste steile Steigung und ich verdrehe mir beinahe das Knie. Der Motor stoppt und ich kann die Maschine nur knapp halten. Dasselbe Spiel einige hundert Meter weiter. Ich bin mit den Nerven fertig. Doch erreiche das Ziel.

Später verstehe ich, was mir schon lange aufgefallen war. Die KTM 390 Adventure ist abgeleitet von einem Sportbike, der Duke. Bei wenig Umdrehungen ist der Motor sehr schwach, erst wenn er auf Touren kommt, beginnt der Spass. Dies ist ideal für ein Motorrad, das auf Asphaltstrassen bewegt werden will. Die „Adventure“ hat den gleichen Motor mit der gleichen Abstimmung, aber ein Gewand, das sie für Offroad geeignet erscheinen lässt. Bloss dass es mit ihr nicht möglich ist, unter 15 Km/h sinnvoll zu fahren. Ohne Auskuppeln stirbt der Motor ab, was sie fürs Gelände wenig befähigt.

Fazit 1: Bevor man ein Motorrad an seine Grenzen bringt, sollte man es kennenlernen. Bloss bedeutet das Kennenlernen halt, dass man die Grenzen ausprobieren muss.

Fazit 2: Der Schaden ist wohl gering, aber die Versicherung hat einen Selbstbehalt von 900 Franken. Die Rechnung habe ich noch nicht erhalten, es war wohl ein teurer Ausflug. Hätte ich doch auf meine Mutter gehört, die diesen Weg nicht zu kennen scheint.

Fazit 3: Ich bin später einen Teil des Weges von der anderen Seite her gefahren und habe ihn auf Google Earth genauer angeschaut. Ich verstehe weiter nicht, warum dies nicht die normale Zufahrt zum Haus meiner Mutter ist. 3.5 Kilometer Gravel stehen 9 Kilometer Asphalt und über einen Kilometer Gravel entgegen, von denen einige Stellen steiler sind als jene, wo ich das Motorrad verloren habe. Das Geheimnis muss also dazwischen liegen – ein guter Kilometer, den ich wohl das nächste Mal genauer inspizieren werde müssen.

Fazit 4: Im Moment des Scheiterns soll man ruhiges Blut bewahren. Das umgekippte Motorrad wäre nicht abgerutscht, also Zeit genug, um eine Foto zu machen. Schliesslich muss man Prioritäten setzen.

Fazit 5: Vertraue deiner Mutter – oder auch nicht.

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