Es gibt wohl wenige Velofahrer, die so viele Platten haben wie ich. Vermutlich hat das vor allem damit zu tun, dass ich mich grundsätzlich weigere, die Schläuche genug aufzupumpen. Könnten ja platzen.
Ich bin irgendwo nördlich von Rom. Das Velo eiert schon ein wenig rum, da entschliesse ich mich, den Rucksack, den ich auf dem Gepäckträger über dem Vorderrad transportiere in eine Gepäckträgertasche zu platzieren. Die 10 Kilo mehr auf dem Hinterrad spüre ich sofort. Es eiert noch mehr. Ich denke nur noch daran, dass ich den Hinterreifen aufpumpen sollte, aber es sind ja nur noch wenige Kilometer bis zum Ziel. Wird schon gutgehen. Und die Pumpe ist schliesslich im Rucksack verstaut, den müsste ich erst öffnen. Gut, es wäre sogar eine elektrische Pumpe. Aber eben, verstaut.
Allmählich wird die Fahrt ungemütlich und ich mache mich mit der Vorstellung bekannt, dass es ein Problem gibt. Das immer deutlicher wird. Irgendwann ist die Luft draussen. Aber es geht bergab und ich sollte in 15 Minuten beim gebuchten B&B sein. Ca. 1 Kilometer entfernt. Das schaffe ich, wenn ich einfach den platten Reifen ignoriere und dennoch den Berg runterfahre. Es gibt komische Geräusche und irgendwann gebe ich auf und schiebe.
Eine halbe Stunde später inspiziere ich den Schlauch. Und bin etwas geschockt: das Ventil hat sich komplett vom Schlauch gelöst, so etwas habe ich noch nie gesehen. Hat wohl mit der Fahrt bergab zu tun mit gefühlt 50 Kilo auf dem Gepäckträger.
Aber zugleich bin ich stolz. Ich habe wohl über 40 Jahre damit gekämpft, Reifen von Felgen zu lösen. Manchmal hat es leicht geklappt, oft nicht. Ich habe Löffel verbogen, metallene Reifenheber, jene aus Plastik sind regelmässig abgebrochen, ich habe neuen Schläuchen Löcher zugefügt beim Versuch den Reifen auf die Felge zu hieven. Manchmal bin ich beinahe verzweifelt, weil es einfach nicht ging. So etwa in Tschechien, wo ich alle paar Kilometer einen Platten hatte, weil der Reifen durch war. Und irgendwo im Nirgendwo geht der Reifen nicht ab. Ich bin so verzweifelt, dass ich ein Hotel suche – und finde, ganz in der Nähe. Ich schiebe das Rad dahin und mir wird erörtert, dass das Hotel voll sei. Ich bin verwirrt. Denn es ist offensichtlich leer. Der Hinweis darauf, dass ich aber online eine Buchung hätte, lässt mich gewinnen. Ich kann bleiben und sogar etwas essen. Es ist ein Abend und eine Nacht in einer der schrägsten, seltsamsten Unterkunft, die ich je erlebte.
Am nächsten Morgen lässt sich das Rad dann ganz einfach flicken. Ich bin verwirrt. Das war vor 4 Jahren. Trotz Internetrecherche und Youtubevideos blieb es für mich ein Rätsel, warum andere Reifen so leicht wechseln können. Ein Velomech gab mir dann den entscheidenden Tipp: den Reifen vor allem auf der Gegenseite zusammendrücken. Da dort die Felge am tiefsten ist und quasi Reifen auf der anderen Seite „frei“ wird. Und in der Tat. Ich drücke, heble, ersetze den Schlauch und nach 10 Minuten ist der Drops gelutscht. Ich bin fast schon enttäuscht, dass die Lösung für ein Problem, das mich über 40 Jahre begleitet hat so furchtbar einfach war.