Heute gehts nach Berlin. Da musste ich hin, nur schon wegen des Namens, aber auch, weil es im Herzen von Amish-Land liegt. Ich suche ein Hotel und bin mehrfach erstaunt: zum einen gibt es sehr viele Hotels und Unterkünfte, zum anderen ist fast alles ausgebucht. Als ich genauer hinschaue merke ich, dass das vor allem für den Freitag gilt. Also buche ich ein Zimmer, das noch übrig ist und eine Mindestbelegdauer von 2 Tagen erfordert. Ist mir recht, mein erster Ruhetag.
Die Appalachen habe ich inzwischen hinter mir gelassen, ich bin nun in Ohio und fahre durch gepflegte Ortschaften mit vielen Seen und Parks. Hier lässt sich leben. Nach der Durchfahrt mehrere Orte geht es auf einem schönen, schattigen Trail Richtung Westen, bis ich nach Süden abbiegen muss und eine neue Landschaft vor mir liegt. Bald fahre ich an der ersten Kutsche vorbei, begegnen mir Menschen in altmodischer Kleidung auf E Bikes. Ich bin mittendrin in der Welt der Amish. Hier sollen die „radikalsten“ von ihnen leben, ich sehe aber viele, die sich zumindest äusserlich bis auf die Kleidung stark an die Moderne angepasst haben.
Dies zeigt sich besonders deutlich als ich bei einem Laden anhalte. Ich habe Durst, es gibt Glace und überhaupt. Richtige Entscheidung. Der Laden wird von Amish geführt und vor allem von Amish benutzt. An der Auswahl merkt man das allerdings kaum. Es gibt Chips, Toastbrot, Süssgetränke und ganz viele Naschereien. Vor mir an der Kasse macht eine Familie den Monatseinkauf (vermutlich reicht es für zwei Tage…) und ich geniesse es, die Szenerie ein wenig zu beobachten. Andere Kasse, anderer Laden, andere Einkäufer – die identischen Einkäufe hätten keinerlei Überraschung ausgelöst.
Draussen hat inzwischen eine Pferdekutsche geparkt, zwei Amish kommen per E Bike einkaufen und die Familie vor mir an der Kasse packt ihre Einkäufe in einen ganz normalen Van.
Im Hotel angekommen hake ich nach, ob heute ein spezieller Anlass sei, weil alle Hotels voll zu sein scheinen. Und in der Tat ist eine historische Traktorshow in der Nähe. Keinerlei Werbung dazu, im Internet finde ich nicht wirklich etwas. Zum Glück hat die Receptionistin die Lokalzeitung gelesen, denn wie sich zeigen wird ist das ein wirklich spektakulärer Anlass.
Zu dem ich mich nach einer kurzen Pause aufmache. Ich weiss lediglich, dass der Anlass zwischen Berlin und dem Nachbardorf stattfindet. Und da ich eine Abkürzung nehme, weiss ich plötzlich nicht mehr, ob ich jetzt links oder rechts fahren muss. Die Lösung liegt zum Glück in der Luft – weit in der Ferne steigt schwarzer Rauch auf. Und wenige Minuten später tauche ich in eine völlig fremde Welt ein. Über die es einen eigenen Post gibt.
Ich fotografiere viel, die Sonne scheint schon den ganzen Tag, irgendwann bin ich richtig erschöpft und mache mich auf den Heimweg. Wie ich ebenfalls erfahren habe gibt es um 7 ein Konzert auf dem Main Square. Ich halte noch kurz. Ein christlicher Sänger singt wohlklingende Lieder zur Gitarre mit sehr moralischen Texten. Schön anzuhören und doch nicht so meins. So will ich zurückfahren und sehe gleich neben dem Platz ein Schild: ukrainisches Restaurant. Das lasse ich mir natürlich nicht entgehen und kehre noch auf einen Salat und einen Borscht (ich hoffe, das ist die korrekte Schreibweise) ein. Das Lokal wird von einer sympathischen ukrainischen Familie geführt und ist noch ganz neu.
Ich unterhalte mich noch etwas mit der „Chefin“ und sie gibt mir den nächsten wertvollen Tipp: in einem Nachbardorf stehe die grösste Kuckucksuhr der Welt, das Gebiet hier werde auch Schweiz Ohios (oder sowas) genannt. Nach einem extrem langen Tag setze ich mich noch etwas auf die Veranda, das Hotel ist sehr cool, bis auf den Lärm: wie in vielen amerikanischen Hotels hat es eine Eismaschine, die einen unfassbaren Lärm erzeugt, der auch im weit davon entfernt liegenden Zimmer deutlich zu hören ist. Aber vielleicht sollte ich auch einfach etwas entspannter werden diesbezüglich…