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Tag 26 Zweiter Ruhetag

Um zehn habe ich einen Termin bei einem Barber. In der Innenstadt. Ziemlich fancy. Schöne Einrichtung. Die Prozedur dauert eine halbe Stunde und ich bin fast alle Haare an und auf meinem Kopf los. Die Augenbrauen werden zum Glück lediglich gestutzt.

Funk’s Barber Shop. Gut. Teuer. Irgendwelche Cremes und Tücher werden speziell vorgewärmt. Angenehm. Trotzdem gefiel mir die Kopfmassage nach dem Haarschnitt in Nairobi besser.

Die Kommunikation ist nicht ganz einfach, vielleicht spreche ich undeutlich, vielleicht verstehe ich den Barber schlecht, auf jeden Fall kriege ich das ganze Programm und verlasse den Barbershop über 100 Dollar ärmer. Natürlich mit Tip obendrauf. Preise hier sind unübersichtlich. Vieles ist mindestens so teuer wie in der Schweiz oder sogar teurer, dann aber auch wieder nicht.

Mit neuer – oder vielleicht besser: ohne Frisur wandle ich einmal mehr durch die Stadt. Mein Plan ist es, zwei Outdoorgeschäfte aufzusuchen und ev. noch ein paar Dinge zu erstehen, die mir auf dem nächsten Stück Reyse nützen könnten. Platz habe ich eigentlich keinen, dennoch reizt es mich, zu sehen, ob ich nicht doch noch etwas finde. Zumindest einen neuen Sattel.

Ich nehme die Ubahn und checke zwischendurch meine Emails. Etwas überrascht sehe ich, dass mein Velo bereits bereit ist. Cool. Ich steige an der nächsten Station aus, gehe raus, kehre um, bevor ich die Station verlassen habe. Ich will zurückfahren, denn eine direkte Verbindung von hier gibt es nicht. Wieder auf dem Perron warte ich auf eine Ubahn zurück und merke: das wird knapp. Mandalyn ist bis 12 im Geschäft – oder abends wieder. Bis abends warten will ich nicht, also nehme ich doch ein Uber.

Ich verlasse die Ubahnstation, bestelle ein Uber für lächerliche 16 Dollar. Es sind schon 15-20 Minuten Fahrt. Entspricht in etwa dem Kürzen der Augenbrauen. Doch bevor ich den Auftrag auslösen kann verlangt die App eine Identifikation mit dem Pass. Unfassbar. Die glauben mal wieder nicht, dass ich ich bin. Ich glaube nicht daran, dass das klappt, habe den Pass aber immerhin dabei. Und auch wenn die Anweisungen nicht ganz korrekt sind, ist das Prozedere 2 Minuten später abgeschlossen.

Das neue Display. Sieht identisch aus, hat es aber in sich. 28 Kilometer mit 5 Akkustrichen habe ich noch selten geschafft, normalerweise ist bei 16-22 Kilometer Schluss. Ich bin begeistert. Bis ich merke, dass ich ohne Gepäck und mit Ruhetag schlicht mit der kleinstmöglichen Unterstützung gefahren bin, ohne es zu merken…

Und so erreiche ich den Veloladen rechtzeitig. Das Velo steht bereit, Mandalyn und Frank ebenso. Neue Pneus, neue Kette und vor allem: ein neues Display. Ich wage es mich kaum, den On-Off Knopf anzurühren – er funktioniert! Ich bedanke mich hoffentlich herzlich genug. Nun kann der zweite Teil meiner Reyse beginnen. Ich gebe den grösstmöglichen Tip – diesmal wirklich von Herzen. Wir unterhalten uns noch kurz und schon geht es weiter in Richtung Outdoorshop.

Auf dem Weg dahin fahre ich an einem sehr authentisch aussehenden Griechen vorbei. Der Chef spricht tatsächlich gebrochen Englisch, der Pastitsio ist aber leider aus. So gibts halt Moussaka, etwas fad, aber definitiv original. Die Präsentation allerdings ist – typisch amerikanisch…

Moussaka (ja, das kann man essen und schmeckt sogar ganz gut; leider ohne Zimt)

Im Outdoorshop kaufe ich erst einmal eine neue Bärenglocke. Schliesslich könnte ich in ein paar Wochen durch Bärenland kommen. Mit der Glocke kann man Bären auf sich aufmerksam machen, was einerseits tolle Bilder ermöglicht, andererseits zum Erhalt der Bären beiträgt. Von etwas müssen die ja auch leben. Vorerst verwende ich die Glocke aber zu einem anderen Zweck: Fussgänger und lahme Velofahrer auf mich aufmerksam machen, bevor ich sie überhole. Und die neue Glocke hat einen simplen Schalter, um sie ein- oder auszuschalten. Bimmelt also nicht permanent. Praktisch. Nervenschonend.

Schwieriger wird es mit dem Sattel. Natürlich haben sie kein Massband, um meine Sitzhöcker auszumessen. Da habe ich die Idee, dass mein Brooks-Sattel nach 3000 Kilometern schöne Abdrücke aufweist. Und die ergeben einen Sitzhöckerabstand von weniger als 12 Zentimeter, also Grösse S-M. Ich empfinde den Sattel zwar als relativ schmal, aber werde mich sicher daran gewöhnen. Zur Sicherheit schleppe ich den alten Sattel noch einige Tage mit und werde mich dann für den bequemeren entscheiden.

Ja, Herr Buchstabendreher, was soll ich denn zu diesem Bild schreiben? Es gefällt mir einfach. Strassenszene in Chicago. Oder so.

Zurück in der Innenstadt gehe ich in einen 7/11. Eine Art grosser Avec-Shop oder so. Relativ teuer, aber halt auch sehr weit verbreitet. Und da fällt mir erst auf wie anders Chicago ist als Detroit. In Detroit sind die Kassierer hinter einer (wohl nicht schusssicheren) Scheibe. Die Preise werden entweder eingetippt oder die Waren über eine Art Schwingtüre zwischen den beiden Bereichen hin und her gereicht. Schon ein wenig creepy. In Detroit hats auch mehr oder weniger eine einzige (kurze) Strasse mit Touristen-Restaurants, Chicago ist eine einzige Stadt für Touristen. Vielleicht komme ich darauf mal noch zurück.

Am Abend fahre ich noch ein wenig Richtung Westen (OK, der Salami gestern war so unfassbar gut, dass ich nochmals in eine Filiale dieses Ladens fahren muss). Coole Strasse, kleine Geschäfte, nette Restaurants, auch das findet sich in Detroit kaum. Respektive an genau einer Strasse. Klar, Chicago ist unfassbar viel grösser (zumindest die Innenstadt), aber der Kontrast ist auf jeden Fall eindrücklich.

Blick aus meinem Fenster. Gut. Von ausserhalb. Aber aus dem Fenster sieht es ganz ähnlich aus.

Schliesslich lande ich wieder in meinem Apartment, das recht gemütlich ist, aber bei weitem nicht so gemütlich wie jenes in Detroit und zwar ohne resort fee, aber mit ganz vielen Zusatzgebühren. Es hat einfach zwei Nachteile: der Expressway liegt gleich daneben und vor allem die Feuerwehr. Und die rückt mehrfach täglich (und manchmal auch nachts…) aus mit unfassbar lautem Getöse und Gehorne. Dafür ist die Lage des Apartments fast schon perfekt: direkt an der Ubahn Linie zwischen Innenstadt und Veloladen. Was will man mehr!

Morgen werde ich das Apartment leider bereits wieder verlassen in Richtung Yellowstone Park. Geplant sind ca. 3 Wochen Fahrt ohne grössere Unterbrechung. Ich bin gespannt, ob und wie das klappen wird! Es wird auf jeden Fall ziemlich anders als die letzten Wochen – vielleicht nicht von Beginn weg, aber bald bin ich in den „Flyover states“.

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3 Gedanken zu „Tag 26 Zweiter Ruhetag“

  1. Lieber Herr Rey

    Wie ich sehe, sind Sie meinem Vorschlag gefolgt und vergeben nun (fast) konsequent) Bildunterschriften — teilweise ist sogar eine gewisse Polemik, welche in meine Richtung zielt, zu vernehem. Sehr gut! Was sollte einer bei einem gewissen Bild schreiben? Vielleicht, weshalb es ihm gefällt oder dergleichen. Mir doch egal 🙂

    Chicago scheint wirklich sehr ansprechend zu sein. Ein Freund von mir lebt und arbeitet dort. Immerhin hat er sich ein Haus gekauft, muss also nicht so schlecht sein. Ich freue mich über Ihr servicegepflegtes Fahrrad und wollte Sie noch zwei Dinge fragen: Erstens: haben Sie unterwegs mobile Daten und wenn ja was für einen Handyvertrag haben Sie? Und haben Sie zweitens gut gepackt?

    Liebe Grüsse
    S

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