Ich hatte gestern die Dreckwege vermieden und trotzdem sah mein Velo heute so aus. Naja. Fährt noch.
Beim Frühstück höre ich bei einem Gespräch mit. Anscheinend war Madison vor einem Monat ausgebucht. Die Uni beginnt und alle Eltern bringen ihre Kinder, sorry, erwachsenen äh, Kinder an die Uni und benötigen danach ein Hotelzimmer. Als ich vor 3, 4 Tagen schaute waren fast alle Hotels günstig und gut buchbar. Witzig. Der Typ meinte dann, dass er nur deshalb in diesem Hotel sei und meinte das ziemlich abschätzig. OK, sie sollten keine Mottenkugeln verwenden, aber ansonsten finde ich das Hotel ganz anständig. Bin mir deutlich Schlimmeres gewohnt…
Der Typ (wie kann man am Morgen so mitteilsam sein?) erwähnt dann noch eine weitere Geschichte. Ein Haus werde verschoben. Um viele hundert Meter. Da höre ich genauer hin. Und suche dann im Netz und finde es. Gut. Wird nicht verschoben, wurde verschoben. Aber doch recht cool (Drohnenvideo auf Instagram, natürlich nicht von mir).
Es liegt direkt auf meinem Weg und so mache ich mich auf die Suche danach. Auf dem Weg nach Madison irritieren mich diese Tramhaltestellen. Es gibt weder Schienen noch scheinen Schienen geplant zu sein. Mit der Zeit merke ich: das sind Bushaltestellen. Warum auch nicht. Tram wäre zu aufwändig und die Lösung ist viel besser als Bushaltestellen links und rechts der Strasse. Gut. Alle müssen dann die Strasse zur Hälfte überqueren, aber was solls.
Madison überrascht mich mit einem grossen capitolähnlichen Gebäude. Auch sonst ist die Stadt offensichtlich wohlhabend. Ich fahre zur Strasse mit dem seltsamen Haus und in der Tat, da steht es.
Man erkennt es unter anderem daran, dass es nicht ganz einfach ist, ins Gebäude zu gelangen. Vor allem aber erkennt man es daran, dass Superman noch davor steht. Wie hätte es auch ohne ihm verschoben werden sollen! Was auch auffällt: es ist das einzige Steingebäude in der Strasse, rundherum sind Holzhäuser. Die wären entweder aufwändiger oder weniger aufwändig zum Verschieben.
Bald schon verlasse ich die Stadt und will mich auch auf Komoot verlassen. Doch kann ich der App trauen?
Ich komme an diese Abzweigung. Links Veloweg. Rechts Komootvorschlag. Und der Veloweg geht noch weit und in die richtige Richtung. Ich schaue etwas genauer hin und merke, dass der Veloweg der Autobahn entlang führt und leider nach ein paar Kilometern abrupt aufhört. Einzige Möglichkeit, um weiterzukommen: auf den Weg zu wechseln, den Komoot vorschlägt. Dann halt doch. Und es ist ein schöner Weg. Richtiggehend maniküriert. Rasenschnitt bis an den Waldrand. Wie überall.
In einem der nächsten Dörfer fahre ich an einem recht grossen und modernen Restaurant vorbei, was mich erstaunt. Meist gibt es dafür nicht genügend Kunden. Wenige hundert Meter später folgt dann dieses Gebäude.
Dorfhaus. Tatsächlich. Deutsch. Leider geschlossen. Witzig.
Aber eigentlich ist mein Ziel ein ganz anderes Haus. Ich muss dazu einen 20 Kilometer Umweg machen, was kein Problem wäre, wenn nicht der Wetterbericht einen Strum vorhersagen würde. Wenn ich mich beeile, sollte es reichen. Also fahre ich zum nächsten, am Wisconsin Fluss gelegenen Ort, wo es wieder viele schöne Restaurants und Bars hat. Wohlhabende Gegend. Und weil es so schön ist, setze ich mich erst einmal auf eine Sitzbank und geniesse die Aussicht.
Ich radle weiter und komme irgendwann in eine eher abgelegene Gegend. Schöne Maisfelder, Prärie und plötzlich die Idee, die Drohne wieder mal auszuprobieren. Der Versuch ist hier zu sehen, es gibt noch Luft nach oben. Danach geht es steil bergauf und plötzlich auf eine Dreckstrasse, obwohl ich eigentlich kontrolliert hatte, ob es diesmal alles gute Strassen sind. War ich wohl nachlässig. Zum Glück ist das ärgste Stück nur kurz und ich rase weiter in Richtung Sturm. In Baraboo (welch schöner Name!) muss ich mich entscheiden, ob ich den Ausflug zu meinem eigentlichen Reiseziel noch mache und ich entscheide mich für ja. Also los. Heizen.
Ich gebe alles, bin aber immer noch zu langsam, um mit der Polizei in Kontakt zu kommen. Kurz bevor ich an meinem Ziel ankomme bin ich etwas überrascht. Das ist ein einziges Vergnügungsviertel hier. In Pyongyang habe ich auch so etwas gesehen. Einfach 5 Prozent der Fläche. Und das einzige im ganzen Land.
Ich fahre weiter und komme plötzlich an der Arche vorbei. Nein. Nicht Arche. Trojanisches Pferd. Grösser als die Arche. Oder zumindest beinahe. Lustig mit was sich die Amerikaner in der Freizeit beschäftigen.
Und danach gehts ins Hotel Rome.
So, nur noch den Hügel rauf und ich erreiche mein Ziel:
Das weisse Haus auf dem Kopf. Hatte ich drüber gelesen. Ich glaube sogar in der NZZ. Und als „must“ eingezeichnet. Die Rezensionen im Internet sind leider schrecklich. Und ähm, naja. Das weisse Haus steht Kopf! Amerika kurz vor dem Untergang! Transformer haben das Weisse Haus auf den Kopf gestellt. Und es dann zusammen mit Superman von Washington nach Wisconsin Dells gezügelt. Naja. Sieht das Weisse Haus nicht auf dem Kopf wirklich so aus? Und es stellt sich mir ein Dilemma.
Der Eintritt kostet 5 Dollar. Naja. Was kann man dafür schon erwarten? Eben. Vor allem aber zeigt die Wetterapp Sturm ab 16 Uhr. Wenn ich das Regenradar anschaue eher 15 Uhr. Es ist 14 Uhr. Ich habe noch ziemlich genau eine Stunde bis zum Übernachtungsort. Also entweder Weisses Haus von innen, mit an die Decke geschraubten Stühlen und Tischen oder Abgang.
Ich entscheide mich für den Abgang. War gestern schon Regen genug und so ein Sturm kann sehr unangenehm sein. Vor allem da jetzt wieder alles einigermassen trocken ist. Ich fahre mit hoher Unterstützung in Richtung Reedsburg. Durchaus hübsche Landschaft, aber der Hintergrund gefällt mir nicht.
Noch 4 Kilometer. Noch 3. Langsam spielt es keine Rolle mehr. Wobei. So ein Platzregen und nirgendwo unterzustehen… Ich erreiche das Ziel und sehe, dass 200 Meter weiter ein Tankstellenladen ist. Ich will noch was zu trinken einkaufen gehen. Der Blick nach oben sagt, dass es reichen sollte. Und es reicht. Ich stelle das Velo ab, gehe zur Reception und muss noch warten. Bevor ich drankomme blicke ich zurück – und der Himmel ist geplatzt.
Anmerkung: ich habe auf die Bildkommentare verzichtet, da der Text ja eigentlich ein einziger Bildkommentar ist…
Anmerkung 2: Ja, mein Radarrücklicht habe ich zwischendurch gewaschen. Ist ja meine Lebensversicherung. Fun fact: ich putze mein Velo in Europa gerne an Autowaschanlagen. Heute habe ich mehrere solcher Anlagen abgeklappert – alle automatisch. Und nicht so praktische Hochdruckreiniger für ein paar Rappen…