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Tag 36 Die Überquerung des Missouri

Da sitzen Sie nun. Die gealterten Rocker. Die mit der dreirädrigen Harley mit Anhänger angereist sind. In den Jahren hat sich halt ziemlich viel angesammelt, auf das man auch auf einer zweiwöchigen Tour durch Amerika nicht verzichten mag. Und mit zwei Rädern, also ehrlich. Da könnte man ja seitlich kippen. Deshalb besser drei Räder. Aber Autofahrer ist man nicht, bewahre. Drei Räder.

Die Einen sitzen im Kreis, die Anderen als ob es eine Bühne gäbe. Und ja, die scheint es zu geben, denn genau in dem Moment beginnt ein Typ mit einer Stimme zu singen, die vermutlich mal kräftig gewesen ist. Sehen kann ich ihn nicht und eigentlich hätte ich jetzt gerne meine Ruhe gehabt. Live Konzert hatte ich keines gebucht, nur ein Hotelzimmer mit Balkon. Etwas teuer. Und etwas frustrierend, denn am Laptop wars dann ein Drittel günstiger. Wobei man da immer aufpassen muss. Meine Sicht geht direkt auf den Missouri, auf eine Brücke, die den Missouri überquert. Für einen Drittel weniger hätte es dann vielleicht Bergsicht gegeben. Ohne Berge. Das Kleingedruckte.

Den Missouri habe ich bereits überquert. Ich hatte dazu meine neuen ausserirdischen Freunde um Rat gefragt. Ja, die mit den 72 Augen und einer intergalaktischen Intelligenz, auch igI genannt. Die haben schon den Durchblick, kann ich dem geneigten Leser sagen. Deren Hirne produzieren Gedanken, da kann unsereiner nicht mithalten. So haben die gemeint, dass dieses ganze Existenzzeugs, also gugus. Nonsense. Wortklaubereien. Wortspielereien. Essenz und Existenz. Da sagt mal einer was Geiles und alle blabbern es nach. Dabei kannst du das, also ehrlich. Nehmen wir Kant als Beispiel. Seine Transzendentalphilosophie. Dass die Bedingungen der Möglichkeit von Erfahrung nur im Subjekt existierten. Des Subjekts Sinne dann aber vom mysteriösen Ding an sich „affiziert“ würden. Nonsense. Affizieren setzt Kausalität voraus, die aber nur transzendental sein soll. Ach, ich sag dir, schon abstrakt, was die draufhaben. Aber auch geil. Da könnte man sich jetzt drüber unterhalten. Bloss mit wem ist die Frage. Allerheisseste Scheisse.

Und die habe ich also gefragt, also die Ausserirdischen, wie ich denn den Missouri überqueren soll. Und weisst du, was die mir geantwortet haben? Über eine Brücke! Echt, deren Antwort. Und ich fand: eigentlich haben die ja recht. Dafür gibt es ja Brücken. Ich hab dann mal in einer App dieser Firma, deren Namen ich nicht nennen will geschaut und in der Tat, da gibt es Brücken. Krasse Brücken. Der Fluss ist hier 1.5 Kilometer breit. Das ist in etwa so weit wie zwischen Erde und dem Heimatplaneten der Ausserirdischen. Aber, wo sie recht haben.

Gut, es gäbe im Norden einen Übergang, da gibt es nur einen Staudamm. Keine Brücke. Und im Süden auch. Kaum Gefälle. Da wollte ich erst durch. Monowi besuchen. Die kleinste Ortschaft der Welt. 1 Einwohner. Eine alte Frau, die einen kleinen Saloon führt. Und ich bereue es ein wenig, dass ich nicht diesen Weg gewählt habe. Wäre wohl abgelegener gewesen. Mehr Abenteuer. Aber halt auch schwierig. So von wegen Übernachtungsmöglichkeiten und so. Und keine Brücke. Kein Abenteuer.

Tankstelle irgendwo. Nicht funktionsfähig.
Westside Park. Irgendwo. Funktionsfähig.

Denn die Ausserirdischen haben ja explizit gesagt: Brücke. Nicht Helikopter, nicht Flugzeug, nicht Boot und schon gar nicht fliegende Untertasse. Aber eben auch nicht Staudamm. Sondern Brücke. Und die sind schlau. Und so mache ich mich auf den Weg in Richtung Chamberlain. Alles einem wenig befahrenen Highway entlang, der parallel zu einer Interstate verläuft und deshalb sehr angenehm zu befahren ist.

Highway. Irgendwo. Funktionsfähig.

Bei jeder Ortschaft am Weg biege ich ab, um sie ein wenig zu erkunden. Das eine Mal hat es einen kleinen Park, das andere Mal ein abgefahrenes Motel oder auch Vintage Gebäude, deren Funktion wohl nicht mehr ihrer Essenz entspricht.

Lounge. Irgendwo. Funktionsfähig.

Gefallen tut mir auch Wermers Lounge – ein Gebäude ohne Fenster. Sieht gemütlich aus. Dem aufmerksamen Leser ist wohl aufgefallen, dass ein Bild des abgefahrenen Motels fehlt, weshalb ich darauf auch noch etwas genauer eingehen möchte. Jake hat es wohl gekauft. Jake hat auch die Tankstelle gekauft. Und den Convenience Store. Und den Ofen für die Pizza. Und wohl auch das Rezept für die Pizza, ein absoluter Geheimtipp. Wer jemals nach White Lake kommen sollte, unbedingt probieren! (Ich habe ein Unternehmen weiterempfohlen!!!). Jake ist cool. Er hat auch die Autowäsche gekauft. Für die man im Minimum 5 Quarts zahlen muss, aber dann kann man mit einen Hochdruckreiniger einfach sein Gefährt reinigen. Und das tue ich, nachdem ich ein ausserordentlich gutes Stück Pizza gegessen habe. Bei Jake.

Jakes Waschanlage. Irgendwo. Phänomenal funktionsfähig, wenn auch mit Vorsicht zu gebrauchen. Macht strahlende Velos noch strahlender.

Ich habe solche Freude, mein geliebtes Velo zu reinigen, dass ich mit einer Hand das Handy nehme (so von wegen Selfie mit Velo), mit der anderen die Düse und am Griff ziehe. Es gerät ausser Kontrolle. Der Druck ist so stark, das ich den Schlauch kaum noch halten kann, das Wasser spritzt an die Decke und wäre ich nicht grad im Reyalitätsmodus müsste ich sagen, das Dach wäre eingestürzt. Inferno. Feuerwehr muss kommen aus dem Nachbardorf. Aber der ist zu weit weg und bis sie hier ist, ist ein Brand ausgebrochen, Mani Matter wäre neidisch. Zum Glück hat es aber mein Velo überlebt und so rase ich zum Dorfweiher und bevor alles verloren und vor allem längst bevor die Feuerwehr hier ist, ist der Brand gelöscht. Für etwas habe ich ja wasserdichte Seitentaschen. Und einen Hochdruckschlauch in der Hand. Funktionsfähig.

Etwas beschämt stecke ich das Teil wieder dahin, wo es hingehört und bin froh, dass niemand etwas davon mitbekommen hat. Aber das Bike ist so sauber wie lange nicht mehr.

Jakes Motel. Irgendwo. Vermutlich funktionsfähig.

Und zu Jakes Imperium gehört eben auch ein Motel. Wo ich leider nicht übernachten kann, weil ich ja noch den Missouri überqueren muss. Und der ist noch weit.

Was ich vielleicht noch erwähnen muss: Jake heisst gar nicht Jake. Sondern ist die Kurzform von John And Kim Ehlers. Kim habe ich leider nicht kennengelernt, aber John habe ich gleich ins Herz geschlossen, ein charismatischer, sympathischer Mann, der phänomenale Pizza verkauft. Und vor allem eine Autowäsche auch für Velos betreibt. Vielen Dank dir, Jake. Und sollte jemand mal nach White Lake, South Dakota kommen, ja, ich würde Jakes Imperium uneingeschränkt weiterempfehlen!

Ich bin im Corn-Country. Viel Mais, wenig Lärm. Wenn man nicht gleich neben der Interstate herfährt. Oder auf dem Balkon sitzt, wo der Performer nun Nirvana singt, „everyone is gay“, die Stimme passt, der Text ist für dieses wohl eher konservative Publikum doch eher, naja, aber der Song tönt gut. Er kommt aus sich raus. Emotionen. Langsam beginnts mir zu gefallen. Aber eigentlich wollte ich noch etwas zum Corn-Country sagen. Grosser Bahnunfall. Entgleisung auf gerader Strecke. Unfassbar. Und so liegen sie da, die Corn-Wagons.

Ich suche auf meiner favorisierten Suchmaschine nach diesem Vorfall und muss mit Erschrecken feststellen, es gab ihn nicht. Ich muss Sie, liebe Leser, deshalb bitten, die soeben gesehenen Bilder wieder zu vergessen. Hat nicht stattgefunden. Fake News.

Und so gelange ich nach Chamberlain. Es geht runter. Zum Fluss runter. Alles geradeaus. Und man sieht sie schon von Weitem. Die Brücke, mit der Chamberlain wirbt. Also in Gedanken. Weil man ja weiss, dass man irgendwie über diesen Fluss kommen muss. Ohne Hilfe von Ausserirdischen. Mit einer Brücke. Und so bin ich doch etwas konsterniert als ich das hier sehe:

Brücke über den Missouri. Irgendwo. Definitiv nicht (!) funktionsfähig.

Gut, Siebenmeilenstiefel wären dazu nicht nötig. 150 Meter Stiefel würden genügen. Allerdings müsste man schon genau treffen. Sonst halt doch nasse Füsse. Stiefel. Und ob die 150 Meter Stiefel noch funktionieren, wenn sie nass sind, das hat einem ja auch niemand garantiert. Die sind ja schon alt. Da war noch vieles nicht wasserdicht. So stehe ich vor dem Ufer und lege meine Stirn in Falten. Soll es das gewesen sein? Haben mich meine ausserirdischen Freunde verarscht? Brücke, ha. Mit 72 Augen zu sehen vielleicht. Aber mit zweien sehe ich nur Pfeiler, keine Brücke. Und die Untertasse, hab nicht mal ne Tasse dabei. Das wird nichts.

Und so frage ich mich, wie ich eigentlich hier auf diesem Balkon sitzen, Kurt Cobain II. zuhören, schlecht gealterten Harley Besitzern zusehen und zugleich verschwommen im Hintergrund eine Brücke über den Missouri wahrnehmen kann. Am Abend beleuchtet.

Herr Iwsnmhbndsdzsuisaiwnwissns, was meinen Sie dazu? War das ein Abenteuer oder wie Sie es nennen, ein Aventiure? Also ich finde schon. So das mit Jake. Mit den nicht existierenden Corn-Waggons. Der geheimnisvollen Brücke. Und natürlich: den Ausserirdischen. Also in meiner Lebensumwelt habe ich eigentlich wenig zu tun mit Jakes, Corn-Waggons und Ausserirdischen. Und Brücken, die keine Brücken sind. Und auch: zauberhaft ist die Aussicht auf diese Brücke durchaus von diesem Balkon aus. Also ich finde: das waren Abenteuer. Doch.

Ach und noch für Hans: der heutige Appetizer. Appetizer, also den Appetit anregend, damit man nachher erst Recht Appetit auf das Essentielle hat. Ich glaube, die Amis haben das irgendwie nicht so ganz verstanden. Vielleicht sollte ich es ihnen mal sagen. Oder Kamala anrufen. Der hören die glaub ich besser zu.

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