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Tag 41 Behinderungen

Alles falsch. Der Ranger gibt mir natürlich nicht den Tip, zu den Ausserirdischen zu gehen, um Hilfe zu erhalten, sondern zu den Einheimischen. Die Tankstelle. Nicht Space Cowboys, sondern Cowboy Corner. Wo ich schon fast Stammkunde bin. Damit ich nicht hier draussen den Elementen ausgesetzt sei. Gut, es ist etwas kühl, ich habe eine leichte Jacke an, aber alles gut. Ist ja noch früh.

Cowboy Corner.

Die Idee mit der Tankstelle hatte ich bereits gehabt, aber noch nicht umgesetzt. Und so gehe ich da hin. Drei Leute. Ein Mann im Rollstuhl, ein Mann nicht im Rollstuhl und die Verkäuferin, die mich natürlich erkennt. Frage: „I need a ride to Rapid City, my bike broke down“. Stille. Schweigen. Schwierig. Sie denken nach. Schwierig. Mann. Denke ich. Ich will doch nur in die nächste Stadt. Ich bringe meinen Joker ins Spiel: „Of course I can pay for it“. Stille. Alle haben ein Auto in diesem Ort mit 94 Einwohnern, gut, Minus die wenigen Kinder und viele haben wohl Zeit. Ich zahle. Aber Geld scheint sie nicht zu locken. Scheisse.

Interior. 94 Einwohner. Im Sommer mehr, im Winter weniger.

Da meldet sich der Mann im Rollstuhl. „We might be able to help you“. Er müsse nur ein paar Phonecalls machen. Ich solle in einer Stunde wiederkommen. Ich gehe zurück ins Hotel. Warte. Ewigkeiten. Nach 30 Minuten werde ich unruhig. War das jetzt ein Ja? Denn wenn nicht, dann verpasse ich vielleicht die andere Möglichkeit – die ersten Hotel, respektive Campinggäste machen sich auf, den Tag zu beginnen. Meine Chance. Ich gehe zum Cowboy Corner zurück, der Mann sitzt da und meint: Ja. Können wir machen. Wann? So in einer Stunde. Ich mache noch einen Spruch apropos, dass mein Velo auch in einen Kleinwagen passe. Vielleicht nicht in einen Smart, hehe, aber sonst…

Vollbepacktes Kindervelo in Interior – da wusste ich noch nichts vom Problem…

Ich gehe zurück zum Hotel, mache alles bereit und nach vielleicht 30 Minuten kreuzt ein fetter Ram-Pickup-Truck auf. 5 Plätze, Riesenladefläche. Und dahinter ein Riesenanhänger. Da hat er wohl etwas falsch verstanden! Oder ist er es gar nicht? Der Fahrer schaut zwar in meine Richtung, aber er schaut auch richtig böse drein. Ich nehme das in eine Tasche gepackte Velo und nähere mich ihm, sehe den mir bekannten Mann auf dem Beifahrersitz. Alles gut. Der Fahrer guckt trotzdem böse. Ich so: das ist das Velo, hehe, eingepackt, hehe. Er geht zur Ladefläche, wir packen alles drauf und los geht die Fahrt.

Strassenszene in Interior – leider ohne Strasse

Die Situation ist so skurril wie tragisch. Ein Mann im Rollstuhl, der natürlich nicht selber fahren kann, hilft mir, da er eh in den nächsten Tagen hätte in die Stadt fahren müssen. So weit so gut. Am Steuer sitzt vermutlich sein Sohn. Geistig behindert. Er fährt super, aber der Vater muss ihm bei jeder Abzweigung sagen, wo es durchgeht, obwohl er diesen Weg garantiert schon Dutzendfach zurückgelegt hat. Mit dem Riesentruck mit Anhänger.

Wagon Wheel. Restaurant, Bar, Casino, von Mexikanern geführt.

Ich komme mit dem Mann ins Gespräch, er hatte einst ein Restaurant, das aber Ende der 90er Jahre nicht mehr lief. Er trauert ihm etwas nach. Jetzt sei er im „Mower-Business“. Rasenmähen. Und so wie ich es verstanden habe, fährt er die Rasenmäher selber. Sein Sohn fährt ihn zu den Kunden und er mäht Rasen. So kann er sein sicherlich nicht billiges Leben finanzieren. Wobei er das Dorf möglichst nicht verlässt, hier sei er aufgewachsen, das ist sein Leben.

City Jail

Ich erwähne das City Jail. Heikles Thema, merke ich. Aber er beginnt vom Sheriff zu sprechen. Die sind in den USA gewählt. Er ist begeistert von ihm, sei einer von hier, der alle kenne. Zuständig für das ganze County. Der sei übrigens auch anwesend gewesen im Cowboy Corner als ich zurückgekommen sei. Später überlege ich mir, ob mein „Fall“ nicht auch etwas für den Sheriff gewesen wäre. Dessen Zuständigkeit es ist, Probleme im County zu lösen. So wie Sky, die nette Rangerin mir gleich helfen wollte, sicher auch Kraft ihres Amtes. Die Frage ist nur hypothetisch und letztlich bin ich froh, dass es schon vorher eine Lösung gegeben hat.

Wir erreichen die Stadt, er hält an einem Ort, wo er mit dem Trailer problemlos weiterkommt, ich gebe ihm 50 Dollar „Gas money“, womit er seinem Verhalten nach nicht gerechnet hat. „You have saved my ass“, meine ich. Er hatte wirklich Dinge zu tun in der Stadt, ich denke aber auch, dass er gewohnt ist auf Hilfe von anderen angewiesen zu sein und deshalb einem Mann in Not (so wild wars dann doch nicht) auch helfen wollte.

Es ist rund 1 Kilometer zum Bikeshop. Ich trage die Tasche, will das Bike nicht weiter belasten. Der Velomech ist äusserst freundlich, ja, in einer Stunde sei er fertig. Ich bin hin und weg. Es ist 11 Uhr. Ein Kunde steht an der Theke, Riesenkiste mit Donuts und Süssigkeiten. Für die „Crew“. Mir bietet er auch etwas an. Ich habe noch nichts gegessen und greife gerne zu. Vor 4 Stunden noch Stress, jetzt die pure Entspannung. Alles läuft.

Vermutetes Flüchtlingspaar

Ich warte im Park gleich nebenan. Ein wohl aus Südamerika stammendes Paar wäscht grad seine Wäsche in der Toilette. Später sehe ich ein anderes Paar die Strasse überqueren. Er trägt einen kleinen Rucksack, sie zwei Plastiksäcke. Wohl Flüchtlinge. Die es irgendwie nach Rapid City, South Dakota verschlagen hat. Später sehe ich im Park weitere Menschen in ähnlicher Situation. Ein Mann scheint zu schlafen. Ein Polizist, begleitet vermutlich von einer Sozialarbeiterin nähert sich ihm. Bilder, wie ich sie bislang nicht oder kaum gesehen habe. Nicht einmal in New York, Detroit oder Chicago.

Ich gehe zurück zum Velomech und das Velo ist bereits fertig. Phänomenal. Zwei Speichen. Nicht eine. Aber geflickt und es hält auch nach über 200 Kilometern. Ich hege Hoffnung. Ich kaufe noch eine zweite gepolsterte Unterhose, Öl, weil die Kette quietscht und einen dritten Ersatzschlauch, da bin ich etwas paranoid und einer ist nur geflickt, der hält eh nicht. Ich verabschiede mich.

In der Zwischenzeit habe ich meine Pläne geändert. Ich habe zwar eine „Ghost Town“ verpasst, was ich sehr bedaure, aber dafür habe ich einen halben Tag gewonnen. Ich bin schon mittags in Rapid City, statt wie geplant abends. Und so sollte es reichen, gleich das nächste Ziel anzupeilen: Custer in den Black Hills. Wenn ich auf den Mount Rushmore (den mit den Präsidenten im Fels) weglasse, kann ich einen Tag gewinnen. Der mir eigentlich eh gefehlt hat, so habe ich nun einen Tag „übrig“ bis zu meinem Yellowstone-Aufenthalt, was allfällige Veloprobleme etwas entspannt. Und es gibt noch etwas zu tun.

Ich erwähne dem Velomech gegenüber meine Pläne Richtung Yellowstone zu fahren. Er meint: Bärenspray. Ich meine: Bärenglocke. Hab sogar zwei dabei. Eine, die mir zu defensiv ist und eine, er meint: Bärenspray. Gibts bei Scheels. 10 Kilometer Umweg, aber was solls. Und so habe ich nun einen eingepackten Bärenspray in der Seitentasche, den ich heute beinahe gegen einen Bison oder war es ein Büffel? hätte einsetzen wollen, aber eben: eingepackt. Seitentasche. War dann aber eh nicht nötig.

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