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Tag 43 Das Velo

Erich von Däniken ist natürlich ein Quacksalber. Haben mir die Aliens verraten. Das ist jetzt einfach ein Schnuri, aber natürlich hat er insofern recht, als es Aliens gibt. Haben mir die Aliens gesagt. So weit so gut. Ich möchte aber die Kommentare meines geliebten Bruders, die auch diese Einleitung zu verantworten haben zum Anlass nehmen, einmal über mein Bike zu schreiben.

Wie ich dazu kam

2014 hatte ich eine Städtetour mit dem Zug geplant. Ein Tag vor Abreise sah ich in einem Geschäft ein Faltvelo und entschied mich zum Spontankauf. Für die Städte war es phänomenal, ich probierte aber auch einige Kilometer über Land zu fahren, rund um Verdun. Es war wie später auf dem Boluminski Highway ein einziger Kampf. Aber ich kam an Orte, an die ich mit Zug und Bus nicht gekommen wäre. Und ich erinnere mich bis heute gerne an einen Morgen, wo ich in den frühen Morgenstunden durch eine wunderbare Landschaft gefahren bin und es einfach nur geil gefunden habe.

Mein „normales“ Velo blieb fortan auch zuhause zuhause. Ich mag die Lebendigkeit der kleinen Räder, die Wendigkeit, das Fahrgefühl. Ein paar Jahre später kaufte ich mir dann sogar ein Brompton, noch kleinere Räder, aber das erste Faltrad, ein Dahon, blieb fortan im Keller und wurde später verkauft.

Wieder etwas später kaufte ich mir einen Elektrozusatz für das Brompton. Das war ein Motor, der den Pneu direkt antrieb. Nach 20 Kilometern war der Pneu durch, war wohl nicht richtig eingestellt, aber das System als Ganzes war ein Fail. Aber fortan wollte ich nicht mehr ohne Motor fahren. Das Fahrgefühl war so viel toller.

Und so kaufte ich mir während der Corona-Pandemie im Juni 2020 ein Tern Vektron und fuhr damit den Sommer durch von Kiel nach Graz. Mit ein paar Zugstrecken dazwischen. Mit einer Ausnahme, wo ich durch Ostafrika reiste, bin ich seither jeden Sommer 4-5 Wochen mit dem Tern durch Europa gefahren. Längere Strecken im Zug, dann wieder selbständig. Eine phänomenale Mischung, die mir einfach zusagt.

In den USA gibt es zwar weniger Züge als in Europa, aber ich hatte geplant, auch hier das Velo in den Zug zu nehmen – oder ev. auch in einen Bus oder ein gemietetes Auto. Ist mit grossem Velo schwierig, mit dem Tern sollte es klappen. Doch das war nicht der einzige Grund, warum ich mich für dieses „Kindervelo“ entschieden habe.

Robustheit

Ich bin in Europa mit dem Vorgängermodell, das ich in den USA gekauft habe fast 15000 Kilometer gefahren. Viele Platten, die Gangschaltung funktionierte nicht immer perfekt, aber keine ernsthaften Probleme. Und ich bin damit durch die wildesten Waldwege gefahren, auf Mountainbiketrails, über die übelsten Schotterpisten im Baltikum, es hat alles verziehen. Es hat sehr breite Reifen, mit griffigen Pneus braucht es etwas mehr Kraft, um es zu bewegen, dafür kommt man überall durch. Wenn nicht Speichen brechen oder so. Solche Probleme hatte ich bislang überhaupt nicht – bis jetzt.

Kompaktheit und Gepäck

Das Velo ist kompakt, klar. Aber ich bin jeweils mit einem Rucksack, einer Tasche und dem Velo durch Europa gegondelt. Ich kann das gesamte Gepäck inklusive Velo tragen. Gerade bei Zugreisen ein Vorteil. Aber auch im Hotel findet es immer Platz und man muss nicht zehnmal laufen. Inzwischen habe ich allerdings mehr Taschen hinzugefügt aus Bequemlichkeit. So fahre ich jetzt mit 5 Taschen, die ich aber weiter auf drei Taschen reduzieren kann – inklusive Velo in einer Tasche. „Normale“ Tourenfahrer haben in der Regel mindestens 6 Taschen plus das Velo…

Mein Gepäck besteht grundsätzlich aus einer 70 Liter Tasche und einer Bromptontasche, die ich via einen selbst gebauten Adapter über dem Vorderrad befestigen kann. Geht nicht mit einem „erwachsenen“ Rad. Die Räder benötigen zu viel Platz. Ich habe aber noch zwei kleine Seitentaschen auf dem Gepäckträger, die ich auch mit der grossen Tasche auf dem Gepäckträger noch öffnen kann. Und die auch im gefalteten Zustand am Velo bleiben können. Links die zwei Ersatzakkus (die auch in der Tasche Platz finden), was sehr praktisch ist, da ich diese ja (fast) jeden Tag verwende und so nicht jedes Mal die Tasche öffnen muss. Zudem je nach Länge der Strecke noch etwas Wasser. Auf der rechten Seite befinden sich Esswaren und Wasser. Auch spontane Einkäufe (meist Esswaren) finden in den beiden Taschen meist Platz.

Die vordere Umhängetasche von Brompton enthält alle Elektronika. Zudem passen eine Jacke rein, bis zu vier Wasserflaschen und diverse Kleinigkeiten. Diese Tasche kann ich leicht abnehmen und habe damit die Wertsachen bei mir. Oft bin ich aber zu faul und hoffe, dass nichts passiert – es gibt einen zweifachen Diebstahlschutz. Wenn man nicht weiss, wie man die Tasche vom Velo löst, ist es fast unmöglich dies zu tun (der Hebel ist sehr versteckt). Und es ist auch nicht ganz leicht die Tasche zu öffnen, wenn man nicht weiss wie. Bin ich dann aber mehr als ein paar Minuten weg vom Velo, fühle ich mich unwohl. Ist OK für den schnellen Einkauf, aber besser wäre es schon, die Tasche immer mitzunehmen.

In New York habe ich mir noch eine eigentlich überflüssige Krimskramstasche gekauft, die am Lenker angemacht ist, allerdings in Richtung Sattel. Darin befinden sich Besteck, Sonnencreme, Powerbank, Mückenspray etc. Praktisch.

Die kleinen Räder ermöglichen in meinen Augen eine viel sinnvollere Aufteilung des Gepäcks als Velos mit normalen Rädern. Ist aber wohl auch Geschmacksache.

Tern mit Bosch Motor

E Bikes sind in den USA noch relativ selten. Umso wichtiger war es mir, bekannte Produkte zu verwenden. Tern hat in den USA mehrere Dutzend Verkaufsgeschäfte und ist damit einer der bekannteren Hersteller. Tern verwendet zudem fast ausschliesslich Standardkomponenten, was bei einer Reparatur hilfreich sein kann.

Zudem wollte ich aus ähnlichen Gründen einen Bosch Motor. Bewährt, gut und im Verhältnis zu anderen Herstellern weit verbreitet. Bosch hat inzwischen zwei Systeme und viele Motoren, dazu ein paar Kommentare:

Altes System vs. Smart System

Eigentlich ist das Tern Vektron völlig veraltet. Schon längst sollte es das neue Smart System von Bosch haben, Tern hat sich aber entschieden, das Velo nicht aufzuwerten. Ich bin nicht nur unglücklich. Das Smart System ist dem alten System ohne Zweifel in vielem massiv überlegen. Die Displays, alle Automatismen, Verbindung mit einer App, wirklich sinnvolle und hilfreiche Funktionen. Ich habe mir vor einem Jahr ein „normales“ Velo mit dem Smart System gekauft, bin damit aber nicht nur glücklich.

So gibt es wirklich tolle Automatikmodi. Geht es aufwärts, unterstützt der Motor stärker, geht es geradeaus weniger. Gut abgestimmt. Aber zumindest an diesem Velo sind die „manuellen“ Modi fast unbrauchbar. Der Modus mit der wenigsten Unterstützung benötigt gemäss Anzeige mehr Strom als der Automatikmodus mit dem man bergauf extrem stark unterstützt wird. Es ist viel schwieriger die Reichweite abzuschätzen als mit dem alten System, wo ich einfach eine Stufe runterschalte und weniger Strom verbrauche.

Vielleicht liegt dies aber auch am Motor. Mein Tern Vektron hat einen Bosch Performance Line Motor. Nicht sonderlich stark, aber leise. Sehr leise. Unhörbar. Und ohne Widerstand. Fährt man über die maximal erlaubte Unterstützung hinaus (in Europa 25, in den USA 32 Km/h), dann merkt man das nicht. Das „normale“ Velo, das ich vor einem Jahr gekauft habe, hat einen Bosch Performance Line CX Motor (wer hat bloss diesen Namen zu verantworten)! Das ist ein völlig anderer Motor auch wenn er fast gleich heisst. Viel stärker, dafür richtig nervig laut und wenn man die maximal erlaubte Unterstützung erreicht, fühlt es sich an als ob das Rad bremsen würde. Und genau diesen Effekt scheint es auch zu geben, wenn man mit wenig Unterstützung fährt. Es ist extrem unangenehm zu fahren, obwohl der Motor eigentlich viel stärker ist. Hat zur Folge, dass man mehr Unterstützung benötigt, um angenehm zu fahren, was mehr Stromverbrauch bedeutet.

Oder anders formuliert: der Performance Line Antrieb ist ideal für Touren wie ich sie mache, der Performance Line CX Antrieb fürs Mountainbiken. Heute wird er aber in fast alle neuen Velos mit Boschmotoren verbaut und ich bin extrem froh, dass ich nicht mit diesem Motor fahren muss. Denn der ist so laut, dass man nicht hört, wenn Geräusche, was Schlimmes ankündigen…

Motorunterstützung

Der Motor hilft viel. Das Bike ist schwer, es hat keine aerodynamische Form, viel zu grobe Reifen, wenig Gänge – es muss viel kompensiert werden. Gleichwohl überhole ich mit dem Tern Vektron auf Geraden und vor allem bei Aufstiegen die meisten Fahrer ohne Motor. Ich bin also spürbar schneller, was auch bedeutet, dass ein Teil der Zusatzenergie wieder „verschwendet“ wird für höhere Tempi. Macht in meinen Augen aber einfach auch mehr Spass. Der Motor ist aber wiederum so schwach, respektive der kleinste Gang zu gross, dass Velos mit dem CX Motor an Steigungen spielend an mir vorbeifahren.

Ein weiterer Effekt der Motorunterstützung: ich schwitze weniger und bin am Abend weniger erschöpft. Aber: ich trample schon, es braucht zeitweise viel Kraft und Ausdauer. Ich fahre nicht Moped ohne Sound…

Nachteile

Natürlich, ich kann nicht freihändig fahren. Das Velo ist auf Schotterpisten unruhig. Die kleinen Räder haben auch Nachteile, aber es ist nicht strenger, damit zu fahren. Das gleicht die Gangschaltung aus. Diese hat aber nur 10 Gänge – vor allem kleinere Gänge würden es ermöglichen, bei Anstiegen mit weniger Zusatzkraft zu fahren. Ich bin voreingenommen, aber ansonsten sehe ich eigentlich keine grösseren Nachteile – aber ich hoffe, hier einige der Vorteile überzeugend aufgelistet zu haben.

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2 Gedanken zu „Tag 43 Das Velo“

  1. Schön, wie Du eine Lanze für Dein Velo brichst.
    Hat es eigentlich schon einen Namen erhalten?
    Für mich ist Deine Darstellung ziemlich unausgewogen. Das sollte hier – im Sinne einer guten Pro und Kontra Kultur – dringend ergänzt werden.

    Dabei ist das Nicht-freihändig-fahren-können gar nicht das grösste Problem!
    Ja, ich normaler Tourenfahrer – habe 6 Taschen, die bleiben meist ganz einfach am Fahrrad eingeklickt. Die Taschen können von hier gut bedient werden – von wegen „zehn mal laufen“.
    Das Zelt ist schnell aufgestellt, der Schlafsack ausgerollt, das Mätteli (mühsam) aufgeblasen, das leckere Essen auf dem Kocher zubereitet, der Handyakku mittels der vom Dynamo angetriebenen Powerbank aufgeladen. Wo die nächste Stadt, das nächste morbide Motel ist, ist dabei irrelevant. Am Besten ist die Zivilisation ganz weit weg:
    Kein schlafen neben dem Tern sondern träumen unter dem Stern.

    Okay, ich bin voreingenommen aber ich sehe eigentlich nur Vorteile bei einem normalen Tourenrad.

    Gut, wenn ich wirklich mal den Zug nehmen muss – was halt möglichst zu vermeiden ist – dann ist mein Rad nicht so cool. Und wenn ich mal in einem Hotel übernachte, habe ich mein Velo schon schwitzend und fluchend enge Treppenhäuser hinaufgeschleppt…

  2. Lieber Bro.
    Ich finde es so faszinierend, dass wir das gleiche Hobby auf so unterschiedliche Art und Weise ausüben. Sehe ich Bilder von deinen Zeltplätzen bin ich oft wirklich etwas neidisch. Das geht mit meiner Art zu reisen nicht, vor allem wegen dem Akku. Kurz: Wer oft in Hotels übernachtet, mit dem Zug reist, den Komfort eines E Bikes wünscht, der ist mit meinem Setup wohl besser dran. Wer möglichst unabhängig sein will, meist im Zelt, aber nicht auf dem Zeltplatz übernachtet, wer viel Offroad fahren und dabei auf einen gewissen Komfort verzichten will, ist natürlich mit deinem Setup besser dran. Ich wünschte, ich könnte auf den Motor verzichten, aber mir macht Velofahren ohne Motor schlicht keinen Spass. Und ja, das weiche Hotelbett ziehe ich dem Mätteli vor, meist das Restaurantessen dem auf dem Kocher Gekochten (nur schon der Mengen wegen…), aber die Nudeln am Strand in Lettland haben unfassbar gut geschmeckt. Die Nacht im Zelt war dann doch eher unbequem. Und beim nächsten Versuch – habe ich das Feuer einfach nicht angekriegt. War trotzdem schön, möchte ich auch gerne wiederholen, aber letztlich falle ich doch immer wieder in meinen Trott zurück…

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