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Tag 48 Frust

Gestern habe ich es noch sehr locker genommen, dass ich einen riesigen Umweg machen musste, heute bin ich demotiviert. Es geht viel rauf, es ist anstrengend, mein Hintern schmerzt und halt so viele kleine Dinge. Die Hotels zeigen null Kulanz (nicht mal Termin verschieben ist möglich), das Velo zeigt neue Macken, ich gehe erstmals in einen Walmart einkaufen und die Wassermelonenstücke sind kaum geniessbar, obwohl ich die Frischesten genommen habe, zum ersten Mal will ich Mikrowellengerichte machen, die sehr lecker aussehen – und im Hotel hats keine Mikrowelle (was äusserst untypisch ist für die USA). Dass das Brot nicht hält, was es verspricht hatte ich immerhin erwartet. Und natürlich sind die Spaghetti verkocht, die ich dann halt auswärts geniesse, ne, zu mir nehme. Und noch viele weitere solche Dinge, alles nicht schlimm, aber ermüdend. Und ja, müde bin ich auch zwischendurch beim bergauf fahren, erschöpft, es waren sehr anstrengende Tage. Zu viele Kilometer. Morgen folgt noch die Königsetappe in den Yellowstone Park und auch da stellen sich neue Herausforderungen. Die tollsten Attraktionen sind alle weit weg und über eine enorme Fläche verstreut, das heisst wieder ein Tag viel Velo fahren und dann doch vor allem Touristen sehen und abgezockt werden.

Aber es gibt natürlich auch die positiven Dinge und denen bin ich mir sehr wohl bewusst. Ich reise, mache nicht Ferien. Da gehören solche Dinge schlicht dazu. Da darf nicht alles so laufen wie erwartet, da gehört das Neue, das Unbekannte, das Scheitern, das Fehler machen einfach dazu. Jeder Tag ist anders, manchmal fordernd, manchmal überfordernd, manchmal auch etwas langweilig, wobei langweilig eher nicht. Und nein, das waren jetzt nicht die positiven Dinge, das war nur ne doofe Überleitung.

Heute hat es geregnet. In Thermopolis, wo ich übernachtet habe. Ich kann den Regen überlisten. Fahre zu schnell. In die falsche oder die richtige Richtung. Ich bleibe trocken. Das Hotel gestern war schrecklich, ich bin immer neben einer mühsamen Geräuschquelle. Irgendwas tickt, tropft, dröhnt, macht einfach Lärm. Und natürlich die Harleyfahrer auf ihren Dreirädern direkt vor dem Kopfkissen. Aber ich bin OK. Ich habe die besten Oropax. Nicht so Dinger zum Kneten. Solche die genau die richtigen Frequenzen ausblenden. Richtig geil. Und die Hotels sind oft auch cool. Speziell. Nicht mehr so Highway-wir-sind-alle-gleich-Absteigen. Gefällt mir. Heute Morgen habe ich noch extra Fotos gemacht vom Hotelzimmer. War wirklich speziell. Cool. Und dank Oropax hatte ich eine absolut ruhige Nacht.

Das Essen ist oft naja, oft auch wirklich sehr, sehr gut. Ich entdecke immer wieder neue Örtlichkeiten. In fast jedem noch so kleinen Kaff gibt es etwas Überraschendes, oft Positives, manchmal leider Erschütterndes oder Trauriges. Manche Landschaften sind atemberaubend andere etwas eintönig, dann komme ich besser voran. Ich werde immer wieder angefeuert von Autofahrern, fast alle Winken mir zu. Dass ich mit diesem „Kindervelo“ in New York gestartet bin weckt Erstaunen. Ich war heute beim einzigen Velogeschäft in der Region, das eine Problem konnte der Mechaniker lösen (ich hatte das Rad nicht richtig befestigt), für das andere braucht es einen Spezialisten (ein früherer Velomech hat wohl eine Schraube nicht richtig befestigt), aber er glaubt auch nicht, dass es kritisch sein sollte. Die Speichen scheinen zu halten, das Rad läuft rund. Ich habe bislang einen (!) Tag Regen gehabt und sonst fast ausschliesslich perfektes Wetter, vielleicht manchmal etwas heiss, aber noch nie zu kalt. Bis auf ein, zwei Ausnahmen immer in kurzen Hosen mit Sandalen. Mein Gepäck-Setup funktioniert gut und vor allem – mir geht es gut. Mal besser, mal schlechter, aber bislang noch keine grundlegende Krise, kein komplettes Infragestellen meines Vorhabens, kein komm, ich breche ab. Aber schon auch erste Sehnsüchte nach einem AirBnB am Meer für eine Woche oder so. Mal nicht morgens aufstehen, los und am Abend an einem völlig neuen Ort in einem neuen Hotel einschlafen. Ist nach 6000 Kilometern Nonstop Fahrt auch nachvollziehbar. Und vielleicht werde ich plötzlich eine Abkürzung nehmen, nach Kalifornien oder wohin auch immer. Im Moment sieht es aber eher danach aus, dass ich noch einen Umweg dahin und dorthin machen werde. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Und ich habe heute das Papierflugzeug entdeckt. Wobei. Sicher bin ich mir nicht. Waren das etwa doch nur Wolken? Auf jeden Fall ein schnelles Flugzeug!

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Ein Gedanke zu „Tag 48 Frust“

  1. Lieber Herr R!

    Ich kann den Frust nachvollziehen. Ich glaube, Ihre Leserschaft hätte vollstes Verständnis, wenn Sie derweil Abkürzungen oder einen Spa-Day einbauen. Ich möchte mich den Worten Ihres Bruders anschliessen: Respect dafür, dass Sie jeden Tag posten und uns damit an Ihrem Abenteuer teilhaben lassen.

    Gute Weiterreyse!

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