Ich fahre früh los, da heute eine der anstrengendsten Etappen ansteht. Schon nach wenigen Kilometern muss ich mich erstmals entscheiden: Komoot sagt Nebenstrasse, mein Gefühl sagt Hauptstrasse. Ich biege in die Nebenstrasse ein, ein Schild sagt irgendwas von Bicycles OK, aber auch „no through“ street. Gilt das jetzt auch für Velos? Gemäss Komoot (und es hat auch Berichte von Velofahrern) ist die Strasse durchgängig. Ein Pickup Truck fährt an mir vorbei, ich mache eine Handbewegung, er nickt. Also los. Das nächste Schild wirkt wenig ermutigend, dass ich da durchkomme, ich ignoriere es. Vor einem unglaublich steilen Anstieg (ich muss schieben) hat es ein Schild: no escape for pedestrians oder ähnlich. Es ist nicht ganz klar, ob das Schild für die auf der Karte eingezeichnete Sackgasse gilt – oder für den von mir gewählten Weg. Könnte schon mein Weg sein. Nach sehr kräftezehrenden paar hundert Metern gibt es dann tatsächlich ein Gate. Geschlossen. Mit Schlössern.Kein Durchkommen. Ich fluche, nerve mich, kehre um. Zuviel Kraft vergeudet für den langen Tag. Als ich via Hauptstrasse an der gesperrten Stelle durchkomme sehe ich den möglichen Grund: das sich gleich beim Gate befindliche Visitor Center ist geschlossen. Am 2. September ging die Saison zu Ende. Gut möglich, dass im Sommer das Gate geöffnet ist…
Danach komme ich gut voran. Immer wieder etwas Gegenwind, der mir Sorgen bereitet, dann aber doch nicht so schlimm ist – ansonsten nicht allzu steil, was Kräfte schont. Es hat weniger Verkehr als erwartet, die Landschaft ist wunderbar und so fahre ich möglichst stromsparend meines Weges. Wie ich bereits wusste werden die letzten Kilometer steil. Sehr anstrengend, aber es erwächst auch ein Gefühl in meinem Inneren: Stolz. Verdammt, ich habe es (beinahe) geschafft von New York City in den Yellowstone zu fahren mit dem Ebike. Yellowstone war für mich eines der grossen Ziele. Wird wohl eher enttäuschend sein, aber doch irgendwie zur Bucketlist gehörend. Den gesparten Akku aktiviere ich nun und komme recht gut voran. Und dann sehe ich das Ziel vor mir. Der Sylvan Pass. Ein Glücksgefühl erfasst mich und ich kraxle die letzten Meter hoch.
Danach ist allerdings noch nicht Schluss, es geht noch ziemlich rauf und runter, dann aber kommt die kleine Abfahrt zum Yellowstone Lake, wo mein Hotel liegt. Ich habe keinen Handy Empfang, schon seit langem nicht mehr und plötzlich werde ich etwas paranoid: wenn die beim Hotel keinen Strom haben? Wie absurd die Idee ist, ist mir völlig bewusst, dennoch fahre ich sparsam weiter. Vielleicht brauche ich den Akku ja noch, um das Tal wieder zu verlassen…
Den Akkuverbrauch einzuschätzen ist nicht ganz einfach. Mir stehen lediglich 5 Balken und Restkilometer zur Verfügung. Die Restkilometer berechnen sich aus dem aktuellen Akkuverbrauch. Geht es steil hoch zeigt es vielleicht noch 10, geht es rasant bergab 100 Kilometer an. Für gleich viele Kilowattstunden. Die Balken sind ebenfalls absurd: 5 Balken = 100 Prozent. So weit so gut. 4 Balken sind aber nicht 80 Prozent, sondern ca. 66 Prozent. Ungefähr. 3 Balken 50, 2 Balken 33 und 1 Balken irgendwas zwischen 15 und 20 Prozent.
Halt ein sehr, sehr altes System. Ich hätte auch ein besseres System einbauen lassen können als das Display gewechselt wurde, habe mich dann aber aus eigentlich unerklärlichen Gründen dagegen entschieden. Es gäbe für mein „System“ durchaus prozentgenaue Displays.
Aber vielleicht gehört das ja auch zum Abenteuer. Als ich am Abend alle Angaben einschätze merke ich, dass ich tatsächlich wohl nur rund 1150 Wh von mir zur Verfügung stehenden 1400 Wh gebraucht habe. Letztlich irgendwie auch cool.
In der Hundehütte angekommen (es ist ein schönes Chalet, etwas überteuert, aber OK) merke ich schnell, dass ich zwar Strom, aber kein Wifi habe. An der Reception sagen sie mir, dass es in einem Restaurant in der Nähe Wifi hätte. Dieses ist aber nicht zu gebrauchen. Etwas später sehe ich, dass mein Ipad Verbindung hat, mein Handy nicht. Scheiss G- Provider. Aber auch hier ist das Netz unfassbar langsam. Vielleicht auch mal ganz in Ordnung. Auf jeden Fall gehe ich früh zu Bett. Am nächsten Nachmittag werde ich dann eine Stelle mit gutem Netz finden. Draussen in der Natur. Wo ein Wille ist… So kann ich immerhin meine weitere Tour planen.