Nein, kalt war es nicht. Im Gegenteil. Herbstlich warm und angenehm. Gut. Am Morgen chillig. Aber da gibt es ja die Bettdecke für. Und dann lesen an der Sonne in einem Park, dazu der Geheimtipp aus Salt Lake City: Griechisches Joghurt mit Erdbeeren und Flocken aus „The Store“, schmeckt unbeschreiblich gut. Schon auch schön ein Tag ohne „duties“. Ein Tag ohne „nur noch 133 Kilometer“. Ohne „geil, schon 100 Kilometer hinter mir“. Einfach ein Tag. Ich lese und rege mich ein wenig über mich auf. Ich bin entscheidungsschwach. Will nicht im Voraus buchen, da ich ja dann doch etwas anderes will oder mache. Oder das Bike einen Defekt hat oder was auch immer. Heute Morgen fühle ich mich so, dass ich morgen campen möchte. Antelope Island. Eine Insel im Salzsee mit viel „Wildlife“. Vor allem aber ist die Insel über eine Art Damm zu erreichen und der ist nur 25 Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt.
Und so lautete der Plan: mit dem Frontrunner zu ebendiesem Bahnhof – und dann reicht der Akku für hin, zurück und den nächsten Tag. Frontrunner scheint eine Art S Bahn zu sein (Halbstundentakt), da sollte ich mit meinem Übergepäck kein Problem kriegen und es geht sogar streckenmässig zurück. Das einzige Problem: der Zeltplatz kann nur zwei Tage im Voraus gebucht werden. Nicht ein Tag. Geht nicht. Ich sende eine SMS an die Kontaktnummer und kriege kurz darauf eine Antwort. Zuerst lange Antwort, automatisch generiert, dass auch die Leute beim Support das gleiche Reservationssystem nutzen. Danach kurze SMS von einem Menschen. Der sich bemüht. Den Campingplatz nicht kennt, weil wohl irgendwo Tausende Kilometer entfernt. Und ihn dann auch nicht findet. Wundert mich nicht. Lässt sich ja eh nicht mehr reservieren.
Also doch gleich weiter? Nein. Soll eine Milkyway Insel sein. Von da soll der Nachthimmel extrem gut sichtbar sein, kaum Lichtverschmutzung, ich komme mit dem Ebike hin, das tönt zu gut. Und schon bald finde ich heraus, dass Walkins möglich sein sollten. Also spontan. Und der Zeltplatz, der mich interessiert (kein Wasser, keine Elektrizität) ist in den nächsten Wochen – praktisch leer. Keine Reservationen. Welcher Idiot campt schon bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt im Zelt. 10 Grad. Minimum. Wahnsinn.
Und so geht es morgen wohl erstmals mit dem Zug zurück Richtung Norden, ohne Druck, sollte irgendetwas nicht klappen hat es genügend Hotels als Alternative. Aber wird schon klappen. Immerhin habe ich gestern noch Einkäufe erledigt. Einer, der gut passt, der andere, der schlechter passt.
Ich hatte schon in Chicago gehadert damit, ob ich ihn kaufen soll. Ein Minisessel. Habe mich dagegen entschieden und dann doch ein paar Mal vermisst. Und so wird das meine zweite „grosse“ Investition in Gear seit New York: neben der Musiboxe, die ich fast täglich verwende nun noch ein Campingstuhl. Cool.
Ich habe mich dann noch dazu verleiten lassen meine Arkel-Seitentaschen durch Ortlieb Seitentaschen zu ersetzen. Sind grösser, praktischer, solange man nicht Zug fährt. Und da ich seit zwei Monaten nie Zug oder Bus gefahren bin… Bloss doof, dass ich die jetzt gekauft habe, wo ich ja morgen Zug fahren will… Sollte gehen. Die grosse Gefahr ist, dass ich nun noch mehr mitschleppe. Die Idee ist aber vielmehr, dass ich nicht immer kompakt packen muss, sondern einfach mehr Flexibilität habe. Es wird sich zeigen.
Ach und sehr geschätzter Herr wie auch immer, Ihre Worte berühren mich. Ich werde auch gebührend darauf eingehen, doch die Zeit, die Zeit. Morgen Abend wird der Post wohl ausfallen, aber danach wird die Zeit kommen. Und deshalb nur noch ein kurzer Kommentar zur Politik:
Es ist natürlich nur meine bescheidene Einschätzung. Natürlich habe ich auch hier Menschen erlebt, die Trump eine Katastrophe finden, die nicht in einem von Trump regierten Land leben möchten. Von der Gegenseite habe ich zumindest Plakate gesehen. Ja, es gibt diese Polarisierung. Aber ich wage zu behaupten, dass trotzdem kaum jemand das Land verlassen hat als Trump dann an der Macht war. Und so viel hat sich auch nicht verändert. Es ist mehr eine Art moralische Sache. Ich verachte Trump. Umgekehrt: ich verachte die Liberalen. Hat viel mit individualistischer vs kollektiver Moralkultur zu tun. Und die wird viel stärker im Lokalen geprägt. Ein paar Beispiele.
Verschiedene Städte in Oregon haben Drogen komplett freigegeben – und die Folgen sind katastrophal. Was hier in Salt Lake City erahnbar ist, ist in San Francisco um Welten schlimmer als damals der Platzspitz und in Portland soll es noch schlimmer sein. Nicht Bundespolitik, sondern Lokalpolitik. Umgekehrt werden in Florida Bücher verboten, die der politischen Linie der Republikaner nicht genügen (natürlich anders formuliert). Im einen Bundesstaat gibt es Helmpflicht, im anderen nicht. Im einen Bundesstaat ist der Konsum von THC-haltigem Cannabis erlaubt – im anderen nicht. Im einen Bundesstaat ist Abtreibung bis sehr „spät“ erlaubt, im anderen nicht mal nach einer Vergewaltigung. In manchen Bereichen sind die USA viel mehr ein Staat als die EU, in anderen aber auch nicht. Vor allem in der Aussenpolitik bestimmt das Weisse Haus. Und die ist für viele Amerikaner wiederum fern. Ukraine? Kostet vor allem viel Geld. Ist ein Problem der Europäer. Was mischt sich da „Washington“ überhaupt ein? Die sollen sich besser um „unsere“ Probleme kümmern!
Und viel wichtiger: schafft es das Weisse Haus, die Zuwanderung einzudämmen? In den Augen vieler Südstaatler nicht, weshalb sie härtere Massnahmen ergreifen – aus eigenem Antrieb. Auf bundesstaatlicher Ebene. Da macht es dann vor allem einen Unterschied, ob gegen einen Präsidenten angekämpft werden muss oder dieser die Massnahmen unterstützt. Umgesetzt werden sie sowieso – soweit die Gerichte es erlauben und neue Gesetze macht ja nicht der Präsident, sondern das Parlament… Trump verspricht eine Mauer zu bauen? Den wählen wir. Die Mauer wird nicht gebaut? Nicht so schlimm. Immerhin hat er sich eingesetzt und der „deep state“ hat es verhindert. Wir brauchen also noch mehr Trump. Obwohl seine Hände gebunden sind – ich war während des Shutdowns 2018 in den USA und wenn ich mich richtig erinnere, ging es wesentlich darum wie die Gelder für den Bau der Mauer irgendwie am Etat vorbei „gefunden“ werden konnten. Letztlich hat es aber vor allem gezeigt, dass auch die Macht des US Präsidenten eingeschränkt ist. Und wohlverstanden, es geht hier absolut nicht um die Frage, ob eine Mauer hilfreich ist oder nicht.
Kurz: mein Gefühl ist es, dass es vielen schlicht egal ist, ob Kamala oder Donald regiert. Vielen auch nicht, aber weniger, weil sich viel für sie ändern würde als weil sie die andere Seite nicht verstehen, vielleicht sogar verachten. Und das habe ich in meinem Post versucht darzustellen. In Europa hingegen wird es einen Unterschied machen, ob Trump oder Harris. Denn Aussenpolitik ist eine der Hauptdomänen des amerikanischen Präsidenten. Trump würde die Ukraine wohl schlicht „fallen lassen“. Europa zahlt – oder die Ukraine wird geteilt. Und die Rumpfukraine tritt nicht der NATO bei. Sollte Harris gewählt werden, wird die momentane Politik wohl weitergeführt. Europa und die Welt werden möglicherweise stärker davon betroffen sein, ob Harris oder Trump im Weissen Haus residieren als die Bürger der USA. Zumindest kurzfristig und sollte es Trump im Falle einer Wahl nicht gelingen, die Demokratie definitiv zu Grabe zu tragen.
Ich irre mich oft, ich irre mich nicht gern, aber das ist meine Einschätzung. Und damit schliesse ich für heute, denn morgen wird wieder ein strenger Tag…