Ich bin träge geworden und schon die wenigen Kilometer sind zäh zu fahren. Erst durch ein Suburb, dann über einen Damm. Am Eingang des Nationalparks kann ich den Zeltplatz für 20 Dollar mieten und so wird es die erste Nacht im Zelt geben. Angekommen am Zeltplatz bin ich etwas erstaunt, dass dieser direkt neben dem Parkplatz liegt, ich hatte eigentlich in Erinnerung, dass man zumindest ein paar Schritte zu Fuss gehen müsste. Das Zelt ist schnell aufgestellt und ich fahre noch etwas auf der Insel herum, sehe ein paar Bisons, die Aussicht ist herrlich, aber eben: träge. Und so verbringe ich den Nachmittag vor allem mit Lesen. Benedict Wells, Fast Genial. Empfehlung von Bro. Empfehlenswert. Also sowohl das Buch wie die Buchempfehlungen von Bro. Fast genial. Also der Buchtitel.
Der Sonnenuntergang ist episch, es hat verschiedene Fotografen (am Abend wie am Morgen), die ihre Modelle in dieser Umgebung ins rechte Licht rücken. Eigentlich war ich ja hierhergekommen, um die Milchstrasse zu sehen, aber das ist eine grobe Enttäuschung. Es mag auf Antelope Island Stellen geben, wo man sie gut sieht, hier ist man viel zu nahe an der Stadt. Und der Mond leuchtet eh zu hell. So gehe ich früh zu Bett, lasse zuerst aber immerhin das halbe Überzelt weg. Feuer machen ist nicht erlaubt.
Schlafen kann ich allerdings noch nicht, nicht zuletzt, weil ein paar Harley Fahrer zwar nicht hier übernachten, aber den zum Zeltplatz gehörigen Unterstand als Stammtisch verwenden. Ist definitiv zu nah an der Strasse. Immerhin, um 10 schliesst er Park und es bleiben nur noch jene übrig, die auch hier übernachten. Also nicht hier, der Zeltplatz hat nur 5 Zeltplätze und wir sind bloss zu Zweit mit Zelt, aber es hat noch andere Plätze. Vor allem für Wohnmobile.
Die Nacht ist OK. Mätteli ist einfach unbequem. Zu schmal. Zu hart. Immerhin habe ich erst warm mit offenem Schlafsack und als es früher wird genügt es, den Schlafsack zu schliessen. Komforttemperatur 10 Grad bestanden. Und dennoch. Zelten fernab der Zivilisation wie es zum Beispiel bro macht? Stell ich mir unfassbar schön vor. An einem einsamen See, aber da muss man erst hinkommen. Anstrengend. Auf Zeltplätzen hingegen fehlt mir der Charme. Nerven die Nachbarn. Fehlt der Komfort. Es gibt schon einen Grund, warum ich bislang immer in Hotels, oft auch in Absteigen übernachtet habe. Heisse Dusche, warmes Bett und gegen den Strassenlärm Oropax. Ich bin und bleibe wohl Warmduscher.
Beim Zeltabbau windet es relativ stark. Mühsam. Immerhin regnet es nicht – und kann ich das Zelt dann im Hotel nochmals schöner packen. Ich lese noch etwas, fahre dann zurück zum Bahnhof und fahre noch einige Kilometer weiter als Salt Lake City. Der „Frontrunner“ ist nicht allzu gut besucht, hat aber viele Velostellplätze, auch relativ viele Velos und die Fahrt ist wie mit irgendeiner S Bahn in Europa zu vergleichen. Doppelstöcker, pünktlich, Stundentakt, zu Stosszeiten Halbstunden. Das nutze ich aus. Mit Amtrak (Fernstrecke) ist alles viel komplzierter, langsamer – und teurer.
Bis zum Hotel sind es dann nur noch wenige Kilometer. Es ist laut, direkt neben der Autobahn, natürlich war es auf der Insel viel schöner, aber der Komfort… Nur schon, dass ein Olive Garden gleich daneben steht und ich nicht Sandwich mit Keksen zu Abend essen muss, weil ich eh keinen Kocher dabei habe. Kocher und Schlafsack mit -5.4 Grad Komfortzone hätten schlicht keinen Platz mehr gehabt im Rucksack…
Der Plan ist es, von hier in drei Tagen nach Moab zu fahren, einem der Zentren der Naturschönheiten in Süd-Utah. Und danach Richtung Monument Valley in den Süden und dann muss ich noch schauen. Keine Trails mehr, alles Hauptstrassen und schlimmer, mal sehen.
Ach und sollte es mir dann doch mal zu lang werden, habe ich ja die neue Boxe, wo ich Musik oder Hörbücher hören kann. Nach Tipps von bro. Oder ich überlege mir Antworten auf die charmanten, berührenden, scharfsichtigen, bewegenden Kommentare von Herrn Bohnensuppe. Und freue mich für ihn, wenn die Familie schon sehr bald auf so viele Menschen anwachsen wird, wie seine Tochter nächstes Jahr alt wird.
Ach und noch ein Zitat von Benedict Wells aus Fast Genial. Passt zu meiner Wahlkampf-These:
»»Fuck you, Bush«, sagte sie. »Ich meine, angeblich hat ihn keiner gewählt, trotzdem hat er die Wiederwahl gewonnen.« »Meine Eltern haben ihn gewählt, weißt du doch«, sagte ihre Freundin gelangweilt und noch immer in das Magazin vertieft. »Echt? Dachte immer, sie sind gegen den Krieg.« »Ist ihnen völlig egal. Bush macht für sie gute Steuergesetze, das ist alles.««
Lieber Martin
Ja, gewisse Campingplätze sind mühsam. Mich nerven vorallem die Campingbüssli, die mit den Schiebetüren. Bei jedem WC-Gang, bei jedem ein und aussteigen gibt es dieses laute, tschabummm, das durch die feine Zelthaut dröhnt. Und das blöde ist: die Türen kann man nicht leise schliessen.
Aber sonst: Du warst an einem wunderschönen Platz, finde ich (dem Ladyfinger Campground, gell). Nicht zu vergleichen mit der grossen, europäischen Campingindustrie, wo Dichtestress herrscht, oft nicht einmal Tisch und Bänke zur Verfügung gestellt werden.
Andererseits staune ich schon, über die Preise in den USA, welche Du an vielen Orten schon beschrieben hast.
Homepage Ladyfinger Campground: „No water or electricity available. Flush toilets and showers are located at Bridger Bay Beach, 1 mile away.“ Sorry, das ist der Standard von „Wild-Camping“ welcher gratis zu haben ist (und erst noch ohne Campingbüsslitürgetöse. – 20 Dollar für was? Und dann kommen ja noch die Mehrwertsteuer und 20-30 % Tipps dazu ;-).
Moab als nächstes: Absolute Traumdestination. Habe mich gerade verloren in Google-Maps: eine phantastische Region: Mes Arch, Corona Arch, Angel Arch, Druid Arch, Double Arch … und auch schön gelegene Campingplätze (z.B. Island in the sky).
Freue mich auf Deine Bilder und Stories.