Trotz extremst kurzen Etappen und viel Zeit fällt mir im Moment das Schreiben etwas schwerer. Ist alle gesagt? Nein. Ich hätte zum Beispiel noch viel zu schreiben zum Gepäck. Zur Kameraausrüstung (so geil!). Zu den Navajos. Zum Monument Valley (eigentlich eine Enttäuschung, aber die eine Foto ist einfach geil). Sicher sonst viele Geschichten. Von Hilfsbereitschaft und schlechtem Service. Von seltsamen Zeitzonen und Strassenverläufen. Von überdimensionalen RVs, süssen kleinen Streifenhörnchen, netten Menschen. Von Ausserirdischen oder wie es Kamala gerade geht. Aber ich bin etwas müde. Mit fehlt ein Ziel, ich fahre zu den wirklich ausserordentlich schönen Sehenswürdigkeiten, es gelingen mir gute Fotos, aber das Velo Fahren macht mir nicht mehr so viel Spass wie auch schon. Und das hat ganz wesentlich mit den – Platten zu tun.
Vier Platten in drei Tagen. Nach so unfassbar vielen Platten zuvor. Und das, obwohl ich alle Vorkehrungen getroffen habe. Ich kann kaum mehr fahren und schon glaube ich ein schwammiges Gefühl unter dem Hintern (der immerhin nicht mehr schmerzt) zu spüren. Dabei hatte ich mal wieder unglaubliches Glück. Platten Nr. 1 im Hotel. Am Abend fahre ich noch zum Thailänder essen, am nächsten Morgen stelle ich das Velo vor die Tür und ein Nachbar meint, schönes Velo, aber Platten. Ich verdächtige ihn den ganzen Tag des Lüftelns, aber es hat ein Loch. Klein, aber Loch. Wie ich am Abend herausfinde. Platten Nr. 2 ist ebenfalls mit Glück verbunden – 300 Meter vor dem nächsten Hotel am Abend. Ich tausche alles aus. Vorderer Reifen, mein Superschutz kommen nun ans Hinterrad und umgekehrt, wobei ich den „Superschutz“ von hinten weglasse, weil der auch schon Probleme gemacht hat. Den Schlauch allerdings belasse ich, möglicherweise ein Fehler. Ich prüfe das Acht im Hinterrad (kleiner als es auf den ersten Blick wirkt, keine Speiche kaputt), öle die Kette, mache den Spiegel kaputt, nerve mich, aber das Hotel und vor allem die Hotelanlage sind schön. Und es bleibt genügend Zeit, um es zu geniessen.
Am nächsten Morgen streift die Bremse am Vorderrad, ich kann nicht mehr. Weiss nicht, was ich tun soll. Das Geräusch ist so heftig, dass ich kaum noch ans Weiterfahren glaube. Ich bin mir sicher, dass nichts kaputt geht (oder sehr langsam), aber ich mag nicht mehr. Irgendwann kommt die Eingebung das Rad besser einzuspannen. Das Schleifen ist weg. Dafür fahre ich wenige Kilometer später von der Strasse weg, um ein doofes Bild zu machen. Schnell spüre ich stachliges Zeugs an meinen Sandalen. Scheisse. Ich habs schon erwähnt, 20 Minuten pule ich Stacheln von den Reifen und juhee, kein Platten an diesem Tag. Voller Erfolg.
Am nächsten Morgen – kein Platten. Aber ich inspiziere die Reifen und bin fast ein wenig geschockt. Ich finde diverse Dornen, die tief im Reifen stecken. Ein Wunder, dass es nun keinen Platten gegeben hat.
Die gestrige Etappe ist sehr kurz, nur rund 40 Kilometer und einige Höhenmeter. Am Abend fahre ich noch etliche Kilometer auf schlechten Strassen durch das Dorf, lande immer wieder in Sackgassen, einmal schiessen Hunde auf mich los und ich merke kurz später, da muss ich wieder zurück, aber geht alles gut. Am nächsten Morgen kontrolliere ich die Reifen. Alles gut. So scheint es. Erst als ich auf den Lenker etwas Druck gebe merke ich: Vorderreifen platt. Nr. 3. Sogar im Spülbecken unter Wasser fällt es mir schwer, das Loch zu finden. Winzig klein. Aber es genügt. Ich will einen geflickten Schlauch verwenden – denkste, Flick hält nicht. Also den zweitletzten neuen Ersatzschlauch und den Kaputten morgen flicken. Jetzt. Mag. Ich. Nicht. Ich habe genug.
Heute ist die Etappe lang. Über 160 Kilometer, über 1000 Höhenmeter. Und der Akku leert sich in absurd kurzer Zeit. Ich halte an, prüfe, ob alles in Ordnung ist, vielleicht ein Rad schwergängig ist (ist so) und merke: hinten hats zu wenig Luft. 20 psi statt >60. Ich kann nicht mehr. Bin fertig. Das ist mental wirklich hart. Ich weiss schlicht nicht mehr, was ich noch tun soll. Immerhin reagiere ich richtig: es hat noch Luft drin, also pumpe ich einfach auf. Und fahre weiter. Das Loch scheint wieder winzig zu sein (ich nehme an, der Flick hält mal wieder nicht…), also fahre ich weiter bis es so gross ist, dass die Luft schnell draussen ist. Denn in der Wildnis ohne Wasser sind winzige Löcher fast nicht zu finden. Und oh Wunder: mit wenig Nachpumpen hält der Schlauch gute 140 Kilometer! Mit knapp Luft und sehr knapp Akku erreiche ich mein Airbnb, das ich zum Glück für drei Nächte gebucht habe. Ich brauche Pause. Morgen geht es auf eine Tour, übermorgen bis jetzt kein Programm, aber es hat einen schönen Balkon, wo ich auch diese Zeilen schreibe. Bloss keinen Veloshop. Der nächste ist 130 Kilometer entfernt, ich werde ihn morgen kontaktieren. Glücklicherweise liegt er genau auf meinem Weg. Viel machen können die auch nicht. Aber vielleicht haben sie ja 33 Schläuche auf Lager. Und 22 Reparatursets. Das sollte bis Las Vegas reichen.
Erst fahre ich noch kurz zu einem möglichen Veloshop, der aber schon seit längerem geschlossen zu sein scheint. Wieder zurück. Nach einer Dusche will ich nochmals ins Zentrum fahren: platt. Ich pumpe auf, fahre zum Italiener, geht. Italiener fertig, Velo platt. Ich gehe zu Fuss zum nahegelegenen Supermarkt und pumpe nach den Einkäufen auf. Reicht bis nachhause. Die Tour morgen ist erst Mittags, jetzt habe ich Frühstück gekauft und etwas zu tun. Geht doch.
Es ist aber nicht nur das, was mich müde macht. Eigentlich wollte ich noch den Grand Canyon anschauen gehen. Und den Canyon de Chelly. Beides Umwege, beides kein Problem. Aber ich mag nicht mehr. Vor allem Grand Canyon. Canyons habe ich nun viele gesehen. Und dann: zusammen mit 2739 Autos, Trucks und Rvs von „hier ist es besonders schön“ zu „hier ist es besonders schön“ Stelle zu fahren, ich mag nicht mehr. Ja, es ist schön. Aber halt Overtourism. Trotz Nebensaison.
Ich will zurück in die Zivilisation. Ich will mir nicht auf schlechten Strassen weitere Platten holen. Im Nichts stranden. Ich mag nicht mehr. Und ich habe Lust auf Wald. Auf grün. Auf nicht Wüste. Yosemite ist zurzeit noch gutes Wetter. Aber wie lange noch? Und so geht es nun auf etwas direkterem Weg in Richtung Kalifornien. So der Plan. Auf dem Weg dahin liegen allerdings noch einige schöne Orte. Und sollten die Schläuche halten, wer weiss, vielleicht komme ich dann bereits wieder auf dumme Ideen wie ich doch noch Umwege machen könnte. Oder wenn der Veloshop 22 Ersatzschläuche auf Lager hat… 22. Das würde schon reichen, ich werde bescheiden.
Nachtrag: es war der Flicken, der kaputt war. Was nicht die schlechteste Lösung ist, das restliche Setup hat gehalten. Und beim Vorderschlauch war es wohl ein Dorn. Und ich habe noch einen neuen Ersatzschlauch – hoffe, der jetzige Flick hält (mehr Mühe kann ich mir nicht mehr geben…).