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Urteile – Wahlkampf

Das Beitragsbild lässt sich gut beurteilen. Die Foto ist unscharf – schlecht. Der Ausschnitt ist zufällig gewählt – schlecht. Die Pommes waren – schlecht. Mashed Potatoes gabs leider keine mehr. Der Spiess hat gut geschmeckt. Eine solche Beurteilung ist aber in vielen Bereichen des Lebens nicht so einfach. Und schon gar nicht, wenn es um die „grosse“ Politik oder Volkswirtschaft geht.

So ist im US Wahlkampf zur Zeit oft die Rede davon, dass die Inflation unter Trump niedriger gewesen sei als jetzt unter Biden. Dieses Urteil wird stimmen, wenn auch das Gefühl täuschen kann. Lässt sich aber auch empirisch untersuchen. Schwieriger wird es bei der Beurteilung, warum das so ist.

Massnahmen des US Präsidenten können unmittelbar wirken. Gerade im Bereich der Volkswirtschaft sind die Folgen von Massnahmen aber erst Monate, oftmals sogar Jahre später zu spüren. Die Ursachen von Inflation sind ausserordentlich komplex, eine Ursache war definitiv die Corona-Pandemie. Es ist aber äusserst schwierig zu beurteilen, ob die Politik Bidens die Inflation verschärft hat – oder die Inflation mit einer anderen Politik noch höher gewesen wäre. Vor allem aber könnten wesentliche Ursachen der Inflation noch unter Trumps Präsidentschaft gelegt worden sein. Ist Biden verantwortlich? Trump? Man weiss es nicht.

Ich möchte hier gar kein Urteil fällen, sondern nur den Grundgedanken festlegen. Gleichwohl mag das Beispiel nicht neutral sein, es leuchtet mir aber ein. Trump übernahm von Obama vermutlich ein recht gut funktionierendes wirtschaftliches Umfeld. Nach 4 Jahren Trump waren viele neue Probleme entstanden, die Biden nun angehen musste. War Trumps Politik also erfolglos? So einfach ist es eben auch nicht und Trump hat zum Beispiel in der Politik gegenüber China Dinge angestossen, die Biden nicht revidiert hat. Die Kontinuität der US Politik über die Jahrzehnte hinweg ist vermutlich viel grösser als viele annehmen. Es gibt ein paar Leuchtturmprojekte, aber ansonsten unterscheidet sich die Politik unter einem demokratischen und einem republikanischen Präsidenten viel weniger stark als es auf den ersten Blick erscheint.

Vor Kurzem gab es in der NZZ einen Lobartikel zu Jimmy Carter, der als einer der erfolglosesten Präsidenten der USA zählt. Stimmt der Inhalt des Artikels, dann würde das meine These hier bestätigen. Carter war durchaus erfolgreich, aber seine Massnahmen wirkten erst nach seiner Amtszeit. Und dazu kamen unfassbar unsaubere Machenschaften der Republikaner unter Reagan, das scheint sich kaum verändert zu haben.

Erstaunt an dem Artikel hat mich vor allem, dass Carter viele Deregulierungsmassnahmen getroffen hat. Unter seiner Präsidentschaft wurde der Staat immer stärker aus der Wirtschaft herausgehalten. Etwas, was man sonst mit Ronald Reagan in Verbindung bringt, dessen Deregulierungsmassnahmen übrigens verhältnismässig bescheiden waren. Carter hingegen hatte auf die Politik von Nixon und Ford zu reagieren und das Land quasi wieder aus dem Sumpf zu ziehen.

Ein anderes Beispiel. Migros ist in der Krise. Muss sparen. Immer wieder liest man dann, dass es ja klar sei. Wenn McKinsey ins Boot geholt werde, dann würde es ja immer schlechter. Diese Darstellung ist in der Regel schlicht falsch. McKinsey wird ja angefragt, wenn der Laden schon nicht mehr läuft. Und deren Massnahmen sind oftmals relativ alternativlos – respektive, man könnte auch andere Massnahmen treffen, aber alle müssen dem Ziel dienen, das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Mehr Einnahmen generieren und Ausgaben kürzen. Das Problem ist also entstanden, bevor McKinsey auf die Bühne tritt. Ob die Massnahmen dann die richtigen sind, das kann man diskutieren. Aber eine Unternehmensberatung ist nicht die Ursache der Probleme, sondern versucht Lösungen zu finden.

Derselbe Fehlschluss findet sich immer wieder in der Geschichte. Maggie Thatcher, die eiserne Lady von Grossbritannien schaffte es, Grossbritannien als „kranker Mann Europas“ wieder auf die Beine zu bringen. Gerhard Schröder gelang dies mit Deutschland um das Jahr 2000. Beide werden von vielen verteufelt, die Ursachen für die Massnahmen liegen aber vor der Amtszeit von Thatcher und Schröder. Vielleicht anschaulicher lässt sich dies am Beispiel Griechenland aufzeigen. Griechenland war 2010 faktisch bankrott. Nur durch die Hilfe der EU und anderer Gremien liess sich dieser verhindern. In einer solchen Situation gibt es im Grunde drei Möglichkeiten, die sich kombinieren lassen: jemand anders zahlt die Schuldzinsen, es wird gespart, es werden Mehreinnahmen geschaffen. Oder kurz: es gibt liberale Reformen. Für viele Griechen war das ein Schock. Zuvor war das Leben besser und jetzt kommen die bösen „Sparer“ und alles geht runter. Staatliche Leistungen werden gekürzt, Steuern erhöht oder neue Geldquellen erschlossen. Ursache dieser Massnahmen waren aber nicht die „Sparer“, sondern dass vor der Krise zu viel Geld ausgegeben und zu wenig Geld eingenommen wurde. Heute zeigen sich viele positive Aspekte dieser Politik und Griechenland steht bedeutend besser da, wegen der Reformen.

Es gibt viele solcher Beispiele gerade in Zusammenhang mit dem Sozialismus. Dieser ging um das Jahr 1990 bankrott, weil die Planwirtschaft schlicht zu ineffizient ist. Aus heutiger Sicht gibt es aber nicht wenige Menschen, die sich nach dieser Zeit zurücksehen, weil es mehr finanzielle Stabilität gab. Das Hauptproblem: es liess sich so oder so nicht mehr weiter finanzieren. Ein letztes Beispiel soll das aufzeigen.

Venezuela unter Hugo Chavez. Wurde Ende der 90er Jahre als der „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ gepriesen. Chavez verschenkte Geld an die Armen (nahm auch nicht wenig für sich selbst), die Wirtschaft wurde „gemolken“, um diese Goodies zu finanzieren. Dies ging solange gut als der Ölpreis hoch war. In etwa zur Zeit seines Todes und der Machtübernahme Maduros fiel der Ölpreis und war die Wirtschaft derart an die Wand gefahren, dass der totale wirtschaftliche Zusammenbruch kam. Rund ein Viertel der Venezolaner verliess das Land, wohlverstanden ohne Krieg. Sondern aus wirtschaftlicher Not. Wer war verantwortlich dafür? Ja, definitiv auch Nicolas Maduro, der die Politik von Hugo Chavez weiterführte. Aber eben auch Chavez, der bis heute von manchen hochgelobt wird. Chavez hat zwar die Armen stärker unterstützt als andere Präsidenten, zugleich aber die Grundlagen einer erfolgreichen Wirtschaft zerstört. Es war quasi ein Strohfeuer. Für viele Menschen ist Chavez aber weiter ein Held.

Bezogen auf die US Wahlen heisst das also, dass man vorsichtig sein sollte mit Urteilen. Ja, es stimmt zum Beispiel, dass die USA unter Trump an weniger Kriegen beteiligt waren als unter Biden. Warum das so ist, müsste man genau analysieren. Es könnte auch sein, dass die Saat verschiedener Konflikte unter Trump (oder sogar noch unter Obama) gelegt wurde. Oder von einem US Präsidenten und seiner Administration gar nicht so stark gelenkt werden können. Corona beispielsweise hat vieles verändert. Ein qualifiziertes Urteil zu fällen ist hier enorm schwierig.

Wo aber ein Urteil in meinen Augen möglich ist: sollte Trump die Wahl gewinnen, wird er versuchen, die Demokratie in den USA zu schädigen. Einen Rachefeldzug zu begehen. Und das erachte ich als ernsthafte Gefahr. Irrtum natürlich nicht ausgeschlossen.

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