Gut. Ich bin mir bewusst, dass dies nicht für jede Lebenslage zutreffen muss. Manchmal macht ohne auch mehr Spass als mit. Aber mit Dimpa macht das Reysen einfach mehr Spass. Dimpa, der Ikeatasche mit der exakt richtigen Grösse. Die man über das begehrte Ding stülpen kann, um so Unfälle zu vermeiden. Das Ding ist dadurch schliesslich zumindest ein wenig geschützt.
Und ja, mit Motor macht Velofahren definitiv mehr Spass als ohne. Muss ich leider nach ein paar Tagen analog eingestehen. Wiederum aber macht Reysen mit Velo ohne mehr Spass als ohne Velo mit. Und auch ohne Velo ohne.
Das grundlegende Problem war aber letztlich ein anderes. Mit viel Mühe und viel Liebe habe ich vor der Reyse einen Adapter erfunden und konstruiert, um eine Brompton Tasche an ein Tern Velo anbringen zu können. Ich habe schon mehrfach davon berichtet. Der Adapter ist wirklich super. Aber er bringt ohne Tern nicht wirklich viel. Und so bin ich am Samstag nach LA Downtown gefahren. Mit der Metro. Wo alle fünf Minuten Verhaltensmassregeln aus den Lautsprechern dröhnen, die dann garantiert ignoriert werden. Insbesondere Ghettoblaster sind verboten – und beliebt. Kümmert keinen. Naja, mich ein bisschen. Aber ich bin ja nur Gast. Und nur auf dem Weg ins nächste Velogeschäft.
Das ich betrete und wo ich mein Anliegen erörtere: „I have a Brompton Bag, but no Brompton. Maybe we can change this?“ Und keine 30 Minuten später bin ich stolzer Besitzer eines neuen Velos. Bro würde sagen: Kindervelo, aber weit gefehlt. Das ist richtig erwachsen, seit den 1970er Jahren wird es fast unverändert gebaut. Was seine Vorteile (Grösse, Faltmechanismus) und Nachteile hat (z.B. Schaltung, Bremsen). Vor allem aber hat es einen Adapter. Für eine Bromptontasche. Genial!
Mit dem Brompton möchte ich nun also wieder zurück in den Osten fahren. Und dazu ist es ideal geeignet. Überlandfahrten sind damit zwar kaum zu bewältigen, aber das ist auch gar nicht der Plan. Für Teil 1 war das Kindervelo vielleicht nicht die ideale Wahl, abgesehen von den Problemen mit dem Hinterrad war ich aber sehr zufrieden damit. Würde ich es womöglich wieder wählen. Für Teil 2 aber scheint das Brompton die richtige Wahl zu sein. Denn es ist winzig und passt – genau in eine Ikea Dimpa Tasche. Die ich heute gekauft habe. Und weil reysen mit so viel schöner ist als ohne habe ich gleich zwei davon gekauft.
Das Format entspricht in etwa der offiziell zugelassenen Gepäckgrösse von Greyhoundbussen und passt auch problemlos in ein Flugzeug. Und deshalb ist mein Plan, mein Gepäck von Bromptontasche + 70 Liter auf Bromptontasche + 22 Liter zu reduzieren. Denn so viel fasst mein neuer Rei-Rucksack. Den ich ebenfalls in der Dimpa-Tasche verstauen möchte. Um so problemlos durch die Lande ziehen zu können.
Vorerst ist das aber eh kein Thema. Zwei Zugfahrten habe ich heute gebucht. Und im Zug kann ich drei Taschen mitnehmen. Dimpa, Bromptontasche und halt noch eine. Zum Beispiel mit viel Popcorn. Marshmallows. Luftballonen. Aufgeblasen. Und wenn mit Helium muss ich sie nicht mal tragen.
Am Freitag soll es nach El Paso an die mexikanische Grenze gehen. 16 Stunden Fahrt über Nacht, Ankunft am Nachmittag. Tönt recht angenehm. Am Montag geht es dann weiter in einem wie ich verstanden habe privaten Schlafabteil nach Austin. Ebenfalls in Texas. Ankunft am Dienstag, 5. November. Ja. DEM Dienstag. Und da passt Austin in meinen Augen ganz gut, es ist wohl die boomende links-liberale (blaue) Stadt im momentan noch klar republikanischen (roten) Texas. Übrigens wie Nevada ein Staat, wo viele Menschen aus Kalifornien hinziehen, was für Wahlen einen grossen Einfluss haben kann. Kalifornien ist für manche inzwischen zu teuer, weshalb sie in umliegende Staaten ziehen. Texas lockt zudem mit einer wirtschaftsfreundlicheren Politik als Kalifornien, Nevada mit günstigen Preisen. Und ja, wer sein Haus in Kalifornien verkaufen kann, kann für einen Drittel des Preises etwas besseres in der Umgebung von Las Vegas kaufen – und den Rest für den Lebensunterhalt verwenden…
Und eben. Mit Velo in einer Stadt, das ist geil. Man kommt voran. Sieht so unendlich viel mehr. Und kann das Velo auch mal in die Ubahn mitnehmen. In einen Bus. In ein fahrerloses Taxi wie es gerade in diesem Moment an mir vorbeifährt. Gibt sie inzwischen in den meisten amerikanischen Grossstädten, wobei sie zum Beispiel in Las Vegas noch mit menschlichem Kontrolleur fahren. Und in Europa wird nicht nur das Internet tot reguliert (Cookie-Banner), sondern auch die KI, bevor sie überhaupt gestartet hat…
Ich schweife ab. Heute hat der zweite Teil irgendwie so richtig begonnen. Mit der Abfahrt aus Long Beach. Hab nicht mal eine Foto gemacht. Oder schon. Dieses hier. Naja.
In Long Beach hat Teil 1 geendet, in Long Beach hat Teil 2 gestartet. Jetzt sitze ich in einem Food Court in Downtown Los Angeles, es ist halb Neun und schon werden die Stühle auf die Tische gestellt. Noch vor einer Stunde war viel Action, Baseball, Dodgers. Sage mir einer, die Amerikaner seien doof, wie das in Europa gerne betont wird. Wer versteht wie Baseball funktioniert, der muss einiges drauf haben! Das Gejohle immerhin erinnert an die Südkurve. Leichte Heimatgefühle. Die ich heute auch in der Ikea hatte. Aber wie man sieht, vor der Rückkehr in die Heimat liegen noch viele Abenteuereyen!