Ja, wo denken Sie denn da hin, Mr. Waxy. Natürlich kehre ich zurück. Also gut. Pläne kann man auch umplanen. Aber schauen Sie nur die Beitragsfoto an: das ist meine heutige Zuflucht! Mein Übernachtungsort. Mein Platz für die nächsten drei Nächte. Eine Schule. Und dreimal dürfen Sie raten, warum ich genau dieses Airbnb gewählt habe! Drei Gründe! Gut gelegen, hübsch eingerichtet, günstig. Dummerweise in einem ehemaligen Schulgebäude gelegen, aber fühlt sich gar nicht mal so schlecht an. Würde mir durchaus gefallen. Also Schulgebäude sind gar nicht nur zwingend übel. Aber eben. Vielleicht, also Sie als gebildeter Mann und Lehrer, hätten Sie vielleicht gerade Lust mein Pensum zu übernehmen? So ein bisschen Geschichte, also ich bin mir ja sicher, da kennen Sie sich auch aus!
Nein, natürlich nicht. Alles im Lot. Heute bin ich in Dallas angekommen. Und vielleicht war es ja der leichte Regen und Nebel, aber die Stadt wirkt abweisend. Viele Strassen. Grosse Strassen. Sehr viele grosse Strassen. Mehrstöckig. Breit. Mehr wie ein Ort durch den man durchfährt ohne anzuhalten. Hätte Kennedy wohl besser auch getan.
Gestartet war ich heute morgen an der Flixbushaltestelle in Austin. Gut. Haltestelle ist, nein. Er hält ja. Also Haltestelle. Passt schon. Aber mehr ist da nicht. Immerhin ein paar Betonblöcke, wo man sich draufsetzen kann. Fast gemütlich. Sollte einfach nicht regnen. Oder grad Mittagsonne scheinen. Vielleicht haben sie ja den Fahrplan danach angepasst – es gibt jedenfalls kein schützendes Dach in der Umgebung. Oder irgendwelche weitere Infrastruktur.
Laut App hat der Bus 15 Minuten Verspätung, also kein Problem. Verspätet pünktlich fährt ein Bus ein und hält direkt an der Haltestelle. Wenig erstaunlich. Das ganze Volk beginnt sich zu bewegen. Der Vorderste in der Reihe platziert sein Gepäck im Bus, doch dann wird er vom Busfahrer dazu bewegt, es wieder rauszunehmen. Irgendwas wird rumgetuschelt und plötzlich telefonieren mehrere Leute, die das Getuschel mitgekriegt haben. Ist offensichtlich der falsche Bus. Angeschrieben sind sie genauso wenig wie die kostenpflichtig reservierbaren Sitzplätze. Was etwas mühsam ist. Die Unruhe legt sich zum Glück wenige Minuten später als ein weiterer grüner Bus abbiegt.
Eigentlich wollte ich all mein Gepäck in der Dimpa- und der Bromptontasche unterbringen. Die North Face Tasche sollte wegkommen. Wäre theoretisch möglich. Aber mühsam. Alternative sind jeweils 20 Dollars Zusatzpreis (nur Bus) für ein zusätzliches Gepäckstück. Wobei ich allmählich das Gefühl habe, dass das eh niemanden kümmert, ob man ein oder zwei Gepäckstücke hat. Ist alles relativ, naja, klassisch südeuropäisch organisiert. Würd ich mal sagen.
Die Busfahrt selbst verläuft ruhig. Schnell wird allerdings klar, warum der Bus Verspätung hat. Vor der Abfahrt erklärt die Busfahrerin gefühlte fünf Minuten, wo wir hinfahren, wie die einzelnen Haltestellen aussehen, neben welchen Läden sie sich befinden und noch vieles mehr. Immerhin die Hälfte kriege ich mit, da ich in Reihe Sieben sitze. Weiter hinten hört man garantiert kein Wort. Was letztlich auch wieder egal ist, da sie nichts von Bedeutung sagt. Nach einer guten Stunde gibt es eine 15 Minuten Pause. Wo im Bus von Las Vegas nach Los Angeles fünfmal betont wurde, dass der Bus exakt um 3 weiterfährt, im Amtrak dasselbe mit der Ergänzung, dass der nächste Zug erst in zwei Tagen fahre, fragt sie, ob noch jemand fehle. Natürlich werden die an diesem Ort Ausgestiegenen vermisst, also nochmals zurück, das ganze Gelände absuchen, ne, sind alle da. Aber ich habe ja Zeit.
In Dallas angekommen regnet es ein wenig. Und ich habe keinen Bock mit allem Gepäck die vier Kilometer zur Schule zurückzulegen. Also fahre ich zur Tramstation. Wo Austin lebte, ist hier alles seltsam. Vielleicht wegen des Regens. Aber ich glaube es ist einfach eine ganz andere Stadt. Ich fühle mich erstmals etwas unsicher, achte genauer, ob noch all meine Habseligkeiten vorhanden sind. Ich will ein Ticket kaufen, der erste Automat verweigert alle meine Noten, der zweite hat kein Rückgeld. Am Ende klappt es aber und ich steige ins nächste Tram ein.
Dort sehe ich etwas irritiert diese Schilder. Es ist verboten Zuckerstücke (Hinweis auf LSD?) auf den Boden fallen zu lassen und man darf keine Benzinkanister anzünden. Muss ja ziemlich krass zu und hergehen hier.
Immerhin gibt es in jedem Wagen einen Safe Place. Wenn also etwas passiert, dann kann man einfach ins Führerhaus flüchten und ist sicher. Allmählich fühle ich mich etwas wohler. Im Schulhaus angekommen und nach der Eingabe von diversen Zahlencodes (ist alles abgesperrt als ob es hier, Mann, ich bin doch in Texas und nicht in Detroit) betrete ich meine kleine Wohnung. Gemütlich. Gehe nochmals raus, um einzukaufen. Zurück schaue ich etwas Youtubevideos. Eines wird mir vorgeschlagen: Dallas is unbikeable. Soll Platz 50 von 50 belegen in Bezug auf Velofreundlichkeit. Ich bin ja gespannt. Immerhin eine Bikespur habe ich gefunden. Vorbild für Zürich, wo ja inzwischen auch Velowege grün bemalt werden. Eine Farbe, die in Dallas wohl eher selten gefunden werden kann. Ob es am Wetter liegt werde ich morgen herausfinden. Dann soll wieder bestes Herbstwetter herrschen und werde ich die Stadt erst richtig erkunden.
Nachtrag: Ich wasche ab. Das Wasser fliesst es nicht. Ich greife in den gut zugänglichen Abfluss und finde ein halbes Ei. Alt. Das immerhin nicht stinkt. Ein Ohrwattestäbchen. Und mir ist klar: ich befinde mich in einer Schule, wo Schüler die Lehrer sabotieren. Dumme Streiche. Aus Langeweile. Aus Bosheit. Ich weiss es nicht.