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Tag 114 Dallas und Gedanken zur Wahl

Ach ach ach. Herr Spaghettischuh ist an mich gelangt. Hat sich beschwert. Beschwert hat er sich. Das denke man sich mal aus. Schreibt einen Kommentar und dann hat er Erwartungen. Als ob ich sein Diener wäre. Seine Fragen ausführlich und ausgiebig beantworten müsse. Mannmannmann. Aber natürlich hat er schon auch ein bisschen Recht. Ich hab mich um die Antwort gedrückt. Als ob das nicht erlaubt wäre. Machen doch alle so. Gerade auch Lehrer. Gerade. So Schülerfrage und dann eine Antwort, dass der glaubt, das sei die Antwort. Dabei fast pure Rhetorik. Also ehrlich.

Was würde ich ändern. So im Unterricht. Oder vielleicht auch sonst in meinem Leben. Irgendsowas war die Frage. Und natürlich klar, ich würde nicht immer so klar hinschauen. So Hinweis auf das Beitragsbild. The eye ist eine der Hauptattraktionen dieser Stadt Dallas, die mir weiterhin fremd bleibt. Eigentlich mag ich das Kunstwerk. Wirklich gut gemacht. Aber leider hinter Gittern.

Kam wohl günstiger als ein Wachmann. Oder zwei. Und so, naja, ist die Wirkung dann doch nicht so toll. Ansonsten gibt es in Dallas wenig zu sehen. Oder ich habe es noch nicht gefunden. Die Stadt ist gross, es hat zig Wolkenkratzer, aber am Boden kaum Geschäfte. Essen wohl alle was aus der Tupperware. Oder fahren ins Szeneviertel, das aber auch nicht wirklich lebt. Der Kontrast zu Austin ist gewaltig. In Dallas gibt es den Katy Trail. Das ist eine ehemalige Eisenbahnlinie, die zu einem Trail umgewandelt wurde. Ganz nett, aber am Samstag unfassbar überlaufen. Jogger, Fussgänger, Hündeler und Velofahrer. Für mich ein Hinweis darauf, dass die Nachfrage grösser als das Angebot ist. Will man sich bewegen, gibt es wenige Alternativen dazu.

In Austin gibt es viele grosse und offene Parklandschaften, einen Trail entlang des Flusses, eine richtig grosse Kulturszene, viele Restaurants und noch mehr Foodtrucks. Die vor allem abends geöffnet sind. Dallas ist etwas grösser als Austin von den Einwohnerzahlen her, wirkt in gewisser Hinsicht auch klar grösser, dann aber auch wieder nicht. Austin hat sich einen Kleinstadtflair erhalten, es gibt verschiedene Strassen, die zum Verweilen einladen. Und eine schöne Uferzone, viele Parks. Im Zentrum. In Dallas nur das schon erwähnte Szeneviertel, die Innenstadt selbst will eher gleich wieder verlassen werden. Gibt wenige Gründe, da zu bleiben.

Bike Route im Zentrum von Dallas. Einfach ohne Bike Route. Dafür ist das Fahren auf dem Trottoir grundsätzlich untersagt.

Ich bin heute über 40 Kilometer Velo gefahren, das Umland (immer noch mitten in der Stadt…) hat schon auch schöne Ecken. Es hat mir aber auch erlaubt, den Fahrtwind mein Hirn zu durchwirbeln. Und ich habe mir doch nochmals ein paar Gedanken zur zurückliegenden Wahl gemacht.

Trump steht für die Abgrenzung, für einen Isolationismus, den ich in dieser Form klar ablehne. Stichworte sind Zölle und Mauerbau. Er hat in seiner ersten Amtszeit gezeigt, dass er diese Themen anpackt, ob mit Erfolg ist eine andere Frage. Aber eine Mehrheit der Amerikaner traut ihm in diesem Bereich, der eines der bestimmenden Themen im Wahlkampf war, Erfolge zu. Das andere Hauptthema war die Wirtschaft. Ich habe schon mehrfach erwähnt, dass ich davon ausgehe, dass die gute Wirtschaftslage zur Zeit von Trumps Präsidentschaft eher auf Obama zurückgeht und die schlechte unter Biden auf Trump. Gerade die Inflation. Im schlimmsten Fall wird Trump aber wieder davon profitieren, dass die Wirtschaft unter Biden gestärkt wurde. Wobei das explizit eine These ist und ich mir nicht sicher bin, ob Bidenomics wirklich der Weisheit letzter Schluss gewesen ist.

Wie auch immer. Migration war ein Thema. Bei dem Trump eine härtere Hand zugetraut wird als Harris. Die gerade in diesem Bereich zumindest den Berichten in Medien nach nicht brilliert hat. Vorsichtig formuliert. Und das andere grosse Thema war Wirtschaft. Im Bereich der Wirtschaft blieb Harris relativ vage, wobei sie vielleicht auch konkretere Ideen hatte, die in der kurzen Zeit ihres Wahlkampfs den Fox-News-Schauenden-Wechselwählern verwehrt geblieben sind. Trump hatte aber hier noch einen Trumpf aus dem Ärmel gezaubert, der womöglich wahlentscheidend gewesen ist. Wahlentscheidend insofern als nur gut 50’000 Menschen Harris statt Trump hätten wählen müssen und sie hätte im Idealfall gewinnen können. Es war schon knapp. (Zahlen sind nicht selber nachgerechnet, Grössenordnung stimmt bestimmt).

Und dieser Trumpf war – Elon Musk. Reichster Mann der Welt, ein Mann, der in wirtschaftlicher Hinsicht unfassbar erfolgreich gewesen ist – und wohl weiterhin ist. Tesla scheint nicht mehr ganz so gut dazustehen, aber es gibt ja inzwischen noch weitere Bereiche, wo er weltweit führenden Unternehmen vorsteht. Und er ist im Moment grad Trumps bester Buddy… In Augen vieler Linken die Verkörperung des Bösen, aber halt wirtschaftlich erfolgreich.

Wirtschaft und Migration. Die zwei wohl beherrschenden Themen dieses Wahlkampfs. Und bei diesen Themen stehen Trump und Musk in den Augen von Trumps Wählern sehr gut da. Sehr gut. Sehr sehr gut. Hervorragend. Harris hingegen versuchte fast ausschliesslich mit dem Thema Abtreibung zu punkten, das offensichtlich nicht Toppriorität der Wähler war. Wohl aus dem einfachen Grund, dass Abtreibung gerade nach dem Urteil des Supreme Court auf bundesstaatlicher Ebene organisiert wird. Abtreibung wurde nicht verboten, sondern es wird neu grundsätzlich auf bundesstaatlicher Ebene geregelt. In Kansas, einem konservativen Staat wird es strengere Regeln geben als in Oregon, einem sehr progressiven Staat. Auf die nationalen Wahlen hatte das wohl kaum einen Einfluss, da eben in Kansas eh republikanisch gewählt wird und die meisten Menschen (auch Frauen) vor allem aus religiösen Gründen gegen Abtreibung sind. Also keine Veränderung wünschen. Und genau umgekehrt in Oregon. Klar, Frauen in Kansas hätten jetzt für Harris stimmen können. Hätte aber wohl nichts genutzt, weil Kansas eh republikanisch ist. Aber es hätte in den Swing States klappen können. Hat aber nicht geklappt. Weil in den Swing States halt auch beim Thema Abtreibung Kompromisse vorherrschen, so meine These (ohne sie nachgeprüft zu haben). In Kansas sind auch die Frauen gegen Abtreibung, in Oregon die Männer dafür, in den Swing States gibts halt einen Kompromiss. Fristenlösung. Womit progressive wie konservative Frauen leben können. Damit entscheidet man keine bundesweite Wahl.

Ich hatte mich einige Wochen vor der Wahl dazu verleiten lassen, einen klaren Sieg von Harris zu erwarten. Das war im Moment des „Hypes“. Mein Argument war, dass wohl kaum Menschen, die Biden wählten Harris ihre Stimme verweigerten (v.a. um Trump zu verhindern), aber Harris neue Wählerschichten anspricht. Das Argument hat nicht funktioniert. Nicht Trump hat die Wahl gewonnen (er hat weniger Stimmen geholt als 2020), sondern Harris hat die Wahl verloren. Sie hat deutlich weniger Stimmen gemacht als Biden und fast alle Swing States verloren. Dies war allerdings nicht eine wirklich grosse Überraschung. So habe ich an Tag 108, zwei Tage vor der Wahl, geschrieben: „Und ich glaube, dass das ein Grund dafür ist, dass das Rennen doch wieder knapp wird. Im Moment mit Vorteil für Trump. Trotz der Swifties. Eine Mehrheit der Amerikaner mag Trump nicht. Aber eine Mehrheit der Amerikaner mag Harris erst recht nicht. Weil sie zu sehr zum „woken“ Amerika gezählt wird, zu einem Amerika, das in deren Augen die Schwerpunkte falsch setzt und einem das Leben schwer macht.“

Schwerpunkte falsch setzt, ja. Siehe oben. Woke Identitätspolitik hat Harris definitiv auch nicht geholfen, sondern war vielleicht noch der letzte Rest, um die Niederlage einzuleiten. Kürzlich gab es in der NZZ einen Artikel, wo Schwarze gefragt wurden, warum sie Trump trotz seiner rassistischen Sprüche gewählt hätten. Ich zitiere ein Beispiel: „«Es hat mich zunehmend genervt», sagt sie, «dass Leute wie ich, die finden, man müsse wissen, wer die Grenze überquere, von den Medien als Rassisten dargestellt werden. Oder als rechte Extremistin, weil ich nicht will, dass die Kinder schon in der ersten Klasse mit sexuell explizitem Material konfrontiert werden.» Man müsse jemanden nicht mögen, um ihn zu wählen, sagt sie. Entscheidend sei seine Politik, und hier habe Trump zum Beispiel mit dem Platinum Plan zur Förderung der afroamerikanischen Ökonomie viel Konkretes getan.“ (nzz.ch, David Signer, 7.11.2024). Eine Schwarze, die sich darüber beschwert als Rassistin bezeichnet zu werden, weil sie gegen illegale Einwanderung ist. Das zeigt das Problem der woken Ideenwelt sehr schön auf. Wer nicht meiner Meinung ist … Damit gewinnt man keine nationalen Wahlen. Harris wie viele Demokraten stehen vielleicht nicht komplett hinter dieser Ideologie, distanzieren sich aber auch nicht explizit davon und kokettieren immer wieder damit. Würde Harris Deutsch schreiben, würde sie wohl den Genderstern verwenden…

Nein, der Sieg von Trump kam nicht überraschend. Angst vor einem Ende der Demokratie ist hier in den USA definitiv nicht vorherrschend. Und man darf nicht vergessen, dass Politiker in den USA vor allem ihren Wählern verbunden sind, viel mehr als das in Europa üblich ist. Und ich hege immer noch die Hoffnung, dass deshalb nicht einfach alles durchgewunken werden wird. Gleichwohl macht mir die Machtballung in den USA grosse Sorgen. Die Gewaltenteilung funktioniert in diesem Land in einem heiklen Zeitpunkt nicht mehr wirklich. Und ich kann nur hoffen, dass es dennoch genügend Mechanismen gibt, um das Land – und die Welt – vor dem Schlimmsten zu bewahren. Ich bin nicht optimistisch. Aber optimistisch pessimistisch.

So, Herr Gnocchistiefel, also noch ausführlicher kann ich Ihre Antwort wirklich nicht beantworten! Und hoffe, Ihnen damit Genüge getan zu haben. Mit freundlichen Grüssen, ihr Reyman.

Nachtrag: Ui nei, hab gerade gemerkt, dass ich Herrn Reisadilette mit Herrn Waxy verwechselt habe. Ist mir natürlich peinlich, werde wohl darauf zurückkommen müssen!

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