Zug fahren ist vielerorts ein kleines Abenteuer. Am Speziellsten war es für mich bislang in Bosnien Herzegowina. Viel ineffizienter ist es nicht mehr möglich. Auch in den USA ist das System eigenartig. Es hat sich irgendwie entwickelt, funktioniert und da es keine direkte Konkurrenz gibt, wird es beibehalten.
Vor der Abfahrt des Zuges kommt der Schaffner auf dem Bahnsteig vorbei, um die Tickets zu checken. So weit so gut. Dann sagt er einem, in welchen Wagen man einsteigen soll. Fahren in der Regel alle an alle Stationen. Aber irgendwie werden die aufgeteilt. Je nach Destination sitzen Leute im gleichen Wagen. Vielleicht ist das Ordnungssystem aber auch ein anderes. Im Zug wird man dann nochmals nach der Destination gefragt und es wird ein farbiger Zettel über dem Sitz aufgehängt.
Diese Person, respektive offensichtlich diese zwei Personen fahren zum Beispiel nach New Orleans. Sitzen neben mir, der nach Jackson fährt. Endhaltestelle ist New Orleans, Jackson eine der nächsten Stationen. Wie auch immer, der Sinn des kleinen Zettels ist es, dass die Schaffner wissen, wer wann raus muss. Vor allem ein Vorteil, um Leute in der Nacht zu wecken. Vielleicht ja gar kein so schlechtes System, einfach, aber funktioniert.
Nervig sind die ewigen Durchsagen mit allen Verhaltensregeln, die sich hinziehen können. Alles doppelt und dreifach erwähnt, weil es so wichtig ist und dann ja doch niemand zugehört hat. Zudem die meist witzig gemeinten Durchsagen der Cafe/Bar, die nach dem zweiten Mal vor allem nerven, wenn sie auch vermutlich ihren Zweck erfüllen.
Die Sitze sind aber bequem, es gibt in der Regel mehr als genügend Platz, die Züge waren bislang meist ziemlich pünktlich, es hat die erwähnte Bar, einen wirklich attraktiven Loungecar (Panoramawagen) und die Aussicht ist oft phänomenal – die Vorzüge gegenüber den Bussen sind gewaltig. Bloss, dass es nur relativ wenige Zugstrecken gibt und die Züge selten öfter als ein Mal täglich fahren, von Kalifornien nach Texas gehts zum Beispiel drei Mal die Woche, wenn ich mich richtig erinnere.
Jackson ist die Hauptstadt des Bundesstaates Mississippi. Hat ein schönes Capitol, wunderbare Museen, sieht auf den ersten Blick ganz OK aus. Soll aber gemäss Guardian die gefährlichste Stadt Amerikas sein: „Jackson isn’t just Mississippi’s capital. It’s America’s murder capital“. Das wiederum erstaunt mich fast so sehr wie dass hier eine Hochzeit gefeiert wird. Denn das bedeutet immerhin, dass es mehr als einen Menschen in dieser Stadt gibt. Also mich.
Ich suche nach dem Zentrum und finde – nichts. Greenwood hat die Main Street. Nur wenige hundert Meter lang, aber immerhin. Dazu viele Seitenstrassen und dann die Neustadt. Jackson ist leer. Auf Google Maps sind die meisten Restaurants geschlossen. Am Wochenende. Was vielleicht eine Erklärung ist: nach Jackson geht man nur, um zu arbeiten. Es gibt praktisch keine Läden, nur wenige Restaurants und auch sonst nichts, was ein Grund wäre, hierherzukommen. Keine Parks. Nur – die schon erwähnten Museen.
OK, ich bin unfair. Ich bin in einem super gemütlichen Hotel, wunderbares Zimmer, wirklich toll. Hier findet auch die Hochzeit statt. Auf einem kleinen Hochhaus in der Nähe findet wohl die Feier statt mit lauter Musik. Etwas weiter entfernt war der Kick-Off Event für das Folkfestival 2025-2027, das in Jackson stattfinden soll. Von 4 bis halb 8. Dann müssen die Zuschauer zurück ins Altersheim. Und gleich daneben gibt es das Martins. Ein Restaurant mit absolut phänomenalem Essen. Hab heute sowohl zum Mittag als auch zum Abendessen ihr Gumbo genossen. Eine Südstaatenspeise zum Schreien. Und doch: auch wenn ich etwas übertrieben habe, ich glaube ich habe noch nie eine derart leere Stadt gesehen wie Jackson, Mississippi. Das wird morgen wohl ganz anders, denn da sollte ich nach Plan meinen nächsten „must-do“ Stopp erreichen: New Orleans.