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Tag 129 This City Eats People Alive

Wir erreichen Birmingham. In Tuscaloosa, der letzten Station vor Birmingham hatten wir rund 30 Minuten Verspätung. Ankunft in Birmingham: 30 Minuten verfrüht. Amtrak ist mysteriös. Das Detraining ist ein bisschen mühsam. Muss ja der ganze Wagen raus. Ohne Ausnahme und alle Plätze sind besetzt. Und weil es der vorderste Wagen ist gibt es nur eine schmale Tür mit vielen Stufen. Das dauert.

Der Weg zu meiner Unterkunft ist nur kurz. Kein Kilometer. Bevor ich aber die Tür öffnen kann, muss ich noch die 2FA Autorisierung machen. Klappt dann ganz einfach. Ich halte das Handy an den Türöffner, nichts passiert. Gut. Bin auch nicht wirklich erstaunt. Denn irgendwie wirkt es auch nicht wie die richtige Tür. Ich gehe auf die andere Seite des Gebäudes, es klickt, aber öffnet nicht. Mühsam. Zur Sicherheit überprüfe ich nochmals die Adresse. Falsches Gebäude. Danach klappt alles bestens.

Ich gehe einkaufen, Pasta mit Salsa, Salat und Grissini als Brotersatz. Die Verkäuferin fragt mich irgendwas, ist mir immer peinlich, weil ich es in der Regel nicht auf Anhieb verstehe, dann nochmals, are you cooking dinner tonight. Oder so. Typisch amerikanisch. Schon auch ein Gesprächsöffner. Der mich jeweils überfordert. Ähm, ja. Und was sag ich jetzt noch, um das Gespräch am Leben zu erhalten? Aber folgt ja schon der nächste Kunde. Ich packe meine Waren an der Nebenkasse ein, ein Verkäufer kommt vorbei, are you having a nice evening? Nette Leute hier.

Ich fahre die wenigen hundert Meter vom Geschäft zu meiner Unterkunft. Und denke mir, was für eine ruhige Stadt. Angenehm. Ich vergleiche sie im Kopf mit Jackson. Der ausgestorbenen Stadt nach 17 Uhr. Stadt mit der höchsten Mordrate der USA. In Birmingham hat es schon Leute, aber es läuft nicht viel. Irgendwie angenehm. Vielleicht erst recht nach einer Woche New Orleans. Relaxing. Keine komischen oder armen Geschöpfe, wenige Geschäfte, aber doch etwas los. Es hat einige Wolkenkratzer, wirkt aber eher wie eine verschlafene Kleinstadt. Gute Mischung.

Im wirklich modern und zugleich funktional wie attraktiv eingerichteten Zimmer gönne ich mir etwas Youtube. Vorgeschlagen wird mir ein Video mit diesem Titel: „This City Eats People Alive: The Most Dangerous Place in Alabama, America: The Dirty South“. Ich lese nur den ersten Teil, denke an Papua Neuguinea. Oder so. Kannibalen. Ich klicke drauf und höre nach kurzer Zeit den Namen Birmingham. Verdammt. Jackson, New Orleans, nun Birmingham, wieviele gefährlichste Städte gibt es denn noch hier? Die auf mich allesamt extrem harmlos wirken? Meine These: passiert alles in den Suburbs. Dann kommt im Video eine Szene aus den News, 12 Menschen getötet und ich sehe das Schild „20th Street“. Da bin ich grad. Ecke Magnolia Avenue. Das ist 1 Kilometer von hier. Und doch, die Chance, dass etwas passiert bleibt klein. Werde einfach die Wohnung nicht mehr verlassen, bis…

Nein, natürlich schon. Auch wenn der geplante Museumsbesuch wegen Thanksgiving Woche ins Wasser fällt. Soll aber nen schönen Fotospot haben, bin mal gespannt. Denn heute habe ich keine Fotos gemacht, deshalb auch das Bild von Gestern aus dem Ozeanium. Quallen. Entspannend. Denn möglicherweise schon in zwei Wochen will ich in wirklich gefährliche Gebiete aufbrechen. Mit dem Flugzeug nach, oh, ist grad Zeit für die Tagesschau. Fortsetzung folgt.

Nachtrag: Hans war es also. Der das Sofa geklaut hat. Immerhin ein Rätsel gelöst. In Memphis habe ich die letzte Nacht auf einem anderen Sofa verbracht. Der Typ direkt auf der anderen Seite der Kartonwand hörte bis morgens früh laut Musik. Zu klopfen traute ich mich nicht. Da hätte meine Hand wie die Pfoten des Hundes von obendrüber wohl die Wand einfach durchstossen. Also zügle ich aufs Sofa, wo es leiser ist. Aber natürlich geht es mehr um den Trauerprozess. Wenn mein Sofa schon weg ist, hier immerhin habe ich noch eins! Und jetzt das. Hans wars. Achachach. Will es nach Nepal verkaufen. Oder so. Unfassbar.

Nachtrag 2: apropos gefährliche Neighbourhoods, die meist von Schwarzen bewohnt werden. In der NZZ war letzthin ein Artikel dazu, warum viele Schwarze Trump trotz seiner rassistischen Sprüche gewählt haben (ich habe ihn schon einmal erwähnt, David Signer finde ich genial). Zitat: „«Seit 1964 haben die Schwarzen für die Demokraten gestimmt», sagt er. Gebracht habe es ihnen ausser schönen Worten nicht viel. Man müsse die ganze Fixierung auf Rassismus, Diskriminierung und Opferstatus hinter sich lassen, wenn man es zu etwas bringen wolle, sagt er.“ David Signer, 7.11.2024, Trump-Wahl: warum so viele Afroamerikaner republikanisch stimmten. NZZ.

Ich ergänze hier noch ein dazu passendes Argument. In Zusammenhang mit der „Black lives matter“ Kampagne wurde ein „defund the police“ gefordert, mit der Demokraten in Verbindung gebracht werden. Man müsse die Polizei entmachten, um (rassistische) Übergriffe auf Schwarze zu verhindern. Das kam vermutlich bei vielen Schwarzen gar nicht gut an. Weil nämlich gerade fehlende Polizeipräsenz als eine Ursache für die schlechte Sicherheitslage verantwortlich gemacht wird. In Jackson wurde deshalb die Polizei umorganisiert, um auch in „schwierigen“ Vierteln mehr Präsenz zu zeigen (wobei es grosse Zweifel an der Effektivität gibt). Auch wenn Schwarze überdurchschnittlich häufig Opfer von Polizeikontrollen und -übergriffen sind, so wären zugleich vor allem viele Schwarze in armen Vierteln froh, wenn die Polizei mehr Präsenz zeigen und die Kontrolle über diese Gebiete zurückerobern würde. Denn gerade sie leiden ja unter der Kriminalität. Harris steht in diesem Zusammenhang (auch wenn sie es selber nicht aktiv vertreten sollte) für „defund the police“, Trump für die harte Hand. Ja, er macht blöde und rassistische Sprüche. Aber er will nicht die Polizei abschaffen und Zustände wie an der Westküste schaffen.

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2 Gedanken zu „Tag 129 This City Eats People Alive“

  1. Lieber Herr S.

    Wegen Verstoss gegen das Strafgesetz (Art. 1-249) müssen wir Ihre beiden Säulen leider abreissen.

    Gegen diesen Beschluss kann schriftlich Beschwerde via info@b…. eingelegt werden.

    Mit freundlichen Grüssen
    Kanton Zürich

    1. Sehr geehrte*r Kanton Zürich

      Ich habe den Beschluss zur Kenntnis genommen. Allerdings: Kenntnisnahme ist nicht gleich Zustimmung!

      Dann sprechen Sie in Rätseln: Um weche Säulen handelt es sicch? Sind die Säulen Teil meiner Identität oder sind die Säulen mir zugeschrieben worden! Anders formuliert: Bin ich die beiden Säzlen oder habe ich die beiden Säulen?

      Abgesehen davon: Dem Beschluss fehlt eine Rechtsmittelbelehrung.

      Ich danke für die Kenntnisnahme
      Herr S.

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