Zum Inhalt springen

Tag 139 Im Bus

Der Bus ist verschwunden. Soeben war er noch da. Nur mit einem Problem. Statt hier war er noch dort. In der falschen Stadt. Gemäss Greyhound. Ein roter Punkt in Tampa. 13:25. Schon vorher und auch noch etwas nachher und dann: weg. Dafür steht nun 14:40. Verspätung. Und dabei ist es jetzt 13:25 und um 13:25 hätte der Bus hier sein sollen. Um 13:24 war er noch in Tampa, jetzt ist er weg. Verschwunden. Ausradiert. Und soll in einer guten Stunde hier auftauchen. St. Petersburg. Ich weiss nicht.

Gut, Verspätung alleine würde mich nicht weiter kümmern. Aber, dass die App meldet: „Status not available“ bringt meine Fantasie in Gang. Nein. Nicht von Ausserirdischen entführt. Aber sieht nach einer Panne aus. Das Fahrzeug bewegt sich nicht mehr. Ich checke den Status alle paar Minuten – keine Veränderung. Obwohl ich das Velo diesmal zusammen mit dem Rucksack in der Ikeatasche verpacken konnte (was sehr umständlich ist), packe ich es nochmals aus und fahre an einen schöneren Ort. Um 14:30 bin ich wieder bei der Bushaltestelle, kein Signal, kein Bus. Auch nicht um 14:40, um 14:50. Also bereite ich mich vor für den 15:30 Uhr Bus. Der fährt dummerweise in die falsche Richtung, mit Umsteigen aber doch nach Miami. Ich packe das Velo wieder ein, der Reissverschluss geht dabei teilweise in die Brüche, zum Glück habe ich zwei Taschen dabei.

Kurz vor halb Vier biegt der Bus ein, der Busfahrer weiss auch nicht viel mehr, dafür ist unser Bus nun hier. Gemäss Greyhound. App. Roter Punkt in St. Petersburg. Leider der falsche Punkt. Der Bus, der nun hier steht fährt nach Tampa. Kommt nicht von dort wie es mein Bus tun sollte.

Ich überlege mir, ob ich den Umweg nehmen soll. Von Tampa gibt es einen anderen Bus nach Miami. 1 Stunde Wartezeit, müsste reichen. Aber so wirklich wichtig ist es nicht. Im schlimmsten Fall muss ich halt nochmals hier übernachten, zahle ich nochmals eine Nacht doppelt. Und es gibt neue Infos von der Zentrale, es scheint, als ob der Bus wieder am Auftauchen ist. Der rote Punkt in der App. Ist jetzt wieder in Tampa. Aber ein paar hundert Meter verschoben. Nun in der offiziellen Bushaltestelle. Dann dauerts wohl noch rund 45 Minuten. Im Minimum. Der falsche Bus fährt ab, wir warten. Vielleicht zehn Minuten später fährt völlig unvermittelt und unerwartet der richtige Bus ein. Schön. 

Meine Spekulationen waren wohl mal wieder falsch, kein Breakdown, sondern Stau oder so, denn nach Fort Myers verschwindet der rote Punkt wieder. Halt einfach ein technisches Problem. Nicht am Bus, sondern am GPS Empfänger. Oder so. Lustig einfach, dass auch die Zentrale zwischendurch den Bus nicht mehr finden konnte. Ist das Signal abgeschaltet, ist er im Stealth-Modus.

Immerhin, es geht nun in die richtige Richtung, 2-3 Stunden Verspätung, nicht weiter tragisch für mich. Und wir sind ja in den USA, wo der Busfahrer Überstunden machen darf, in Deutschland müsste er wohl 37 Kilometer vor Miami eine Zwangspause machen (7 Stunden und 33 Minuten), weil seine Fahrtzeit sonst überschritten würde. Schwierig. Und genau das Thema, das wir auch schon hatten: wie viele staatliche Regeln sind notwendig, sinnvoll, hilfreich.

Noch einige Gedanken zu bros Post (Herr Snippdippy soll das bitte überspringen und direkt zum letzten Absatz gehen)

Ich habe in anderen Posts vielleicht etwas zu radikalliberale Ideen propagiert. Letztlich bin ich aber absoluter Anhänger des Ambiguitätsdingsbums. Weniger Staat führt tendenziell zu mehr Wirtschaftswachstum, dafür zu mehr Ungleichheit, mehr Staat hemmt tendenziell das Wirtschaftswachstum, kann aber, wenn gut gemacht, zu mehr Gleichheit führen. Das Problem, das auch bro in seinem Kommentar anspricht: wir haben heute viel Staat (um die 50 Prozent Staatsquote) und doch in vielen Ländern eine grosse Ungleichheit. Übrigens soll das viel gelobte Schweden bei der Vermögensungleichheit an der Spitze stehen in Europa. Gibt sicher ne gute Erklärung dafür, ist aber doch spannend und wie kürzlich in der NZZ zu lesen war geht die Kriminalität gerade durch die Decke. Ich erwähne das, weil gerne Schweden als das grosse sozialdemokratische Vorbild zitiert wird. Nein, auch da gibt es kein Paradies, auch wenn die Schweden sicher vieles richtig machen.

Und ja, skandinavische Staaten funktionieren mit einer hohen Staatsquote besser als beispielsweise Griechenland oder Argentinien. Dies hat vermutlich mit einem unterschiedlichen Staatsverständnis zu tun. In den skandinavischen Ländern herrscht nicht die Vorstellung vor, dass der Staat die Gelder (grossenteils) verschwendet, sondern, dass Steuern eine gute Investition sind. Und Menschen nutzen den Staat in der Regel nicht aus, um selber möglichst viel vom Kuchen zu erhalten. Dies war – so meine These – in Griechenland anders. Das Vertrauen in den Staat war minimal, weshalb viele versucht haben, Steuern nicht zu zahlen, zugleich aber haben zu viele versucht, Gelder vom Staat zu erhalten. Was zum faktischen Staatsbankrott geführt hat. Ich glaube, das ist heute besser, aber selbstverständlich längst nicht perfekt.

Ein anderer Punkt ist wohl auch die Bereitschaft für Reformen. Dass eine pragmatische Politik gewählt wird. In Schweden wurden zu einem Zeitpunkt liberale Reformen eingeführt, wo diese sinnvoll waren. Weshalb die grosse Krise ausgeblieben ist. Dänemark hat heute eine der striktesten Migrationspolitiken – durch eine eigentlich linke sozialdemokratische Partei. 

Kurz: Extreme funktionieren nicht. Ambiguitätsdingsbums. Das Aushandeln, wo aber das Nicht-Extreme sein soll ist anspruchsvoll. Und wenn ein Land so im Extrem gefangen ist wie Venezuela, ich vermute auch Argentinien, benötigt es womöglich Gegendruck. Wird aber so oder so zu extremen Härten führen.

Mein Punkt: bei einer Staatsquote von 50 Prozent braucht es nicht mehr, sondern weniger Staat (grad ganz deutlich in Deutschland zu sehen), zugleich müsste die Effizienz des Staates verbessert werden, um eben zum Beispiel gegen das grösste Ausmass von Armut vorzugehen. Einen effizienten Staat würden wohl auch viele Reiche eher unterstützen. Denn viele Reiche argumentieren damit, dass sie Steuern zu vermeiden versuchen, weil sie a) schon viel zu viel Steuern zahlen und b) die Steuern vom Staat ineffizient eingesetzt werden und beispielsweise Unternehmen beim Wachstum hindern. Also sogar kontraproduktiv sind. In Schweden werden (oder zumindest wurden) meines Wissens Steuern viel weniger hinterfragt als eben beispielsweise in Griechenland. Selbst wenn a) und b) vor allem Vorwände sein sollen, ganz von der Hand zu weisen ist es sicherlich nicht. 

Noch ein letzter Punkt. Woher weisst du, bro, dass Ausserirdische unser Moralverständnis haben? Vielleicht finden die es ja gerade geil, zu sehen wie sich da die einen über die anderen erheben. Ist auf jeden Fall etwas, was in der Natur nicht selten zu sehen ist… In den USA scheint mir eine solche Sichtweise auf jeden Fall weiter verbreitet zu sein als in Europa.

Ach und noch ein allerletzter Punkt: in Kalifornien sollen mehr als die Hälfte aller Obdachlosen der USA leben. Der Grund: die Bedingungen sind besser, sie kriegen mehr Hilfe und Unterstützung, schaffen es aber dennoch kaum weg von der Strasse. Es gäbe schon Angebote, die werden aber zu wenig angenommen, aus welchen Gründen auch immer. Und: Hilfsangebote können (können, nicht müssen!) auch kontraproduktiv sein. Halt mal wieder: Schwierig.


Herr Schatzmeister

Geld ausgegeben bis jetzt? Einen Tiguan hätte ich damit sicher kaufen können, neu, vermutlich nicht das Topmodell. Das kann man sich schon leisten, meinen Sie nicht? Interessiert mich aber nicht. Hab noch nie ein Auto besessen, wozu denn auch. Und so bleibt Geld über für coolere Dinge. Und: ich habe ja ein Geschäftsmodell. Und so hat mich die Reyse bislang wohl nicht viel mehr gekostet als eine Ente in den 80er Jahren. Maximal eine Ente und ein Käfer. Also im Grunde genommen: nichts. 


Herr Snippdippy

Herr Snippidippy: natürlich sind Sie mein Lieblingsschüler! 5 Minuten später zum Kollegen, der die gleiche Klasse unterrichtet: du, wer ist schon wieder dieser Herr Snippydippy? Ach, der grosse Blonde mit dem Backenbart. Alles klar! Ja doch, der ist cool!


Nachtrag: In Miami frage ich den Fahrer nach dem Grund für die Verspätung. Ölleck. Meine Spekulation war also doch richtig gewesen.

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert