Um 10 nach 10 bin ich beim Velomech und als er sagt, dass er nachschauen müsse, ob er Reifen an Lager habe, habe ich kurz Bedenken. Zu unrecht. Auch wenn die Reifen in meinen Augen noch mindestens 1000 Kilometer hätten halten müssen, habe ich gleich beide gewechselt und jetzt etwa 10 Ersatzschläuche dabei. Und den alten Reifen als Ersatzreifen. Um das auszugleichen entscheide ich mich, die eine Kamera nach Hause zu schicken. Ich habe sie kaum verwendet und das Objektiv war jenes, das violette Farbsäume gab. Zusammen mit Stativ und Fototasche bin ich nochmals 2 Kilo leichter, vom Volumen her ist es nicht wahnsinnig viel, aber es gibt doch etwas Raum. Hoffe, ich werde die Kamera dann nicht doch vermissen. Wie meinen Campingstuhl. Mein Reifenflickset. Oder. Ne. Was anderes kommt mir im Moment nicht in den Sinn.
Die Schlange auf der Post ist lange. Sehr lange. Hat auch nur einen geöffneten Schalter. Und an dem stehe ich gerade. Und die Dame ist nicht allzu schnell. Beamtenfeeling. Vor mir war ein Herr, der irgendwelche Gutscheine kaufen wollte. Nach 15 Minuten meinte eine Kollegin der Verkäuferin, das funktioniere irgendwie nicht, er solle doch ins Warenhaus gehen. Leider haben sie die 300 Dollars nicht in bar, um ihm zurückzuzahlen, was er mit Karte bezahlt hat. Er kriegt einen Scheck, soll später nochmals kommen. Und unter Umständen 2 Stunden anstehen.
Und dann komme ich. Paket. Alles korrekt ausgefüllt. Bloss: sie benötigt eine 5stellige Postleitzahl. Telefon mit der Chefin. Nachdem sie sehr langsam beide Adressen abgetippt hat fällt mir auf, dass auf dem Display als Land Eswatini steht. Äh, nein. Switzerland. Also nochmals von vorn. Das Land kann nicht einfach geändert werden, alles muss neu eingegeben werden. Die Schlange wächst. Aber es klappt am Ende. Wäre schade um die Kamera, wenn sie nicht ankommen würde, aber das ist einkalkuliert.
Ich merke auch andernorts, dass ich gewohnt bin auf hyperspeed zu sein. Und das funktioniert hier nicht. Latinos sind gemächlicher. Lassen sich nicht stören. In einem kleinen Laden will ich eine Cola kaufen. Zwei Herren hinter der Theke. Der eine liest dem anderen etwas vor. Ich warte. Ja, sie haben mich gesehen. Ich warte. Eins nach dem anderen. Nicht: der Kunde ist König. Würde mir vielleicht guttun, etwas mehr von dieser Lebensweise zu übernehmen. Dann müsste ich aber in die Karibik fahren. Oder nach Mittelamerika. Und wohl nicht in den Süden Südamerikas. Mal schauen. Entscheiden werde ich mich sehr bald müssen. Wobei ich heute erstmals in Stimmung komme, um zu buchen. Ich merke, ich musste erst alles vorbereiten, bevor es weitergehen kann. Und etwas bleibt noch übrig, weil ich das Velo nicht selber repariert habe: Mar a Lago und das offizielle Ende des zweiten Teils. Dazu habe ich noch mindestens 3 Tage Zeit, ich könnte auch nochmals ein paar Tage anhängen, mal schauen. Flieger nach Santiago hat es täglich, ausser am Sonntag sind die Preise jeweils vergleichbar, spontanes Buchen sollte möglich sein.
Die letzten drei Nächte konnte ich ohne Oropax schlafen. Kühlschrank aus. Die letzte Nacht krähten die Hähne fast durchgehend. Hat mich nicht gestört, im Gegenteil fand ich es faszinierend, eher entspannend. Aber nichts mit die krähen bei Sonnenaufgang. Durchgehend.
Heute musste ich das Airbnb wechseln. Respektive hätte ich am alten Ort wohl bleiben können. Aber hatte keine Lust. Gestern kam die Frage, wann ich auschecken werde. Ich antworte nicht sofort. Zwei Stunden später etwas aggressiver: wann ich auschecken werde. Ich antworte. Heute morgen ganz freundlich die Frage, wann ich auschecken werde. Ich mache copy paste. Im gleichen Chat. Heute Nachmittag die Frage, ob ich ihnen den amerikanischen Äquivalent zu Twint Account angeben könne, um das Depot zurückzuzahlen. Ich antworte: ich habe keinen solchen Account und habe das Depot per Kreditkarte bezahlt (was ein weiteres Gaudi gewesen ist). Vor einigen Minuten dann: Depot wurde zurückerstattet. Ich versuche jeweils möglichst keine negativen Rezensionen zu schreiben. Aber ich glaube, es juckt zu sehr unter den Fingern. Die Unterkunft hat viele 10 Sterne Bewertungen, was ich nicht nachvollziehen kann. 8 Ok, 6 klar, aber 10? Sie hat aber auch viele 1 Sterne inklusive expliziter Warnungen vor Betrug, weil das Depot nicht zurückgezahlt worden sei etc. Immerhin das scheint zu klappen und Mühe hat sich die Dame wirklich gegeben. Mal schauen. Vielleicht bin ich dann eher im Breitner-Modus.
Die Bücher von Karsten Dusse habe ich natürlich alle gelesen, spannende Krimis, aber bro, die Kapitel zu Herrn Breitner habe ich grundsätzlich nur überflogen. War vielleicht ein Fehler. Also all das Achtsamkeitsdingsbums. Aber die Krimis sind geil. Empfehlung. Was mich aber bei dieser Unterkunft „getriggert“ hatte war, dass ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe. Ein Thema, das wir hier schon oft thematisiert haben. Ich zahle viel Geld für eine vermutlich OK Unterkunft und dann buchen die mich um, verkaufen es als Upgrade und es ist ein Rattenloch. Das kann ich mir nicht bieten lassen. Ob es da immer sinnvoll ist einfach durchzuatmen, ich weiss es nicht. Manchmal, Herr S. muss man seinen Prinzipien schliesslich auch treu bleiben!
Und so bin ich froh, dass ich heute Penne und keine Spaghetti gekauft habe. Denn in der heutigen Unterkunft hat es einen topmodernen Induktionsherd mit Abzughaube und ich glaube, es ist mein erster Induktionsherd in meinem Leben. Oder zumindest beinahe. Bloss: es gibt genau diese zwei winzigen Pfannen. Keine Bratpfanne, keine Spaghettipfanne, nur diese hier. Schade.
Aber ich komme damit klar. Etwas staunen tue ich, dass eine Wäsche im separaten Waschraum 10 Dollars kostet, Early Checkin 45. Noch mehr staune ich, als ich mich zum ersten Mal aufs Bett setze und dieses unter meinen 20 Kilo zusammenbricht:
Unfassbar billig gemacht, lässt sich dadurch auch wieder leicht „reparieren“. Ich fluche innerlich auf diesen Scheisskapitalismus, wo alle möglichst viel aus uns armen Arbeitern, äh, armen äh Menschen pressen wollen. Und möglichst nichts investieren. Unfassbar. Und so widme ich mich nun wieder meiner Lektüre, Crazy Rich von Julia Friedrichs (Tip von bro) und kaue auf einem Risoletto herum. Pfetelli, das ist NOCH komplizierter? Ich fasse es nicht! Muss man da womöglich mit diesen göttlichen Wesen noch – reden?