Als ich kürzlich meine Reyseplanung überprüft habe, habe ich nicht nur bemerkt, dass ich einen Tag ausgelassen habe, sondern dass es wohl auch keine 58 Tage mehr waren. Müsste wohl eher /56 heissen. Als ich den Flug nach Frankfurt gebucht habe, dachte ich, dass es auf einen Tag mehr oder weniger eh nicht ankäme und habe einen Tag früher gebucht als nötig. Und jetzt spüre ich die Zeit rennen. Vor allem, weil eine Idee, die ich hatte mal wieder ausgebucht ist. Einzige Alternative: sie Ende Januar anzuhängen und dann bliebe mir kaum noch Zeit für Buenos Aires und Montevideo. Entscheidungen. Mag ich nicht.
Gestern bin ich mit dem Bus von Santiago nach Valpariso gefahren. Der Busbahnhof in Santiago war sehr chaotisch. Nichts angeschrieben und mein Spanisch ist mehr als fragwürdig. Letztlich hat aber alles bestens geklappt. Es gibt extrem viele Busse, allerdings von verschiedenen Unternehmen organisiert. Was es sehr unübersichtlich macht. Es gibt mehrere Busbahnhöfe, in der Regel ein typisches Zeichen für ein Entwicklungsland. Es funktioniert irgendwie, ist aber nicht wirklich durchdacht oder hat eben noch Entwicklungspotential. Und das ist hier sehr gut spürbar.
Gemäss Human Development Index liegt Chile an der Spitze Südamerikas und etwa auf der Höhe von Portugal, Kroatien oder Ungarn. Es existiert auf jeden Fall ein grosser Mittelstand, der sich ein Auto leisten kann, aber auch sonst das eine oder andere Luxusgut. Die Wirtschaft basiert aber wesentlich auf dem informellen Handel. Überall hat es Strassenverkäufer, versucht jeder auch nur ein paar Rappen zu verdienen, indem irgendetwas verkauft wird. Ein Tuch am Boden, ein paar Kleidungsstücke, Nastücher, Handyladegeräte, irgendwas. Es gibt viele kleine Läden, die wohl kaum Umsatz machen. Immer wieder die gleichen Elektrogeräte verkaufen. Ein Laden hier in der Nachbarschaft verkauft Gemüse, ich habe nur einen Blick reingeworfen. Viele Zwiebeln, ein paar Tomaten, sicher günstiger als im Jumbo in der Nähe, aber wohl nicht frischer. Wie man so überleben kann, ich weiss es nicht.
Die Konkurrenz ist gewaltig, das Angebot übersteigt bei weitem die Nachfrage. Es ist ein täglicher Überlebenskampf und überrascht mich vor allem in der vorhandenen Grössenordnung. Ich habe in einem anderen Post geschrieben, dass hier alles lebe. Ja, es ist ein riesiges Gequirle, aber definitiv auch ein Kampf. Wie wir ihn in der Schweiz kaum kennen oder dann auf massiv höherem Niveau. Die Preise sind tief, die Löhne auch. Und doch haben selbst Strassenhändler ein Handy, sieht man allerorten Zeichen des Wohlstands, ist der Jumbo voll, werden auch teurere Artikel gekauft, gibt es noblere Geschäfte. Ich kann mir noch nicht wirklich ein Bild davon machen, im Vergleich zu den USA und auch Europa aber fällt auf: die Armut ist auf jeden Fall grösser, so aber auch die Lebensfreude. Was wir hier vielleicht einfach mal als Paradox stehen lassen können.