Chile ist historisch und vor allem politisch ein extrem spannendes Land. Ich bin gerade daran, mich noch ein wenig einzulesen und natürlich passt dann doch wieder nichts zusammen. Eigentlich wäre zu erwarten, dass die Unterschiede zwischen arm und reich grösser sind als andernorts. Meine Beobachtung ist im Moment aber genau umgekehrt: es gibt viel Armut, keine Frage, aber wirkliche Slums habe ich bislang keine gesehen. Im Zentrum sowohl von Santiago wie von Valparaiso gibt es extrem viele Strassenhändler, die irgendwas verkaufen und garantiert kaum Profit machen, aber irgendwie scheint es fürs Überleben zu reichen. Obdachlosigkeit existiert, aber definitiv in geringerem Masse als in den USA, Löhne und auch Preise sind niedrig.
Was mir aber heute erstmals so richtig aufgefallen ist: ich habe bislang noch keine Oberschicht wahrgenommen. In Phnom Penh, Kambodscha ist mir noch die Rolls Royce Vertretung in Erinnerung. In Santiago gibt es sicher auch noblere Quartiere, die ich „übersehen“ habe. Im Zentrum gibt es einen Laden, der exklusiv Appleprodukte verkauft. Und irgendwo soll es auch Läden mit Gucci und Co geben. Der allergrösste Teil der Läden verkauft aber Sachen für den Mittelstand. Billige Chinaware bis eben Mittelklasse. Auf der Strasse das billigste Gedöns, in den Läden etwas teurer, aber nach oben begrenzt. Es hat kaum Luxusautos auf den Strassen, aber durchaus viele neuere, günstigere Modelle. Viele aus China oder Südkorea. Das Land ist sicherlich arm, aber eben nicht extrem arm. Meiner Wahrnehmung nach gibt es sowohl nach unten wie nach oben eine Grenze, was mich überrascht. Überraschen tut es mich aber auch, dass die Armut so weit verbreitet zu sein scheint, da Chile immerhin das oder zumindest eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder Südamerikas ist. Sieht danach aus als ob ich meine Reyse noch etwas fortführen müsste, um dem genauer nachzugehen…