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Tag 13/56 Scheissbank

Die Zeit zieht an mir vorbei. Mir fehlt ein fahrbarer Untersatz. Gut. Ich habe das Brompton. Aber damit mag ich nicht überland fahren. Und so schlage ich schon fast Wurzeln. So wie ich in Valparaiso den Aufenthalt verlängert habe, um nicht am 25. zu reisen, habe ich noch bis am 1. verlängert. 31. in Santiago statt irgendwo in der Pampa. Der Balkon meiner Unterkunft ist zugegebenermassen unfassbar schön und auch Santiago gefällt mir ganz gut. Wobei Santiago eigentlich aus zwei oder drei Städten besteht. Die ersten Tage war ich im eher historischen Zentrum. Ganz klar in Lateinamerika. Nach Valparaiso bin ich nur wenige Kilometer weiter gezogen und hier bin ich in Europa. Keine Strassenhändler, kaum Bettler, kaum Obdachlose, viele Kneipen, viele Geschäfte, viel Lebensqualität. Gut. Ist etwas heiss. Aber trocken. Und eigentlich genau richtig. Und gibt sogar Raclette.

Den Morgen verbringe ich in meinem Airbnb. Ja. Da bleibt man auch mal noch etwas liegen.

Dann gibts das obige Raclette und ich fahre in den „anderen“ Teil zum Präsidentenpalast, wo Salvador Allende gestürzt worden ist, der Putsch von Pinochet stattgefunden hat. Im Souterrain gibt es eine Art Museum, das gemäss Internet offen hat, trotz Montag. Naja. Der spannende Teil ist wohl doch im Museumsmontag. Geschlossen. Halb so wild. Ich fahre zu meinem Lieblingsplatz, der Plaza de Armas. Viele Bänke, viel Sonne, viel heiss. Einige Bänke sind auch im Schatten, aber alle besetzt. Bis auf diesen hier. Ich setze mich hin.

Da werde ich angesprochen. Nicht unüblich hier. Ich habe schon am ersten Tag fast mehr Gespräche geführt als in mehreren Monaten USA. Vor allem Gespräche mit einem Faden, mit Inhalt, mit Entwicklung.

Wie auch immer. Ich sitze auf der Bank. Plaza de Armas. Und werde angesprochen. Meist benötige ich zwei Anläufe, weil ich erst mal umschalten muss auf Kommunikation. Er zeigt nach oben. Ich schaue nach oben. Und naja, der Grund wird schnell klar, warum die Bank frei war. Halt einfach eine Scheissbank.

Ich fahre zurück zu meiner Wohnung. Links vom Fluss erkenne ich einen Hügel mit der Standseilbahn. Und ich entscheide mich, Santiago noch von oben ansehen zu gehen. Beim Ticketschalter ziehe ich mein Portemonnaie und unmittelbar ist mir klar, dass etwas fehlt. Meine Debitkarte. Debit. Ist wichtig hier. Muss man bei jedem Kauf angeben. Debit oder Kredit. Ich hatte gemeint, meine sei eine Kreditkarte. Und hat nie funktioniert. Und irgendwann habe ich die Karte mal angeschaut und seither Debit gesagt. Und seither funktionierts. Bis in diesem Moment. Denn ohne Karte ist es egal, ob Debit oder Kredit. Das Portemonnaie hat nicht viele Fächer, ne, sie ist weg.

Jetzt ist das nicht so schlimm. Ich habe mehrere Karten dabei. Etwas mühsam. Aber nicht schlimm. Ich kaufe das Ticket, überlege mir dann aber kurz, ob ich es verfallen lassen und alle Geschäfte abklappern soll, die ich heute besucht habe. Ich entscheide mich, die Fahrt zu machen. Ich sperre die Karte über die App und damit habe ich eh Zeit. Und überlege mir, wo ich sie liegengelassen haben könnte. Schnell wird mir klar, dass es im „neuen“ Stadtteil gewesen sein muss. Drei Orte kommen mir in den Sinn, aber an jeder Kasse hatte ich viel Zeit verbracht. Bin ich nicht gleich weggerannt. Hätte es eigentlich auffallen müssen. Seltsam.

Zur Abwechslung und Entspannung kaufe ich mir eine Cola Zero. Mit der anderen Karte im anderen Portemonnaie. Doppelt gemoppelt hält besser. Natürlich durchsuche ich beide Portemonnaies noch mehrmals. Keine Chance. In der linken, hinteren Hosentasche finde ich zwar eine Karte, ist aber die Karte für die Metro. Ein letztes Mal ziehe ich das Portemonnaie aus der hinteren rechten Hosentasche und diesmal ist etwas seltsam. Irgendwas ist da. Eine Karte. Grummelgrummel. Karte nicht im Portemonnaie, sondern ausserhalb des Portemonnaies. In der Hosentasche. Wie habe ich das denn geschafft? Egal.

Inzwischen bin ich müde und habe keine Lust wieder auswärts essen zu gehen. Ich kaufe etwas Pasta, etwas Sauce und koche in der Wohnung. Induktionsherd. Der beste, absolut genial. Ein Tastendruck. Reaktionsschnell. Wäre vielleicht eine Investition wert, wenn ich wieder zuhause bin. Gibt nur ein Problem: nur eine Platte. Was bei Pasta mit Sauce nicht wirklich schlimm ist, aber Kochen würde hier definitiv keinen Spass machen. Ist aber auch ziemlich sinnbefreit, weil zu viele Restis mit günstigen Preisen.

Ich sitze auf meinem Balkon, eine Kerze flackert, gemütlich. Musik im Kopf und Lust, diese Stimmung noch etwas zu geniessen. Und deswegen: tschüssi.

1 Gedanke zu „Tag 13/56 Scheissbank“

  1. Lieber Herr E

    E?
    Ja, steht für Entspannt. Mir scheint, Sie entspannter geworden. Ob’s am Süden liegt? Immerhin verbringen Sie angeblich viel Zeit an der Kasse. Nicht etwas, was ich als Erstes mit Ihnen assoziieren würde. Und dann einfach so in den Tag hineinleben („sesshafter geworden“). Oder keine Krise schieben wegen einer geklaut geglaubten Debit- oder Kreditkarte. Oder gelassen auf eine kurzfristige Planeänderung wegen eines zugehendes Hotel reagieren. Ohne Aufhebens, nada! Ein gutes Neues Jahr!

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