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Engelsgeduld

Endlich ist der Tag gekommen. Ich sitze im Flieger und es fängt schon sehr amerikanisch an. Meine dazukommende Sitznachbarin macht einen Spruch über ihren übergewichtigen, mitfliegenden Sohn und erzählt mir dann die Kurzversion ihres Schweizurlaubs, natürlich alles fantastic. Selten habe ich so freundliche und zuvorkommende Stewards erlebt, ein gutes Omen. 

Pünktlich ist das Flugzeug startbereit, bloss fehlt die Startgenehmigung. 40 Minuten müssen wir am Boden warten, weil am Zielflughafen New York JFK kein Slot vorhanden ist. Mühsam, aber die Zeit geht vorbei. 

Der Flug an sich ist ruhig, keine speziellen Vorkommnisse, lange und langweilig, auch die Landung keine Erwähnung wert. Wir fahren Richtung Gate und halten plötzlich für einige Minuten – die Runway ist gesperrt, was deshalb lustig aussieht, weil nach dem Halt mehrere Flugzeuge neben uns zum gleichen Zeitpunkt die Runway überqueren. Der nächste Halt ist mühsamer. Irgendwie wurde unser Fingerdock beschädigt (so verstehe ich es jedenfalls) und die Bodencrew muss jetzt umorganisiert werden und vermutlich ist schlicht kein anderes Fingerdock verfügbar. Wartezeit im Endeffekt über eine Stunde. Ich bin etwas genervt, habe aber grundsätzlich Zeit. Meine Sitznachbarin beginnt etwas unruhig zu werden und sie erzählt mir ihre Geschichte.

Sie wollte rund 2 Wochen Ferien machen zusammen mit ihrem Sohn. Ursprünglich war der Plan gewesen von Milwaukee (wo im Moment unseres Gesprächs der Parteitag der Republikaner stattfindet) nach Prag zu fliegen. Der Flug wurde abgesagt und sie umgebucht auf einen Flug nach London. Dieser Flug hatte so viel Verspätung, dass ihnen nahe gelegt wurde mit dem Auto zum knapp zwei Stunden entfernten Flughafen Chicago zu fahren und von dort zu fliegen.

All dies erzählt sie ruhig und wenig emotional, doch das war ja auch erst der Beginn der Geschichte. Denn der Rückflug war ursprünglich nach Milwaukee geplant, musste dann geändert werden auf Chicago, weil ja dort ihr Auto stand. Wegen der Verspätung hatten sie nun natürlich ihren Flug verpasst – und wurden umgebucht auf einen Flug am nächsten Morgen. 

Ich frage, ob das üblich sei in den USA und sie meint ja. Mich erinnert es – oh Wunder – an die Deutsche Bahn. Sie kann es nicht fassen. 

An der ganzen Geschichte fasziniert mich vor allem mit welcher Nonchalance sie das Ganze akzeptiert. Ein Wesenszug, der den Amerikanern durchaus nachgesagt wird und der hier seine Bestätigung gefunden hat. Ein Wesenszug, den ich hoffentlich im Verlauf meiner Reyse auf mich übertragen kann.

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