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Sankara

Der letzte Tag einer lange Reyse. Zu viele Eindrücke, zu viel erlebt, mein Kopf steht kurz vor der Explosion. Aus hier nicht näher darzulegenden Gründen entscheide ich mich, ein Zimmer im Sankara zu buchen. 5 Sterne. Viel zu teuer. Aber für 5 Sterne zumindest beinahe leistbar. Mein Fahrer mit dem ich gerade mehrere Tage den Mount Kilimanjaro gesucht und aufgrund von Nebel nicht gefunden habe reagiert überrascht. Nicht ganz meine Klasse. Aber eben. Letzter Abend. Und ein Geheimnis.

Elefanten mit Kilimanjaro im Hintergrund

Immerhin war er auch schon hier. Andere Klientel. Er will zum Eingang vorfahren, alles gesperrt. Wir werden auf einen Parkplatz neben dem Hotel verwiesen. Dort steige ich aus – und niemand wartet, um mir mit dem Gepäck behilflich zu sein. Da ich eh nicht viel Gepäck habe, ist das nicht weiter tragisch, aber ich bin erstaunt. Beim Eingang wartet weiterhin kein Concierge, sondern eine strikte Sicherheitskontrolle. Das Gepäck wird gescannt als ob sie in mir einen potentiellen Terroristen sehen. Ich gelange zur Reception. Eigentlich geht der Prozess schnell, aber ich weigere mich anzuerkennen, dass meine Daten ausgewertet und für Werbung verwendet würden. WTF? 5 Sterne? Bin ich hier im falschen Film? Letztlich stimme ich zu, eben. Geheimnis. Das Zimmer ist erstaunlich veraltet. Wäre vor 20 Jahren sicher als 4 Sterne durchgegangen. Aber das Bett ist gross und weich, es hat eine Badewanne, tönt vielversprechend. Und die Aussicht ist fabelhaft. Direkt auf einen Platz im Herzen von Westlands, dem besten Viertel Nairobis. Wunderschöne Tankstelle.

Ich gehe wieder hinaus, will auch noch was von der Stadt sehen. Finde eine Mall, wo fast alle Läden geschlossen sind. Dabei ist es Montagnachmittag. Ich verstehe es nicht. Spüre aber: eigenartige Stimmung. Ein Elektronikfachgeschäft hat geöffnet, könnte auch in Europa sein. Ich erstehe in einem offenen Supermarkt ein Bier und eine Cola Zero, was Kleines zum Knabbern. Nur was Kleines. Weil wegen Geheimnis.

Danach strolle ich durch das Viertel. Noble Hochhäuser, die seltsam unbewohnt scheinen. Eine erstaunlich wenig attraktive Umgebung dafür, dass ich mich im besten Quartier Nairobis befinde, das von Lonely Planet als beste Reisestadt für das Jahr 2024 erkoren worden ist. In der Ferne sehe ich das Ibis, das ich beinahe als Unterkunft gewählt hätte, wäre da nicht mein Geheimnis gewesen. Das sich nun über Whatsapp meldet.

Die Lage sei gerade zu angespannt, ob wir unser – Geheimnis – nicht verschieben könnten? Hatte ich es doch geahnt! Und dafür hatte ich das Zimmer im Sankara gebucht. Aber ich spüre es ja auch. Etwas ist komisch. Plötzlich fühle ich mich verfolgt, seltsame Gestalten überall und zugleich alles ruhig. Ich gehe zurück ins Hotel. Bin froh, dass es ohne Zwischenfälle gelingt. Schaue auf den Platz vor dem Fenster. Alles leer. Fast schon gespenstisch.

Der Hunger treibt mich raus. Ich hätte natürlich auch alleine ins berühmte Steak-Restaurant im Sankara gehen können. Aber da draussen hats ein paar einfache Restaurants. Denke ich. Alles zu. Alles geschlossen. Alles seltsam.

Zurück im Hotel (und nach der wiederholten Sicherheitskontrolle) lese ich in den Nachrichten, dass das Resultat der Wahlen bekannt gegeben worden ist. Deshalb die Anspannung. Mein Fahrer vom Kilimanjaroabenteuer hatte mir allerdings versichert, dass das kein Problem sein würde. Es werde keine Ausschreitungen geben. So ganz sicher bin ich nicht. Und allmählich mache ich mir Sorgen, ob ich morgen wirklich problemlos zum Flughafen werde reisen können.

Aber vorerst stresst mich etwas ganz anderes. Ein Bier hatte ich noch ergattern können. Respektive, hätte ich gewusst, was hier abgeht, hätte ich einen genügend grossen Vorrat angelegt. Letzter Abend. Lange Reise. Feiges Geheimnis. Und so gehe ich noch auf einen Absacker in die Hotelbar. Immerhin die hat noch geöffnet.

Drei Leute stehen am Tresen. Ein Pärchen und ein alter Mann. Der Mann des Paares ist euphorisch. „Sein“ Kandidat hat die Wahl gewonnen. Er trinkt viel. Und dann noch mehr. Und redet viel, gibt mir seine Nummer, will mir am nächsten Morgen einen Kaffee vorbeibringen. Ich fühle mich wie ein Kolonialherr. Er gibt sich derart unterwürfig. Worauf er noch einen nimmt. Und dann noch einen.

Mit dem anderen unterhalte ich mich etwas länger. Er stammt aus Amerika, hat eine Tochter in Mombasa. Also keine wirkliche Tochter, sondern eine quasi adoptierte. Die er finanziell unterstützt. Er ist vielleicht 70, sie vielleicht 35. Und irgendwann wird klar, dass sie nun nicht mehr nur seine Tochter ist. Es hätte sich einfach so ergeben. Schuldgefühle. Und Glücksgefühle. Sie sei seine sexuelle Erfüllung. Und so wie er erzählt, wird offensichtlich, dass sie ihn verführt hat. Glaubwürdig. Die Dankbarkeit. Die Verehrung für einen noblen Herrn, der ihr Leben zum Besseren gewendet hat. Und sie ist doch 35. Keine Lolita, keine 17 Jahre, blondes Haar. Und doch Schuldgefühle. War ja seine Tochter. Und jetzt nicht mehr. Irgendwie.

Ich verabschiede mich, gehe auf mein Zimmer. Ich habe keine Schuldgefühle. Mein Geheimnis nennt sich zwar black princess und sieht aus wie eine Schönheitskönigin, aber sie hat sich nicht hergewagt. Und es ist mein letzter Abend. Und so gehe ich in aller Unschuld schlafen, ohne zu wissen, dass dieser Abend mein Leben in vielerlei Hinsicht verändern wird. Ob zum Guten oder zum Schlechten bin ich mir noch nicht ganz sicher.

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