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Tag 6 Alleine in Amerika (Flucht vor den Zombies)

Beim Frühstück war noch alles in Ordnung. Ich staune einmal mehr wie man frühstücken kann. Dazu also ist die Mikrowelle da. Um diese wie übergrosse Tomme-Käse ausschauenden Dinge in Frühstücksbrötchen umzuwandeln. Ich bleibe bei den Corn Flakes, die sehr praktisch sind. Eine riesige Schale mit 50 Flakes drin, so dass genügend Platz bleibt, um Yoghurt hinzuzufügen. Oder Milch.

Ich checke aus (ein äusserst simpler Prozess) und bin auf der Strasse. Es geht rauf und ab und zu runter. Aber viel mehr rauf. Gefühlt. Ich fahre auf Nebenstrassen durch grüne Landschaften, alles in Privatbesitz wie Schilder links und rechts der Strasse zeigen. Meist aber ist es eh klar, dass es Privatbesitz ist, da es Häuser hat. Schöne Häuser, viel Platz, stets perfekt gestutzter Rasen. Dazwischen ärmlichere Behausungen, aber dafür, dass ich mich im Coal Country befinde, das zu den ärmsten Gebieten der USA gehört, sieht alles ganz OK aus. In der Gegend, die J.D. Vance in seinem Buch Hillbilly Elegy beschreibt.

Je länger ich mich durch diese Gegend quäle, desto stärker befremdet mich allerdings etwas. Ich komme nicht drauf, aber etwas ist seltsam. Adrette Häuser, mindestens zwei Autos in der Vorfahrt, alles scheint in Ordnung. Bis es mir wie Schuppen von den Augen fällt: es hat keine Bewohner.

Es ist als ob ich durch eine Retortengegend fahre. Ein Filmset. Das verlassen ist. Wobei: dazu ist das Ganze dann doch wieder zu wenig aufregend. Wo sind bloss all die Menschen? Habe ich die Apokalypse verpasst?

Einen Hinweis auf Menschen erkenne ich allerdings am Strassenrand. Tote Tiere. Viele tote Tiere. Obwohl es keinen Verkehr gibt. Autos gibt es zwar, aber vielleicht sind die ja self driving. Und noch so unausgereift, dass sie bei Tieren nicht bremsen, sondern Gas geben. An einer Stelle liegen drei Rehe am Strassenrand. Innerhalb von vielleicht 20 Metern. Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass alle drei vom gleichen Auto/Truck getötet wurden. Einige Kilometer weiter folgt ein weiteres Reh – und davor und danach unzählige Kleintiere. Es ist richtig krass.

Umgekehrt kann man dies aber auch positiv sehen. Kaum Autos, viele tote Tiere, vielleicht ein Hinweis, dass es eben sehr viele Tiere gibt hier. Resurrection. Dass die Tiere hier die Kontrolle zu übernehmen versuchen und gegen selbst fahrende Autos kämpfen. Die Menschen sind längst geflohen. Bis auf mich, der mal wieder keine Ahnung hat von nichts. Und das Zeichen nicht verstanden hat.

Ja, so muss es sein. Eine bessere Erklärung gibt es nicht. Allmählich beginne ich mich zu fürchten. Ich schalte auf Turbo und heize bergauf und -ab, so schnell es geht. Und grusele mich. Hunde bellen, ein Hase hoppelt über die Felder, was haben die mit mir vor? Irgendwann sehe ich ein altes Paar auf einer Veranda sitzen, Zombies nehme ich an.

Und dann ist plötzlich der Weg versperrt. Road blocked. Das muss der Ausgang aus dem Albtraum sein. Ich fahre die Strasse entlang bis ich auf eine Mauer aus Insekten stosse. Tausende, nein sicher Millionen Fliegen, Bienen, Schmetterlinge, ich schaue gar nicht so genau hin, sondern fahre einfach weiter. Wenn ich jetzt bremse, dann ist es vorbei. Spüre ich intuitiv. Und in der Tat, der Insektenvorhang ist durchlässig. Ich bin so schnell, dass ich nur einen Bienenstich abbekommen habe und allmählich kann ich etwas entspannen.

Ich komme an einem Kohlewerk vorbei und treffe auf einen Menschen. Männlich. Zwischen 20 und 30. Pferdeschwanz. Unschuldig frage ich ihn nach dem Weg nach Butler. Er reagiert etwas eingeschüchtert, aber freundlich. Als ich mich ihm nähere, zuckt er zusammen. Er traut mir nicht. Verständlich. Ob er auch ein Zombie ist? Oder in mir einen Zombie erkennt?

Immerhin wünscht er mir „good luck“ und ich fahre mitten durch das Kohlebergwerk, wo plötzlich ein Lastwagen auf den nächsten folgt. Ich erreiche den Highway und bin erleichtert. Viele Autos, viele Menschen, ich scheine wieder in der realen Welt angekommen zu sein. Doch der Highway ist mir zu hektisch, weshalb ich auf eine Nebenstrasse ausweiche. An einer schattigen Stelle mache ich eine Pause. Das erste Auto, das mir begegnet hält an. Ob alles in Ordnung sei fragt mich der freundliche Herr. Er wohne gleich um die Ecke, ob er mir eine Flasche Wasser bringen könne?

Offensichtlich bin ich wieder im normalen Amerika angekommen. Als Europäer ist das zwar ungewohnt, aber natürlich nicht unangenehm. Beschwingt fahre ich weiter, fahre an vielen Pro Trump Plakaten vorbei, manche witzig, manche banal, manche überraschend, an einem Wahlplakat für Taylor Swift, die Welt ist wieder in Ordnung.

In einem 7/11 kaufe ich eine Cola Zero, fahre in mein gebuchtes Hotel und ruhe mich aus. Ein Sturm zieht auf, aber es reicht noch, um zu einem Italiener zu fahren. Wo ich vom Servicepersonal und mein Gaumen vom Küchenpersonal verwöhnt werden. Beim Abendessen ist wieder alles in Ordnung.

P.S. Ich liege auf meinem Bett im Hotel in Butler, schreibe diese Zeilen und schaue fern. Und es kommt eine Werbung für ein „Doomsday Package“ für nur 65 Dollar. 15 Jahre haltbare Nahrung. Passt irgendwie grad.

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