Zugegeben, ich habe den Titel beim Tages Anzeiger geklaut. Aber was folgt, ist kreativ von mir. Zumindest teilweise.
2008 gewann Barack Obama die Wahlen mit dem Slogan „yes, we can“. Er hat damit eine Aufbruchstimmung verursachen können, an die ich mich noch gut erinnern mag. Nach 8 Jahren Bush, versprach er eine Wende.
An die Wahlen 2012 erinnert sich wohl kaum noch jemand, Obama gewann souverän. 2016 gelang es dann Donald Trump, sich gegen Hilary Clinton durchzusetzen. Das Resultat war knapp, aber eindeutig. Sein wichtigster Slogan lautete „make America great again“, kurz MAGA. Und der Slogan verfing.
2020 ging es dann um Trump oder nicht. Joe Biden wurde nicht gewählt, weil die Amerikaner Joe Biden als Präsident haben wollten, sondern weil sie Donald Trump nicht mehr als Präsident haben wollten. Das Resultat war knapp, aber eindeutig.
2024 ist anders. Das fällt mir auf bei meiner Fahrt durch Pennsylvania. Man sieht ab und zu ein Schild pro Trump im Garten. Mal steht MAGA, mal KAGA (keep America great), mal gar nichts zum Namen Trump. Mal „no more bullshit“, mal „let’s save America“, mal „save America again“. Keine Linie, kein Aufbruch. Was auch auffällt: ich habe bislang kein Einziges Plakat zu Biden gesehen. Nicht ein einziges. Dafür eines zu Kennedy.
Vielleicht ist dieses Bild symptomatisch für diesen Wahlkampf:

Es gibt nichts Neues, die Positionen sind bezogen, es werden die Plakate und Slogans von 2016 aufbereitet oder sogar überklebt. Es geht um „Sleepy Joe“ (wie Trump Biden abschätzig, aber auch nicht ganz untreffend nennt) vs the Trump (für den es leider keinen analogen Namen zu geben scheint). Es geht um den Kampf zweier alter, weisser Männer. Beide eigentlich unwählbar.
Und dann kam Kam. Joe Biden erklärt seinen überfälligen Rückzug als Präsidentschaftskandidat. Kamala Harris, seine Vizepräsidentin beerbt ihn mit ziemlicher Sicherheit. Sie ist in etwa so unbeliebt wie Joe Biden – oder wie Donald Trump. Denn auch wenn es oft anders erscheint, Trump liegt in den wichtigen Swing States nur wenige Prozentpunkte vor Joe Biden, es trennen die beiden nur wenige Hunderttausende Stimmen.
Anders als 2016 und 2020 agiert Trump seit Bidens „Rücktritt“ aus der Defensive heraus. 2016 war er der Hoffnungsträger, der gegen das Establishment zu kämpfen vorgab. MAGA. Auf 8 Jahre Republikaner (Bush) folgten 8 Jahre Demokraten (Obama) und danach sollten wieder 8 Jahre Republikaner (Trump) folgen. Doch 2020 wurde Trump als amtierender Präsident nicht wiedergewählt. Was unüblich ist, da Präsidenten mit einem Amtsbonus meist wiedergewählt werden. Und Joe Biden hatte anders als Obama 2008 oder Trump 2016 im Wahlkampf 2020 keinen Neuanfang oder Aufbruch versprochen, sondern vor allem ein: ohne mir wird er wiedergewählt.
Mit dem Auftritt von Kamala Harris könnte sich nun vieles ändern. Es ist nicht mehr der Kampf zweier präseniler Herren. Nun kämpft eine jugendlich aussehende Frau gegen einen sichtlich gealterten Mann. Die Dynamik hat sich dadurch komplett verändert. Der Wahlkampf wurde neu lanciert. Und Kamala Harris bietet sich nun die Chance, sich zu bewähren. Das ist ihr als Vizepräsidentin nicht gelungen. Und ein „yes, we Kam“ genügt hier wohl auch nicht.
Und vielleicht doch. 2016 war Trump als Politiker relativ unbekannt. Er war der Erneuerer, der gegen Hilary Clinton kämpfte, die definitiv zum Establishment gehörte und grobe Fehler im Wahlkampf machte. Die Wahl gekostet hatte sie wohl aber falsche Anschuldigungen zu einer „Email-Affäre“, die wenige Tage vor der Wahl (nicht von Trumps Team) publik gemacht worden waren.
2020 hatte ein nicht idealer Kandidat, Joe Biden, Donald Trump geschlagen. 2024 wäre ihm das vermutlich nicht gelungen, vor allem weil zu grosse Zweifel aufkamen, dass er überhaupt noch den Wahlkampf altersmässig durchstehen könnte.
Kamala Harris hat nun wenige Wochen Zeit, ein Profil zu finden. Um eine Chance zu haben, muss sie keinen Wahlkampf wie Obama 2008 oder Trump 2016 hinlegen, da eine Mehrheit der Amerikaner genug haben von Trump. Sie darf sich aber auch keine grossen Fehler leisten und muss nun zeigen, dass sie es kann. Und das ist wohl eine ihrer grossen Schwächen: sie hätte als Vizepräsidentin 4 Jahre Zeit gehabt, dies zu zeigen – und es ist ihr bislang nicht gelungen.
Es bleibt auf jeden Fall spannend.