Die USA gelten in Europa als liberaler Staat. Und zwar in dem Sinne, dass wenig reguliert ist, der Staat wenig Einfluss nimmt auf das Leben der Menschen. In Bezug auf den Sozialstaat stimmt das wohl. In den USA fallen mehr Menschen durch die Maschen des Sozialen Netzes, kümmert sich der Staat weniger um jene, welche keinen Boden unter den Füssen haben. Wobei auch das mit Vorsicht zu sagen ist, da es in den USA zugleich grosse Solidarität gibt. Es ist mal wieder komplizierter.
Doch darauf wollte ich eigentlich gar nicht hinaus. Sondern auf die Regeldichte im Strassenverkehr, die mir zunehmend bewusst wird. Als eines von vielen Beispielen dient das Titelbild. Die Regeln werden gleich klar kommuniziert, auch wenn sie doch grösstenteils ziemlich selbstverständlich erscheinen. Und sich dann doch kaum jemand daran hält.
Ich bin in New York nicht allzu gerne Velo gefahren. Nicht wegen der Autos. Wegen der Velofahrer. Die sich kamikazeartig in den Verkehr stürzen und das mit E Bikes, die deutlich schneller fahren als in Europa. Und dann bin ich wieder überrascht darüber wie sich Amerikaner an Regeln halten.
So gibt es viele Stoppschilder und Rotlichter in diesem Land. Sehr viele. Extrem viele. An Stellen, wo nur alle paar Stunden ein Auto durchfährt. Und dennoch wird gestoppt. Ich fahre durch einen Ort, wo das offenbar nicht alle tun. Ich habe leider keine Foto gemacht, aber unter jedem Stoppschild bei völlig unwichtigen Kreuzungen stand in etwa das Folgende: Du hast die Wahl. Du stoppst und es passiert nichts. Oder du stoppst nicht und zahlst 144 Dollars und kriegst 3 Punkte. Bei Quartierstrassen. Lustigerweise fehlte dieser Hinweis dann beim Stoppschild, das vor der Einfahrt in die Hauptstrasse stand und wo ein Stopp durchaus Sinn ergibt.
Als Velofahrer halte ich mich eh nicht daran. Hoffe, es passiert nichts. Am Abend in einem kleinen Ort, auch hier viel zu viele Rotlichter. Und ich bin unsicher, ob mein Velo das Signal nicht auslöst oder ich wirklich so lange warten muss.
Nebeneffekt: Das Fahren auf amerikanischen Strassen ist bislang eine Wohltat. Wenig Verkehr, selbst wenn in meinen Augen genügend Platz zum Überholen bleibt, fahren viele lange Zeit hinter mir, hupen nicht, drängeln nicht.
Ist es Gelassenheit? Obrigkeitshörigkeit? Ich weiss es nicht. Und eigentlich hätte ich ja Zeit genug, um an jedem Stopp zu stoppen, an jeder Ampel zu halten.