Als ich die Medium Size Pizza sehe, vergrössere ich auf Large. Die ist ja winzig, ungewohnt für die Staaten. 3 Minuten später verkleinere ich wieder auf Medium. 30 Dollar für eine normal grosse Pizza? Und das ist eine berühmte Kette? Und in der Tat, auf dem Kassenbon wäre die Medium ohne Super-Duper-Angebot, das nur für die Medium gilt, fast 25 Dollar. Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Immerhin darf ich mich an einen der drei Tische setzen, eigentlich ist es ein Take Away. Und nach 15 Minuten gibt es eine knusprige, aber auch langweilige und weiterhin kleine Pizza. Zum ersten Mal gehe ich danach in einen Tankstellenshop und kaufe mir noch ein Mikrowellengericht. Keine Ahnung, was ich falsch gemacht habe. Ansonsten sind die Portionen immer so riesig, dass sie ausser mir kaum jemand schafft. Der Rest darf mit nachhause genommen werden.
Bevor es aber zum Abendessen kommt, kämpfe ich mit Komoot. Komoot ist meine Navigationsapp. Wirklich genial, aber schon zu oft habe ich nicht genau hingeschaut und ich wurde über Berge gelotst, obwohl die Hauptstrasse flach rund um den Berg herum führte. So an der Grenze von Slowenien zu Kroatien. Der Aufstieg war teilweise so steil, dass ich selbst mit maximaler Elektro-Unterstützung absteigen musste. Oben angekommen – gab es den Weg runter nicht. Oder doch. Ein Grasweg. Völlig überwuchert. Wirkt wie ein früherer Schmugglerpfad, da er genau auf der Grenze liegt. Ich fahre vorsichtig herunter im Bewusstsein, dass ich unmöglich wieder hochkomme, zum Glück geht alles gut. Vielleicht 20 Kilometer winkt der nächste vergleichbare Bergpreis (vermutlich aber mit besseren Wegen). Das werde ich aber nicht herausfinden, denn zwischendurch überprüfe ich die App. Und sehe: Die ganze normale Hauptstrasse führt flach durchs Tal hindurch. Ich muss allerdings auch sagen, dass genau diese Umwege oft die tollsten Abenteuer sind. Und bislang ist alles gut gegangen.
Komoot schlägt auch gerne Wege vor, die nicht existieren oder unfahrbar sind. Plötzlich endet ein vorgeschlagener Weg an einer mehrspurigen Eisenbahnstrecke. Entspricht einem Tierwechsel im Wald. Führt über eine längst eingestürzte Brücke. Abenteuer. Aber oft auch ewig lange Umwege. Den meisten Problemen könnte man allerdings entgehen, wenn man die Routen jeweils überprüft. Was ich in der Regel nicht mache.
So wie heute. Aber heute war es andersrum. Komoot meint: wähle die Strasse links. Ich meine: ich wähle den Veloweg rechts. Und habe recht. Gut. Nicht immer. Habe ich recht. So fuhr ich gestern fröhlich auf dem Veloweg bis dieser abbog und im Nichts endete. Ich fahre zurück: dort, wo der Weg gemäss Komoot durchgehen soll hat es keinen Weg! Ich fahre wieder zurück (also zurück zum zurück). Und treffe dort einen Menschen, der mir erklärt, dass das eine Sackgasse sei. Und spricht vom Highway als einzige Möglichkeit in Richtung Süden zu fahren. Und da wird mir klar: der nicht existierende Weg – ist der Highway. Ich hätte nicht auf den Veloweg einbiegen dürfen. Eigenartig. Aber folgerichtig.
Heute fahre ich auf einem stark befahrenen Highway und sehe eine kaum befahrene Landstrasse gleich nebenan. Dazwischen liegt leider eine Bahnlinie, aber nur wenige hundert Meter zuvor gab es einen Bahnübergang. Ungewohnt. Beim nächsten Bahnübergang biege ich in die Landstrasse ein und es ist perfekt. Trotzdem schaue ich nochmals genauer hin, vielleicht gibt es ja keinen Bahnübergang mehr zurück und ich lande in einer Sackgasse. Ne. Alles gut. Bis darauf, dass ich nun sehe, dass vielleicht zwei Kilometer entfernt eine weitere Strasse parallel verläuft, Quartierstrasse direkt dem wunderschönen Lake Michigan entlang.
Als ich kurz anhalte und umdrehe, weil ich einen Frosch auf der Strasse gesehen habe, hält ein Tesla Fahrer an. Ob ich Probleme mit der Orientierung hätte. Ein Biker. Will mir helfen. Er bestätigt mir, dass ich nicht entlang des Highways fahren muss. Und schlägt mir den Calumet Trail vor als Alternative, wo es nicht mehr möglich ist dem Ufer entlang zu fahren. Highway oder Schotterpiste, beides sei möglich.
Zuvor aber fahre ich zum See und in der Tat: ideale Radbedingungen. Seltsam. Denn normalerweise macht Komoot genau das Gegenteil. Es bevorzugt kleine Strassen, selbst wenn das Umwege bedeutet. Ich überlege mir, woran es liegen könnte und sehe, dass der Highway als Radroute gekennzeichnet ist. Absurd. Aber Radroute kriegt wohl automatisch hohe Priorität, selbst wenn sie einen äusserst problematischen Verlauf hat und es viel ruhigere, angenehmere, bessere Alternativen gäbe.
Die Fahrt entlang dem Seeufer ist wunderbar, langsam komme ich in Villenviertel mit Villen, deren Unterhalt mehr verschlingt als die meisten Amerikaner verdienen. Und langsam sehe ich die ersten „Kamala Harris for President“ Schilder. Und das erste „Biden Schild“. Vor den Villen stehen Range Rovers und Mercedes, am Samstagmorgen trifft man sich beim schwedischen Bäcker, wo ich gerne Frühstück gekauft hätte, aber die Warteschlange war mir zu lang. Der Kontrast zu anderen Regionen ist schon gewaltig. Und dass die Demokraten nicht mehr unbedingt die Partei der Werktätigen sind, lässt sich hier gut wahrnehmen.
Der grösste Teil des Seeufers ist Privatbesitz. Manchmal hat es aber Wege oder Stege hin zum See und dort: Sandstrand. Wellenbrecher. Wie am Meer. Unglaublich. Ich beschliesse, die heutige Tour zu kürzen, um mehr Zeit am Meer, äh, See zu verbringen. Doch irgendwann muss ich weiter und entscheide mich für den vorgeschlagenen Calumet Trail. Ein Abenteuer mit dem vollgepackten Velo, viele mit Wasser gefüllte Schlaglöcher, anstrengend, herausfordernd, cool. Alternative wäre der Highway, den mir Komoot einmal mehr vorgeschlagen hat.
Irgendwann ist der Calumet Trail dann zu Ende, respektive mal wieder „Road closed“. Über einen recht belebten Bahnhof kann ich die Gleise überqueren und fahre nun auf dem Highway. Komoot ist happy. Doch ich habe Übles vor. Gemäss Komoot müsste ich bald abbiegen und einen Umweg machen. Ich aber will möglichst nahe am See bleiben und vor dem Hotel noch eine Dünenlandschaft besuchen. Komoot will das nicht, eine andere App erlaubt es mir. Also tue ich es.
Und Komoot weigert sich die nächsten 12 Kilometer, meine Entscheidung zu akzeptieren. Normalerweise berechnet es den Weg einfach neu, hier weigert sich die App und sagt mir, ich müsse umkehren. Vielleicht hat das ja damit zu tun, dass ich inzwischen auf einem vierspurigen, richtungsgetrennten Highway fahre. Die Fortsetzung des Highways, auf den mich Komoot immer locken wollte. Seltsam. Ich ziehe es durch und es klappt alles problemlos. Ich besuche die Dünen, will dann zum Hotel fahren. Das liegt ganz in der Nähe. Komoot will nun allerdings, dass ich fast die ganzen 12 Kilometer wieder zurückfahre (auf dem Highway, den es mich nicht fahren lassen wollte), obwohl ich nur noch eine Brücke überqueren muss. Seltsam.
Gut. Natürlich ist die Ausfahrt dann gesperrt. Baustelle. Mit dem Velo aber kein Problem. Und fünf Minuten später bin ich schon beim Einchecken. Ich muss etwas warten und beende die Tour in der App – und da fällt mir etwas auf. Ich habe wohl eine Stelle auf dem von Komoot vorgeschlagenen Umweg markiert (schwarzer Kreis unterhalb des „36“). Das bedeutet, dass ich dort unbedingt dran vorbeifahren will. Hm. Ob das der Grund für das seltsame Verhalten war und nicht, dass ich einen von Komoot „verbotenen“ Highway befahren habe?
Disclaimer. Für die Werbung in diesem Post erhalte ich von Komoot 100 Dollar pro neu angeworbenen User. Einfach „Reymans_Reysen“ vor dem Download der App angeben und Sie erhalten 2.5 Prozent für den ersten Monat des Premium Abos. Nur für kurze Zeit!
P.S. Nach den Baguettes von gestern, heute die Ernüchterung: Gleicher Name, aber…
Lieber Herr Rey
Danke für diesen Beitrag. Wie ich zu erkennen glaube, kommen Sie unter die Fittiche der Apps. Schön finde ich, dass Sie wahlweise die App wechseln, je nachdem, wer Ihnen Recht gibt. Sie wären wohl ein gut zu beeinflussendes Subjekt journalistischer Texte politischer Couleur, sofern die Bubble richtig gewählt ist.
Nun möchte ich einen Vorschlag machen: Was halten Sie davon, wenn Sie alle Bilder mit Bildunterschrift versehen? Ich fand das jeweils sehr hilfreich. Umgekehrt fand ich mich etwas verloren bei Bildern ohne Bildunterschrift. Nur so ein Vorschlag. Auch die Profis machen das.
Und vielleicht mal ein Drohnenvideo? Oder wurde Ihnen die bereits gestohlen?
Übrigens habe ich neulich in Zürich eine Pizza gegessen, die der Ihrigen gleichzukommen scheint. Man sehe, Zürich – USA: lauter Parallelen.
Liebe Grüsse
S
Ich. Habe. Immer. Recht. Punkt.