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Tag 117 Memphis

B. hat vier Jobs, ihr wurden schon mehrfach Pistolen ins Gesicht gehalten (gehört hier zum Alltag) und sie zeigt mir die etwas düster-gruseligeren Seiten von Memphis. Mich fasziniert ihre Begeisterung mit der sie mich durch die Stadt führt. Ihre zumindest gefühlte Unbeschwertheit mit der sie durch ein sicherlich nicht einfaches, aber vielleicht auch nicht untypisches amerikanisches Leben geht. Ich mag sie. Und ich merke mal wieder wie naiv und wohlbehütet ich bin – und was für ein Glückspilz, dass mir bislang nichts geschehen ist. Noch nicht mal etwas gestohlen. Ausserhalb Europas. Oder gemäss bro, welcher Pechvogel. Weil noch nie was Gravierendes geschehen ist.

Dabei war ich in Gegenden, wo man mit meinem Verhalten eigentlich nicht hätte durchgehen sollen. Ein Beispiel kommt mir grad in den Sinn als ich mit dem Velo durch Vororte Sarajevos fuhr, nahe an der früheren Frontlinie, sogenannte schlechte Gegend. Und das alles sehr spannend fand. Gab dann sogar noch einen sehr schrägen Unfall mit Blechschaden und viele Eindrücke. Action. Am nächsten Tag buchte ich eine Kriegsschauplätzetour und wir gingen in genau dieses Quartier. Und irgendwann sagt der Guide, ob ich diesen Typen dort gesehen hätte, der gerade am Telefon sei. Und uns beobachte. Und wohl weiterleitet, dass hier ungewohnte Typen sind. Der eine mit einer sehr grossen Tasche, womöglich voller Wertsachen. Ich. Ungut. Fast noch übler war dann allerdings, dass er mich gleich nach dieser Szene hinter einen Wohnblock führte und ich plötzlich nicht mehr sicher war, ob ich ihm überhaupt trauen konnte. Konnte ich. War ein ganz feiner Mensch mit einer tragischen Geschichte. Am nächsten Tag führte mich dann sein Vater, der damals gedient hatte an Stellen an der vordersten Front.

Solche Geschichten gehören natürlich auch zu meinem Unterricht. Und Herr Wixy-Waxy, das werde ich wohl eher nicht ändern. Aber ehrlich gesagt habe ich schon grosse Pläne. Die ich gar nicht wegbeepen muss, ich kann die jetzt auch ganz öffentlich erörtern. Es ist ein grundlegend neues Lebenskonzept und ich bin zuversichtlich, dass das alles klappen wird.

Beginnen werde ich damit, dass ich meine Wohnung erst einmal gründlich ausmiste. Das ist auch zwingend nötig. Denn es soll nur noch das Nötigste drin erhalten bleiben. Minimalismus. Neue Möbel. Alles weg, was ich nicht brauche und alles weg, was ich noch brauche. Damit ich die Wohnung untervermieten kann. Das soll ja möglich sein. Und dann kaufe ich mir einen Stealth Van. So einen Kastenwagen, dem man nicht ansieht, dass da jemand drin leben könnte. Und baue den aus. Mit allem, was ich noch brauche und ja jetzt weg ist aus der Wohnung. Und dann so ein gemütliches Bett rein und gemütliches Licht rein und praktische Küche rein und auch ein wenig gemütlich die Küche und überhaupt. Kühlschrank für Fleisch, Gemüse und Bier. Und Cola Zero. Dosen. Gemütlich und mobil und von aussen nicht erkennbar. Dass ich da drin wese. Damit ich auch auf dem Alexanderplatz campen kann und es keiner merkt und weil es keiner merkt es auch keinen kümmert. Vor dem Eiffelturm. Dem Kolosseum. Dem Grossmünster. Einfach überall. Kreml. Graceland. Neuschwabenland. Überall.

Und wenn das alles fertig ist kommt der spannende Teil des Plans. Dann rufe ich die Schulleitung an und kündige ihr an, dass ich fortan Fernunterricht aus dem Van gebe. Das ist ja viel spannender für die Schüler. Da kann sie gar nicht nein sagen. Die Schulleitung Hehe. Muss man nur geschickt verkaufen. Und dann fahre ich von spannendem Ort zu spannendem Ort und unterrichte von spannenden Orten, was an diesen spannenden Orten alles Spannendes geschehen ist. Komplett neuartiges und vor allem spannendes Unterrichtskonzept. Und wenn ich mal nicht an einem spannenden Ort bin, dann unterrichte ich einfach 1291 und 1848. Wovon die Schüler heute angeblich nichts mehr wissen gemäss NZZ. Aber bei mir gehört das zum Unterrichtskonzept. Spannend und wenn nicht spannend, dann halt wirklich nicht spannend. Vorfreude wecken. Weil wenn immer spannend ist es ja irgendwann nicht mehr spannend. Kennen wir alle. Dann braucht es ein Abenteuer. Oder zwei. Oder. Eben. Kennen wir. Abenteuer. Zwinkerzwinker.

Ja, ich glaube. Das ist es. Und ich bin mir sicher, die Schulleitung wird diesem Plan auch begeistert zustimmen. Oder vielleicht auch nicht so begeistert. Aber auf einen Reyman kann die Schule natürlich nicht verzichten! Denke ich. Also glaube ich. Also. Hm. Gut. Vielleicht überlege ich mir das doch noch einmal. Wobei. Diese eine Stunde habe ich ja tatsächlich 2020 aus dem Tessin gegeben. Airbnb mit guter Internetverbindung und Seesicht. Und hat keiner gemerkt. Genau. So könnte das klappen. Ich sage einfach niemandem etwas. Dann merkt das ja auch keiner. Hehe. Schlau.

Gut. Vielleicht muss ich noch etwas feilen. An meinem Plan. Ich könnte natürlich auch meinen Stealthvan einfach an der Langstrasse parken. Und dann zu Fuss in die Schule gehen. Mich auf das Sofa im E34 legen, das leider zurzeit gerade verschollen ist. Mannmannmann. Das Sofa wurde geklaut. Ich fasse es nicht. Da ist man einmal ein paar Tage weg und schon kommen die Langfinger an der Langstrasse. Da gondelt man jahrelang durch die Welt, nix wird geklaut und einmal nicht so genau hingeschaut und Sofa weg. Ich sags euch: nicht Memphis ist gefährlich, sondern die Schweiz. Zürich. Lagerstrasse. Für Hinweise, wo sich das Sofa gerade befindet wird ein hoher Finderlohn ausgesetzt. Ähm. Eine Erwähnung in diesem Blog. Ein Kompliment von mir! Grandioses Kompliment. So richtiges Kompliment-Kompliment. Kompliment-Kompliment-Kompliment. Danke. Mannmannmann. Das Sofa wurde geklaut. Dreist. Superdreist. Ich fasse es nicht. Das Sofa. Weg. Fies. Genau. Richtig fies. Belohnung Kompliment-Kompliment-Kompliment-Kompliment. Im Minimum!

Gut, Herr Wixywaxy. Ich glaube wir machen jetzt einfach nochmals ein lautes Beeeeeeeeeeep. Ich muss da nochmals drüber. Über meinen Plan. Neuen Plan aushecken. Und neuen Text. Weil zu Memphis war da heute zu wenig drin dafür, dass der Name sogar titelgebend war für diesen Post. Dabei hat Memphis schon einiges zu bieten. So viel, dass ich mich wohl langsam besser zu Ruhe lege (so heisst meine Braut für heute Abend), um morgen fit zu sein für einen weiteren spannenden Tag, von dem ich in meinem spannenden Unterricht spannend erzählen können werde. Auch Geschichten, die von B. inspiriert wurden. Spannend.

Nachtrag: Ich sitze in der silly goose. Von B. vorgeschlagen. Ist grad nicht so viel los. Die Servierdüsen (-töchter darf man ja wohl nicht mehr sagen) üben Gläser durch die Bar zu tragen. Unfassbar lustig. Ein regelrechter Parcours wird aufgebaut und sie gehen von einer Seite der Bar zur anderen, Gläser voller Wasser oder Eis mit einer Hand balancierend. Auf einem Tablett. Samsung, nicht Ipad. Und die Chefin verkomplimentiert sie. Oder auch auf neudeutsch: verstärkt sie positiv. Cool. Nein. Heiss. Also die Girls. Aber cool wie die das machen. Im Hintergrund laufen lustige Youtubevideos (wer hat den schlimmsten Unfall) und Basketball. Was mich daran erinnert, waren da noch Wahlen? Oder? Habe ich mal gehört von. Aber vielleicht habe ich mich grad auch vertan. Lange her. Nicht so wichtig. Ausser man liest europäische Medien.

Nachtrag 2: Trump wurde vor einer Woche gewählt. Und gefühlt hat er schon mehr angepackt als Biden in 4 Jahren. Die ganze Welt zittert. Das ist es, was hier gesehen wird. Eine Gefahr für die Demokratie? Ein Faschist? Ne. Trump liefert. Ich befürchte leider das Falsche, aber er liefert. Zusammen mit Musk. Dreamteam. Kamala, wer? Ach Gott! Aber nicht im ernst! Bye Den! Bye bye Den.

Nachtrag 3: Eigentlich war es mein Plan, hier verewigt zu werden. Man kriegt einen solchen Teller, wenn man alle Biere der Bar getrunken hat. 3 Tage. Das schaffe ich. Sage ich mir. Die Servierdüse sagt mir jetzt: sind 200. Nicht alle vorrätig. Braucht Zeit. 200, das hätte ich ja geschafft, aber diese Waschlappen haben nicht alle vorrätig. Unfassbar! Dann halt nicht.

Nachtrag 4: Habe soeben mein Airbnb um 3 Monate verlängert. Das schaffe ich. Wäre doch gereyt! 200 mal nicht mal 5 Dezi. 100 Liter. Nicht mal. 200 kleine Grosse. Lächerlich. Hektoliter. Primarschule. Gelacht.

Nachtrag 5: Habe soeben meine Airbnb Verlängerung um 3 Monate gekürzt. Das Sofa. Dem muss ich nachgehen. Wäre gerne noch etwas in Memphis geblieben, 200 Biere verköstigt, aber das Sofa. Man muss Prioritäten setzen. Mann. Das Sofa wurde geklaut. Einfach so. Ich fass es nicht. Das Sofa. Dabei war es noch so jung! Traurig. Ur.

Nachtrag 6: Gut. Das mit den Pistolen. Kann durchaus stimmen. Vielleicht wars aber auch mehr Einstimmung in einen Gruselspaziergang. Auch egal. Memphis ist auf jeden Fall eine nicht ungefährliche Stadt, weshalb etwas Vorsicht auf jeden Fall sinnvoll ist.

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2 Gedanken zu „Tag 117 Memphis“

  1. Lieber Reyman

    Mannomann, um mal Ihre Sprache zu imitieren. Schon ziemlich unterhaltsam, aber meinten Sie nicht einmal, die Texten werden kürzer? Hab ich das vielleicht überlesen, was?

    Spannendes (!) Konzept mit dem Stealthvan. Hat aber irgendwie auch ein Gschmäckle…vor allem an der Langstrasse. Sofa, ja, an dieser Schule herrschen Zustände, sage ich Ihnen, verehrtes Publikum, da werden sogar Sofas geklaut, die vorher in mühseliger Arbeit von zwei Vollpfosten zusammengebaut wurden.
    Sofas für Kultur, also wenn das mal kein guter Deal ist? Sofa als Prävention? Nicht mehr weit bis zum Psychiater. Wobei…

    Lieber Reyman, verkaufen Sie alles, leben Sie flexibel, 25 Hours Langstrasse soll gut sein. Oder bei uns oben im Velokeller. Oder kaufen Sie sich tatsächlich einen Minivan, gudpreys habe ich gehört. Wie immer: auf Ihrer Seite!

    Mit freundlichen Grüssen
    Mr. Achwaswolls

  2. Nun, das mit dem Sofa war so: Ich denke derzeit über meine Zukunft nach. Schon Freud hat dafür ein Sofa empfohlen, wenn auch nicht nur für künftige Traumpfade. Aufgeund dieser existenziellen Notwendigkeit sah ich keine andere Lösung, als …

    LG

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