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Noch 32 Tage San Martín de los Andes

Das Erste, was ich am Grenzübergang in Bezug auf Argentinien wahrnehme ist ein Renault 16 Kombi. Sehr schönes Auto. Klare Linien, funktional und einfach ein gutes, zeitloses Design. Und das mit dem Zeitlos ist es, was mir auffällt. Ein solches Auto aus den 1970er Jahren habe ich in Chile keines gesehen. Zumindest bewusst. In Chile gibt es viele chinesische Autos, auch SUVs, aber wie auch schon erwähnt nur wenige Luxusmarken. Der Renault 16 bleibt in Argentinien kein Einzelstück. Das Modell war auch in Europa sehr weit verbreitet und wurde unter anderem noch in der Ära des Sozialismus in Rumänien als Dacia hergestellt. Viele davon fahren heute noch in Afrika, grundsolide Autos. 

Die Autos in Argentinien sind im Durchschnitt deutlich älter als jene in Chile. Es gibt kaum Neuwagen, dafür viele Modelle, die es in Chile nicht gibt. Ich nehme an in Brasilien gebaute Ableger von europäischen Marken. Der VW Suran etwa, sieht aus wie ein Touran, aber wohl mit weniger Ausstattung, günstiger gebaut. Oder der berühmte VW Gol. Von Fiat gibt es Modelle, die ich sonst noch nirgendwo auf dieser Welt gesehen habe. Vor allem aber fällt auf: Autos werden gefahren bis sie nicht mehr fahren. Das war in Europa noch vor 30 Jahren nicht anders wie ich mich selber erinnere. In Frankreich, Italien. Heute sind die alten Fiats und Renaults fast verschwunden bis auf speziell gepflegte Liebhaberexemplare. Ein Zeichen für mehr Wohlstand. 

Doch nicht nur die Autos unterscheiden sich stark zwischen Chile und Argentinien. Auch die Strasse. Bis zum Grenzübergang fahren wir auf einer perfekt geteerten Strasse. Vermutlich exakt auf der offiziellen Staatsgrenze wird eine Gravelstrasse daraus. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und ich hatte den Plan gehabt mit dem Brompton über einen viel kleineren, wenig besuchten Grenzübergang zu reisen. Wäre vermutlich auch alles Gravel gewesen – mit dem Brompton fast unfahrbar. Hier aber hat es Dutzende Leute, die sich für die Passkontrolle anstehen, ein ziemliches Chaos. Die Gravelstrasse geht rund 13 Kilometer, dann beginnt auch in Argentinien der Teer. Wirkt auf mich so als ob die Finanzierung für die ganze Strasse gestanden hätte – dann aber Geld „versickert“ ist und es deshalb für die letzten 13 Kilometer nicht mehr gereicht hat. Pure Spekulation, wäre aber nicht untypisch. 

Heute will ich ein Busticket kaufen nach Bariloche. Gestern hatte es noch recht viele Sitze, heute ist er ausverkauft, mal wieder. Ich kann aber zum Glück das gleiche Zimmer verlängern und so bleibe ich einfach eine weitere Nacht und fahre dann Dienstagmorgen weiter statt Montagnachmittag. Faszinierend, fast schon kafkaesk ist aber die Buchung des Bustickets. Wenn ich es richtig verstanden habe fährt der Bus direkt. Ich muss aber zwei Tickets kaufen, inklusive Sitzplatzreservation. Also ein Sitzplatz von San Martin nach Villa La Angostura und dann ein anderer Sitzplatz von Villa La Angostura nach Bariloche. Gleicher Bus. Mit umsetzen. Wie mir die Receptionistin schon gesagt hat: Argentinien ist komplizierter. Beim Billettkauf muss ich natürlich Pass und Geburtsdatum angeben, das ist aber ziemlich üblich. Spannender ist dann die Auswahl der Bezahlung. Irgend 100 Optionen. Vor allem Teilzahlungen sind möglich, was auf das wirtschaftliche Problem hinweist. Keine Ahnung wie das im Detail funktioniert, aber man scheint ein Busticket (und vieles anderes) auch in Raten bezahlen zu können. Und dann halt je nach Kredit- oder Debitkarte wieder unterschiedliche Optionen. Beim zweiten Mal hat es jedenfalls geklappt und so habe ich morgen noch einen Ruhetag im durchaus hübschen San Martin de los Andes und werde am Dienstag nach Bariloche fahren, wo ich mal wieder unfassbares Glück hatte: eine Wohnung leicht ausserhalb direkt am See mit phänomenalen Reviews – und dazu sogar noch günstig. 5 Nächte sind gebucht und am Sonntag der Zug in den Osten. Fortsetzung folgt.

Nachtrag: Ich sitze in der Hotellobby/Restaurant, da ich nur da Wifi habe. Alle Tische sind seltsam weit auseinandergerückt, das war gestern anders. 5 Minuten später, Punkt 9 Uhr beginnt das Spektakel. Es wird Tango getanzt. Zugegeben, San Martín ist sicher ein wohlhabender Ort für Argentinien, aber hier ist von einer Krise wirklich nichts zu spüren.

Nachnachtrag: es ist jetzt 10 nach 9. Es läuft bereits wieder „normale“ Musik. Fertig getanzt. Jetzt wird gegessen…

Nachnachnachtrag: Falsch. Geht weiter. Tanz. Essen. Tanz. Und so. Glaube ich zumindest…

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