Wie ich gerade aus einem Youtube Video erfahren habe, bin ich heute durch die wohl schönste Strasse Argentiniens gefahren. Die Ruta de los siete lagos. Meine Vorbereitung hat wirklich Verbesserungsbedarf. Wusste ich nicht. Die Strasse führt durch eine wunderschöne Gegend, klar, es hat viele Velofahrer mit viel Gepäck, wo ich mich dann schnell frage, warum tut ihr euch das an? Vielbefahrene Strasse, viel zu schmal, viel zu gefährlich. Würde ich niemals machen. OK. Lassen wir das.
Immerhin überlege ich mir tatsächlich, ob ich die 70 Kilometer mit dem Brompton zurücklegen soll. Aber 70 sind viel. Vor allem mitten in den Anden mit viel ab und noch viel mehr auf. Eine knappe Stunde sind wir schon mit dem Bus gefahren und dann ertönt ein Warngeräusch und der Fahrer fährt in den Kies neben der Strasse. Leider versperrt ein Vorhang die Sicht auf die Strasse vor uns, was aber nicht so wild ist, denn das Spannende geschieht hinter uns. Es beginnt zu riechen und dann kann man auch den Rauch erkennen. Nicht gut. Der Bus fährt langsam weiter, bis er eine Einbuchtung findet, der Busfahrer steigt aus, geht nach hinten zum Motor. Hechtet darauf fast ins Cockpit, um den Motor so schnell als möglich auszuschalten. Nicht gut.
Wenige Minuten später verlässt der Kapitän das sinkende Schiff. Hält einen Wagen an und fährt zurück in Richtung San Martin. Sack das. Gut. Der wahre Grund ist der, dass es hier keinen Empfang gibt. Wie auch nicht für die nächsten rund 40-50 Kilometer. Insofern haben wir Glück gehabt, denn nur wenige hundert Meter früher hatten wir noch Empfang. Zumindest nehme ich an, dass es nicht viel weiter ist, da der Fahrer vielleicht 15 oder 30 Minuten später zu Fuss zurückkehrt. Ich verstehe natürlich nichts, aber immerhin so viel habe ich verstanden: es geht nicht weiter.
Was mich fasziniert ist wie ruhig alle bleiben. Kein einziges Schimpfwort, niemand, der ausrastet. Gefällt mir. Es ist eine erstaunlich entspannte Atmosphäre, auch wenn nicht klar ist, wie es nun weitergehen soll. Irgendwas von „Collectivos“ höre ich, aber für 50 Leute? Mit Gepäck?
Zwei Frauen versuchen es mit Autostopp. Mich erstaunt es, dass sie die einzigen sind. Allerdings warten sie lange, mehrere Dutzend, oftmals halbleere Autos fahren vorbei. Dabei ist die Situation offensichtlich, droht kein Hinterhalt. 2 Stunden später versuchen sich noch zwei Jungs – ganz ohne Erfolg. Denn nach 3 Stunden fährt ein Bus mit angestelltem Warnlicht ein – der Ersatzbus. Der von unserer Endstation hierhergebracht werden musste – es sind über 2 Stunden reine Fahrt, das geht in Ordnung.

Für mich aber ist das Abenteuer noch nicht zu Ende. Ich glaube, ich habe es unbewusst extra gemacht. Ich liebe es, Systeme zum Kollaps zu bringen. Irgendetwas zu machen, das so nicht vorgesehen war. Und mich dann zu erstaunen, dass es nicht klappt.
Warnung: das Folgende ist wohl relativ abstrakt. Ausser DJ Bobo, der ja alle Posts liest und versteht können die geneigten Leser diese Passage auch gerne auslassen.
Wie bereits in einem anderen Post erwähnt muss man für den Direktbus von San Martin (1) nach Bariloche (3) zwei Tickets erstehen. Kann für beide Teile der Fahrt einen Sitz wählen. Also Sitz 18 von San Martin (1) nach Villa La Angostura (2) und Sitz 26 von Villa La Angostura (2) nach Bariloche (3). Ich habe deshalb die brillante Idee, Sitz 18 von San Martin (1) nach Villa (2) zu buchen – und den zweiten Teil der Fahrt noch offen zu lassen. Vielleicht will ich ja in Villa bleiben.
Als ich dann den zweiten Teil der Reise doch noch buchen will, beginnen die Probleme. Ich kaufe ein Ticket für den 9:45 Bus ab Villa (2). Bemerke dann sofort, dass 9:45 die Abfahrtszeit ab San Martin (1) ist. Wie doof von mir. Die 5 Franken verschmerze ich. Ich kaufe deshalb ein zweites Ticket mit 11:45 als Abfahrtszeit ab Villa (2). Wundere mich ein wenig, dass die Sitzordnung irgendwie anders ist. Erst am nächsten Tag realisiere ich, dass der Bus von San Martin (1) nach Villa (2) erst um 12:05 in Villa (2) ankommt, ich aber den Bus ab Villa (2) nach Bariloche (3) um 11:45 gebucht habe. Also nochmals. Der Bus ab San Martin (1) erreicht Villa (2) um 12:05 und fährt um 12:15 weiter nach Bariloche (3). Aber um 12:15 gibt es keinen Bus zu buchen. Also buche ich halt einen um 13:30, was mich zu einer Mittagspause in Villa (2) zwingt. Und nerve mich gehörig über meine Dummheit. Denn eigentlich hätte ich ja schon am Vortag fahren wollen, aber ich hatte mich zu lange nicht entscheiden können und musste deshalb nochmals einen Tag in San Martin (1) bleiben. Und jetzt bin ich einen Tag später dran und muss, weil ich mich schon wieder nicht entscheiden kann, eine Pause in der „Mittelstation“ einlegen. Halb so wild, aber nervt.
Das war jetzt trotz der Ziffern (1 für Anfangsstation, 2 für Mittelstation, 3 für Endstation) hochgradig unverständlich. Mein Problem war aber simpel. Ich sitze im Bus von San Martin (1) über Villa (2) nach Bariloche (3). Ich habe aber nur ein Ticket für diesen Bus von San Martin (1) nach Villa (2). Der Bus hat 3 Stunden Verspätung, ich verpasse also meinen zusätzlich gebuchten anderen Bus von Villa (2) nach Bariloche (3). Mühsam. Und vielleicht sind alle späteren Busse inzwischen auch ausgebucht. Aber vielleicht kann ich ja einfach in diesem Bus bleiben, der ja direkt nach Bariloche (3) fährt, ich einfach kein Ticket für habe?
Vor Villa (2) werde ich etwas ungeduldig. Hier steigen ein paar Leute aus, aber vermutlich auch ein paar Leute ein, denn der Bus ist ausgebucht. Wenn jetzt nur jemand nicht 3 Stunden gewartet hat in Villa (2) (es gibt mindestens jede Stunde einen Bus), müsste es klappen. Dann wäre ein Sitz frei. Wir fahren in Villa (2) ein – und es steht eine Horde an der Bushaltestelle. Scheisse. Das wird anstrengend. Um es kurz zu machen: es war nicht anstrengend. Die Horde wartete auf den 3:30 Uhr Bus von Villa (2) nach Bariloche (3), der 5 Minuten später einfahren sollte. Unser Bus war ja der Direktbus von San Martin (1) nach Bariloche (3) – weshalb NIEMAND in Villa (2) einsteigen konnte. Man konnte den zweiten Teil der Fahrt gar nicht individuell buchen. Mein Versuch war also von Vorhinein zum Scheitern verurteilt gewesen. Vorteil für mich: ich kann sitzen bleiben (sogar auf demselben Sitz) und komme problemlos in Bariloche (3) an, wo es leider regnet. Was deshalb ein wenig ein Problem ist, weil ich noch 6 Kilometer radeln muss. Aber wir sind in Patagonien. Da gehört das einfach dazu.

Es war nicht der entspannteste Tag meines Lebens, dafür sitze ich jetzt in einem genialen Airbnb mit phänomenalem Blick auf einen See, ab morgen soll die Sonne scheinen und so ist es mal wieder Zeit, um zurückzulehnen und zu schauen, was das Reysen sonst noch so bringt…
Nachtrag: Schaue ein Youtubevideo von einem Airlineyoutuber. Er fliegt von Lilongwe über Harare nach Lusaka. Er wundert sich, dass Leute in Harare den Sitz wechseln. Dasselbe Problem, das ich hier erlebt habe. Nur mit Flugzeugen…
Ach, so abstrakt ist das gar nit. Freut mich aber, dass Sie in Patagonien angekommen sind. Nicht schlecht, so weit südlich von da, wo Sie herkommen!
Vor 2 Tagen habe ich die Komoot Collection „Ruta de los seismiles“ von „Die Podtschis“ erhalten und angeschaut, mich gefragt, wie es wohl wäre, dort durchzuradeln. Nicht herausgefunden hatte ich, ob die Strasse geteert ist oder Gravel.
Und heute entdecke ich Deinen Post zu genau dieser Ruta, lese natürlich aufmerksam, was mein weltgewandter Bruder so alles schreibt.
„Viele Velofahrer mit viel Gepäck“, schreibst Du – also nicht ganz der Geheimtipp.
Was aber auch klar wird: Velo mit viel Gepäck ist mit Sicherheit die bessere Reiseart als mit dem Bus. Ich habe zwar nichts verstanden bezüglich dem wirren Text mit den Zahlen (ist das Algebra? Oder Philosophie?), im Gegensatz zu DJ B finde ich es sehr abstrakt.
Was mich erstaunt ist die „Triggerwarnung“, hätte nicht gedacht, dass Du plötzlich so Wokeness-Verhalten adapierst.
(Obwohl, ich fühle mich jetzt gerade WEGEN der Triggerwarnung in meinen Gefühlen verletzt – traust Du mir und allen anderen Lesenden nicht zu, das zu verstehen? Gopf.
Zumindest bei mir hast Du zwar recht, dennoch geht das GAR NICHT!!! – ich ziehe mich jetzt dann gerade in meinen Safe-Space unter die warme, kuschelige Decke zurück).
Auf alle Fälle schien die ganze Busfahrt kompliziert und eine nicht gerade entspannte Reise gewesen zu sein. Motoren sind halt anfällig…
Wenn bei mir das Velo-Hinterrad jeweils qualmt, weil ich zu lange und/oder zu schnell gefahren bin, mache ich einfach eine kurze Pause um es auskühlen zu lassen, und kann dann entspannt weiterfahren.
Beim durchlesen dieses kleinen Textes merke ich plötzlich, dass Du ja doch anderswo unterwegs bist, nicht auf der „60“.
Aber Ruta stimmt immerhin. Zudem beginnt seismiles und siete beides mit einem S. Immerhin. Man kann sich ja mal irren.
Und eigentlich wollte ich Dich vor allem fragen, wie das Reise-Radler-Buch heisst, das Du in einem kürzlichen Post erwähnt hast.