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Noch 17 Tage Bus, Buenos, Bolitik

Da fährt er, mein Bus. Es ist irgend 3 Uhr morgens, ich bin müde. Was vielleicht erklärt, warum der Bus fährt, obwohl sich meine Riesentasche noch im Gepäckraum befindet. Nicht so schlimm. Ich brauche ja fast nichts mehr für die letzten Tage. Dumm nur, dass auch meine Umhängetasche noch im Bus ist. Inklusive Handy, das ich sonst immer in der Hosentasche trage. Diesmal nicht, weil es immer wieder herausgefallen ist. Laptop, Kamera mit ungesicherten Bildern, Wertsachen, Wohnungsschlüssel, alles im Bus. Immerhin, Pass und mehrere Kreditkärtchen habe ich dabei, irgendwie wird es schon weitergehen.

Mein Airbnb Host will über Politik reden. Vielleicht mal noch länger. Er sagt fast wortwörtlich, was man auch in europäischen Qualitätsmedien lesen kann. Er verachtet Trump (will er gleich mal klarstellen), sieht aber die Veränderungen durch Milei und hegt zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren Hoffnung auf eine Verbesserung. Milei findet er nicht cool, aber das, was er macht irgendwie schon. Es ist ein Experiment, das anscheinend bereits positive Früchte hervorbringt. Ich frage noch nach Armut und er zuckt fast mit den Schultern, nein, kein grosses Problem, natürlich gibt es grosse Armut und er verweist dann – ich musse innerlich schmunzeln – auf Obdachlose. Sind mir auf dem Weg vom Busbahnhof zur Wohnung keine aufgefallen, Zustände wie in den USA gibt es hier definitiv nicht. Und auf diesem kurzen Weg muss ich einmal mehr sagen: die Armut in Chile scheint mir wirklich grösser zu sein. Vielleicht bin ich den falschen Gegenden gewesen, aber es ist wirklich auffallend. In Santiago überall Strassenhändler, hier kaum.

Dafür soll Palermo, der Stadtteil, wo ich mich grad befinde, ein wohlhabender Stadtteil für Buenos Aires sein. Im Vergleich zu den wohlhabenden Stadtteilen in Santiago de Chile wirkt das definitiv nicht so. Vielleicht gibt es sie hier ja auch, die Malls, ich habe aber das Gefühl, dass der Wohlstand „nach oben“ hier in Argentinien etwas gedeckelt ist. Das würde ein „Klischee“ erklären, das womöglich der Realität entspricht: in Chile ist die Ungleichheit grösser. Es gibt mehr Armut, aber auch mehr Wohlstand, in Argentinien schlagen sich alle irgendwie durch, sind alle eher arm, aber es fehlen die Extreme. Was vermutlich nicht ganz stimmt: gerade extreme Armut ist wohl verbreiteter als ich es wahrnehme.

Möglicherweise habe ich das Beispiel schon mal erwähnt von einer jungen Frau, die in einem Magazin einen Bericht über den Palästinakonflikt publiziert hat. Sie flog nach Tel Aviv, machte dort eine Woche Party und meinte dann, dass es da gar kein Problem gäbe. Ich habe selten etwas Naiveres gelesen. Ich werde Buenos Aires sicherlich noch etwas erkunden, mit offenen Augen durch verschiedene Quartiere fahren, wobei mir mein Host versichert hat, dass die Stadt sicher sei. Keine Entführungen oder Überfälle zu erwarten. Gleichwohl gibt es natürlich Viertel, wo man besser nicht hingeht, auch wenn die Chance, dass etwas passiert sehr klein ist. Respektive vor allem, dass ich dann kein Velo mehr kompliziert mit dem Flieger würde transportieren müssen…

Apropos Velo, genau. Also der Bus kommt natürlich 15 Minuten später wieder zurück. War wohl tanken, sich auffrischen, Pause machen. Aber nicht nur ich war irritiert, die Kommunikation hätte wohl besser sein können. Alle hatten den Bus verlassen müssen. Vielleicht eine Sicherheitsmassnahme. Vielleicht auch einfach Argentinien.

Noch ein kurzer Nachtrag zur Busreise. Diesmal musste man dem Gepäck-in-den-Bus-Tuer ein Trinkgeld geben. Ich hatte leider nur eine 10’000er Note, was 10 mal zu viel war. Ich war aber so froh, dass mein Riesengepäckstück akzeptiert wurde, dass ich es ihm gegönnt habe, für ihn macht es einen Unterschied, für mich nicht. In Buenos Aires dann das gleiche Spiel beim Aus-dem-Bus-entfernen-von-Gepäck, diesmal habe ich einen 1000er, er beschwert sich aber gleich, schwere Tasche, er will mehr. Gebe ihm 2000, keine Frage. Wobei ich nicht weiss, ob sie etwas davon abgeben müssen – sonst wäre das ein verdammt guter Job. Ein Bus hat 50 Plätze, 40 haben Zusatzgepäck, macht 40 Franken pro Bus, Aufwand vielleicht eine Viertelstunde…

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