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Von Tourismus und Prostitution

Temple Bar ist „das“ In-Quartier von Dublin. Auf der Suche nach einem sympathischen Pub musste ich aber kapitulieren, da ich es nicht ertrage, wenn schon am Eingang schweizerdeutsch gesprochen wird. Und wenn da offensichtlich vor allem Leute im Pub drin sind, die drin sind, weil man das eben so macht. Man ist ja in den Ferien und in Dublin „macht“ man halt auch ein Pub im Temple Bar Quartier. Und so stehen sie denn in den „In-Pubs“, trinken, nein, würgen ein Guinness hinunter, weil sich das halt so gehört und man dann zuhause stolz erzählen kann, dass man in der Temple Bar war und ein Guinness getrunken, nein, genossen hat.

Wenn ich als Tourist so über Touristen schreibe, entbehrt das natürlich nicht einer gewissen Ironie. Zumal ich mich ins Temple Bar Quartier aufgemacht hatte, um in ein Pub zu gehen, ein Guinness hinunterzuwürgen und so meiner Checkliste „gemacht in meinem Leben“ einen weiteren Haken hinzufügen zu können. Ja, ich glaube mich davon abzuheben, nein, ich weiss nicht, ob dem wirklich so ist. Denn wie jeder Tourist möchte ich eine fremde Stadt, einen fremden Ort, eine fremde Landschaft kennenlernen und wie jeder Tourist bringe ich damit Geld in diese Orte. Und wie jeder Tourist trage ich damit zu zwei Entwicklungen bei.

Tourismus ist für viele Orte lebensnotwendig. Brechen nach einem Anschlag oder einer Naturkatastrophe die Besucherzahlen ein, leiden vor allem die lokalen Menschen darunter. Und in der Tat, obwohl sich fast unglaublich viele Touristen in den Gassen drängen, herrscht grosse Konkurrenz zwischen den verschiedenen Bars und Restaurants im Temple Bar Quartier. Man wird beinahe so stark umbuhlt wie wenn man als Mann ein eindeutiges Rotlichtviertel zu durchqueren versucht. Das Angebot ist grösser als die Nachfrage und die Konkurrenz führt zu einem Werben um die zu spärlich (wenn auch nicht wirklich spärlich) vorhandene Kundschaft. Die Miete muss eingebracht, es will verdient werden.

Dieser Verdienst ist aber auch mit hohen Kosten, mit Identitätsverlust verbunden. Es gibt Städte und Landschaften, die das gut verkraften, nicht zuletzt, weil sie gross genug sind. Das Zentrum von Dublin im Sommer erscheint mir etwas zu klein für die gewaltigen Touristenmassen, weshalb man teilweise fast erschlagen wird – insbesondere, aber nicht nur im Temple Bar Quartier.

Vielleicht bin ich aber auch einfach bereits zu lange als Tourist in Touristenvierteln von verschiedenen Städten unterwegs und muss mich deshalb davon abgrenzen. Es ist wohl Zeit, die Touristenpfade zu verlassen und mich ins weniger bekannte Landesinnere und ins ehemalige Bürgerkriegsland Nordirland zu begeben. Zuvor muss ich allerdings noch etwas erledigen, das mich mit Grauen erfüllt: in der Temple Bar ein Guinness… – Prosit!

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