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Tag 44 Dorniger Tag

Nein, ich habe meine gute Laune nicht verloren. Auch wenn es nicht immer einfach ist. Ich hatte schon von ihnen gehört und sie wurden mir zum Verhängnis. Diese fiesen Pflanzen mit den fiesen Dornen. Aber eigentlich begann der Tag ganz anders.

Heute ist wie gestern eine leichte Tour geplant. Ich fahre dennoch relativ früh los, da ich heute noch die letzte Möglichkeit hätte, an der Enddestination einen Velomechaniker aufzusuchen. Danach ist dann wohl längere Zeit Wüste im metaphorischen Sinne.

Nach ein paar Kilometern glaube ich am Wegrand einen Bären zu erkennen. Seltsam. Hier hat es keine Bären. Aber ich hab ja Bärenspray. Ich fahre langsam weiter und erkenne: ist eine Kuh. Naja. Ich fahre weiter und muss mich entscheiden zwischen einem relativ langen und hügeligen Umweg auf Asphalt oder eine Abkürzung über eine relativ gute Gravelstrasse. Ich entscheide mich für den Gravel.

Wiederum nach einigen Kilometern sehe ich am Horizont irgendetwas Komisches. Ein Tier? ODer einfach eine Färbung der Strasse? Nein, es bewegt sich. Seltsam. Ich fahre weiter und sehe plötzlich: das ist ein Mensch. Ein Wanderer. Er ist wie ich auf dem Weg von der Ostküste, wobei er nach Oregon will. Zu Fuss. Wahnsinn. Ich habe schon mit dem Velo Schwierigkeiten, alles zu organisieren, zu Fuss kann man es sich nicht erlauben, zu wenig Proviant dabei zu haben – aber auch nicht zu viel… Zelten sei meist kein Problem, meist habe es sogar offizielle Plätze, wo campen erlaubt sei und es oftmals sogar eine Dusche habe. Ich meine, dass ich halt Strom benötigte, er meint: er auch, hat sogar ein Laptop dabei. Ein Zeichen, dass er auch auf Social Media zu finden ist, leider war ich mal wieder zu träge, danach zu fragen.

Einige Kilometer weiter das nächste Rencontre. Es hatte noch ein Schild mit „Live Stock“ drauf – und plötzlich rennt ein junger Bulle ziemlich aggressiv auf mich zu. Er stellt sich tatsächlich vor mich auf die Strasse und ich überlege, was ich tun kann. Ich nehme den Bärenspray hervor, stelle mich ihm direkt entgegen. Und beginne zu klingeln und Lärm zu machen. Das wirkt. Plötzlich rennt er und rennt er und rennt er… Feigling.

Wieder einige Kilometer weiter sehe ich dieses Fahrzeug und mache einen fatalen Fehler. Ich fahre vom Weg ab auf einem überwucherten Weg. Was wiederum einige Kilometer weiter zum ersten Platten führt. Bin ich inzwischen routiniert, Rad weg, da kommt eines der wenigen Autos vorbei, ein Pickup, drauf steht: Sheriff. Der ist ja fix. Muss ja eine krasse Überwachung haben hier draussen – zwei Minuten nach dem Platten ist der Chef hier. Oder die Ausserirdischen haben ihn geschickt. Bin mir noch unsicher, welche Variante wahrscheinlicher ist. Der Sheriff entschuldigt sich fast, er wolle nur schauen, ob alles in Ordnung ist, ich sage ja, nur ein Platten. Und flicke ihn pflichtbewusst wie von meinem Bruder gefordert. Oder weil ich zu faul bin, den Ersatzschlauch in der grossen Tasche zu suchen.

Auch beim nächsten Platten ist Hilfe in der Nähe: ein schattiger Baum. Eigentlich wollte ich darunter nur Pause machen, doch wenige Meter davor beginnt das Velo zu schlingern. Der Dorn ist diesmal kleiner, weshalb er länger gebraucht hat, um den Schlauch zu durchdringen. Auch ihn ziehe ich hinaus und fahre nach 15 Minuten weiter. Flicken ist mir zu mühsam.

Im Netz hatte ich schon gesehen, dass es in der Stadt grosse Bauarbeiten gibt. Ich hatte deshalb ein Hotel gebucht, das stornierbar war. Und tatsächlich: die Brücke direkt neben der Interstate ist gesperrt. Auf die Interstate zu gehen habe ich keine Lust und der Umweg wäre nur wenige Kilometer, aber ich hab keinen Bock. Nur schon, weil ich neben einem deutlich besseren Hotel halte, das direkt bei der Altstadt ist und nur 20 Dollar mehr kostet.

Schnell ist es gebucht und ich habe sogar direkten Zugang zum Parkplatz, kann das Velo also ohne Probleme ins Zimmer nehmen. Das tue ich und finde, dass der vordere Reifen schon etwas wenig Luft hat. Immerhin der vordere, bis jetzt war es stets der hintere. Auch hier finde ich einen Dorn.

Mit dem geflickten Bike fahre ich zum Velomechaniker und kaufe mir neue Schläuche. Gerne würde ich noch ganz viel anderes kaufen, was kann noch alles kaputtgehen? Aber er weigert sich, mir dazu Tips zu geben. Unfassbar. Wie soll ich als Laie denn wissen wie die Zukunft sein wird? Gut. Die Ausserirdischen. Aber die verarschen mich zu oft, denen traue ich nicht mehr.

Etwas frustriert fahre ich an den Fluss und setze mich auf eine Bank. Sonnenschein, Abend, schön. Da entdecke ich im Vorderreifen – einen Dorn. Die Kontrolle dauert 5 Minuten und ich ziehe noch drei Dornen aus dem Gummi. Immerhin sollte nun Schluss sein.

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Ein Gedanke zu „Tag 44 Dorniger Tag“

  1. Lieber Herr M

    Da ist ja regelrecht der Dorn im Schlauch. Als lahmer Germanist plädiere ich für die Verbreitung dieser Aktualisierung der Redewendung.

    Ich bin ja froh, machen Sie drüben Fehler, wo Sie doch hienieden ein tadelloses Leben führen.

    Bei uns ist gerade viel los. Die Kleine ist jetzt gross, also 3 cm grösser als bei der letzten Messung März.

    Ihren Hinweis auf Old Faith, für den Sie mir am nächsten Tag eigens einen Post geschenkt haben, geriet im übrigen überhaupt nicht in den falschen Hals; ich glaube Sie zu kennen und wurde dadurch ja durchaus flott auf den neuesten Erkenntnisstand gebracht. Alles gut also.

    Ich wünsche weiterhin gute Fahrt! Und dass Sie mir den Bärenspray ja nicht mit einem Deodorant verwechseln…wobei….

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