Das Hotel in dem ich übernachte ist im Stil der 20er Jahre eingerichtet. Hübsch. Etwas mühsam ist, dass die Abluft des Restaurants direkt vor dem einzigen Fenster rausgepustet wird, das ich öffnen kann. Und die Bar unterhalb bis morgens um 2 Uhr Musik spielt. Aber ich mag es.
Heute ist Zugfahrt angesagt. Ich will noch einige Einkäufe tätigen, gute Supermärkte hat es aber nicht in Downtown El Paso. Der nächste ist rund 3 Kilometer entfernt einen kleinen Hügel hinauf. Und sofort vermisse ich den Motor. Die Steigung ginge ja noch, aber es hat die heftigsten Windböen, die ich auf dieser Reise erlebt habe. Zum Glück gibt es eine Strassenbahn. Einspurig. Die eine Strasse geht es den Hügel hoch fast bis zum Supermarkt, die andere Strasse geht es wieder runter. Es gibt wohl zwei Routen, aber mehr oder weniger fährt sie einfach im Kreis. Die Fahrt ist kostenlos, wobei ich mich insgeheim ein wenig schadenfreue als ein Velofahrer zurückgewiesen wird. Faltvelo hat schon seine Vorteile. Kurz vor meiner Destination suche ich nach einem Halteknopf, die Tram hat längst nicht an allen Haltestellen gehalten. Ich finde nichts. Ob man da rufen muss wie in Italien vor vielen Jahren erlebt? Wohl kaum. Nach einer genaueren Inspektion erkenne ich das Seil über den Fenstern. Daran ziehen genügt.
Dann gehts zum Zug. Laut App soll er 45 Minuten Verfrühung haben. Am Ende sind es 30 Minuten. Ich habe ein Schlafabteil für mich allein, gemütlich, etwas doof ist nur, dass Abend- und Morgenessen inklusive sind. Was mach ich jetzt mit meinen Einkäufen? Einfache Lösung: ich esse das Sandwich einfach gleich jetzt. Was sich dann als suboptimale Lösung herausstellt. Schon eine gute Stunde später werden die Ersten zum Abendessen gerufen. Es ist 5, mein Platz ist für 6 reserviert. 10 Minuten später die Mitteilung: 6 Uhr nach Central Time. Also 5 Uhr, also jetzt. Die zweite Zeitzone in wenigen Tagen. Erstaunt bin ich deshalb, weil El Paso in Texas liegt – und wir Texas für längere Zeit nicht verlassen. Ein Blick auf die Zeitzonenkarte zeigt: El Paso gehört noch zur „New-Mexiko-Zeitzone“, obwohl es in Texas liegt. Das Abendessen ist überraschend gut und ich unterhalte mich mit einem älteren Paar aus Arkansas. Deren Erklärung, warum das Land immer polarisierter werde, es immer weniger ein Miteinander gibt, überzeugt mich allerdings nicht so ganz: Die USA seien Gods own Country und das God verliere immer mehr an Wert. Die Zeiten ändern sich, in vielem zum Guten, in manchem auch nicht.
Die nächsten Tage könnten spannend werden, wobei ich hier meinen Gesprächspartnern zustimmen möchte: schon oft hatte ich es gehört, sie haben einfach genug von dem ganzen Spektakel und freuen sich darauf, dass es endlich vorbei sein wird. Wenn es denn vorbei sein wird.